Deklinieren wir doch ein paar andere interessante Provenienzen durch: Was halten Sie von Franciacorta?
Wie beim Champagner findet die prise de mousse durch die zweite Gärung in jeder einzelnen Flasche statt. Durch die hohe Qualität der Schaumweine wird sie häufig die «Champagne Italiens» genannt. Wobei es mittlerweile auch andere Regionen in Italien gibt, die nach diesem Verfahren produzieren, zum Beispiel Oltrepò Pavese Metodo Classico, ebenfalls in der Lombardei. Da entdeckt man ebenfalls hervorragende Produkte. Das Problem ist, insbesondere bei Franciacorta, dass die Preise ein ähnliches Niveau wie Champagner haben. Gerade die Kunden in der Schweiz bevorzugen dann meist den Champagner.
… und von spanischem Cava?
Er wird ebenfalls in Flaschengärung hergestellt. Leider ist ein Grossteil der Cava qualitativ bescheiden, die Trauben stammen teilweise aus Gebieten (wie Extremedura oder Calatayud), die alles andere als geeignet für Schaumwein sind. Ideal also für Studentenpartys, aber nichts für Aficionados. Wer sucht, kann allerdings auch im Cava fündig werden. Seit einiger Zeit macht zudem eine Vereinigung von Qualitätsproduzenten von sich reden, die ihre Schaumweine nach viel strengeren Kriterien herstellen und unter der Bezeichnung «Corpinnat» vermarkten.
«Für den Freak sind ausserdem englische Schaumweine ein heisser Tipp.»
Viele deutsche Winzer sind stolz auf ihre Sekt-Erzeugnisse.
Zu Recht: Deutschland ist weltweit der drittgrösste Schaumweinproduzent, hat eine sehr grosse Schaumwein-Tradition und ist auch vom Klima her geeignet dafür. Viele wissen ausserdem nicht, dass die Deutschen einen wichtigen Anteil zur Entwicklung der Champagne beigetragen haben: Beispielsweise Anton von Müller bei Veuve-Clicquot mit den Rüttelpulten oder die Unternehmer Johann-Joseph Krug, Florenz-Ludwig Heidsieck, Peter Arnold Mumm, Wilhelm Deutz oder Joseph Jacob Bollinger. Noch um 1900 wurden in Deutschland viele einheimische Schaumweine als Champagner verkauft. Dies wurde dann 1919 mit dem sogenannten «Champagnervertrag» im Friedensvertrag von Versailles verboten. Wenn man von Massenware wie Henkell Trocken, Rotkäppchen-Sekt und anderen Produkten absieht, kann man in Deutschland teils erstaunlich gute Schaumweine zu attraktiven Preisen entdecken.
Worauf muss man bei der Auswahl eines guten Schaumweines achten?
Das ist leider nicht so einfach. Per se hat er aufgrund der aufwendigen Produktion und der anschliessenden notwendigen Reife einen gewissen Preis. Wenn es sich um Flaschengärung handelt, beginnt dieser bei etwa 20 Franken. Wer keinen Aufpreis für die Herkunftsangabe Champagne zahlen will, der wird auch anderswo fündig, selbst in Frankreich. «Crémant» wird beispielsweise auch mittels Flaschengärung erzeugt, und seine Herstellung ist streng reglementiert. Ein Geheimtipp ist beispielsweise der Crémant d’Alsace von Muré, erhältlich bei Ruli Vins in Allschwil. Wie immer jedoch gilt: Probieren geht über Studieren!
«Ein Publikumsliebling bei der Selection Schwander – und in der Tat ein Kracher! – ist unser Crémant von Chateau Bauduc aus dem Bordelais.»
Und für einen Champagner: Wie viel sollte man mindestens budgetieren?
Unter 20 Franken ist die Wahrscheinlichkeit sehr klein, dass es sich um einen qualitativ zufriedenstellenden Champagner handelt. Ab 30 Franken sollte man mit einiger Anstrengung gute Produkte finden können. Abseits der grossen Marken bieten gerade die sogenannten «Winzerchampagner» oft attraktive Produkte. Das sind Winzer, die ihre Trauben traditionell an die grossen Häuser geliefert und sich mittlerweile emanzipiert haben und eigenen Champagner zu teils sehr attraktiven Preisen anbieten.
Sprechen wir über einige grosse Namen. Was halten Sie von Dom Pérignon?
Er ist überraschend gut, wenn man in Betracht zieht, dass die gigantische Produktionsmenge wohl 10 Millionen Flaschen übersteigt – ein hochwertiger, geschmeidiger, ansprechender Champagner. Man zahlt hier aber auch für den Brand. Der geniale Bernard Arnault (LVMH) ist nicht umsonst einer der reichsten Menschen der Welt. Wenn Sie Dom-Pérignon-Fan sind, kosten Sie doch einmal zum Vergleich den Moët & Chandon «Grand Vintage», der stammt aus dem gleichen Haus und ist viel preiswerter.
Weinkeller von Ayala in Aÿ-Champagne. (Bild: zVg)
Krug gilt als Nonplusultra.
Er ist sicher einer der besten Champagner. Seit der Übernahme durch Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH) habe ich aber den Eindruck, dass sie weniger lange gereift werden. Ich empfinde sie vielfach als zu jung. Aber immerhin: Die erste Gärung findet nach wie vor wie früher im Holzfass statt, was eine sehr komplexe Aromatik ergibt.
Wen würden Sie sonst noch unter den grossen Häusern verorten?
Roederer und Pol Roger gehören sicherlich zu den Grossen und Guten. Bei Bollinger finde ich die Jahrgangschampagner sehr eindrücklich. Unter den Winzerchampagnern ist R. Pouillon aus Mareuil-sur-Aÿ hervorragend. Bei den Handelshäusern ist zurzeit Ayala in aller Munde. Im Gegensatz zu Bollinger steht nicht der Pinot Noir sondern der Chardonnay im Vordergrund. Ayalas brillanter Kellermeister Julian Gout ist derzeit einer der besten in der ganzen Champagne, ein echter Shooting Star!
«Die Rechtsabteilung der Champagne ist gefürchtet auf der ganzen Welt.»
Welche Entdeckungen aus der Welt des Schaumweines können Sie sonst noch mit uns teilen?
Ein Publikumsliebling bei der Selection Schwander – und in der Tat ein Kracher! – ist unser Crémant von Chateau Bauduc aus dem Bordelais. Aromatisch liegt er zwischen Champagner und Prosecco. Er hat mehr Komplexität als ein Prosecco, ist aber auch leichter verständlich als ein Champagner – ein hervorragendes Produkt zum Apéro, das Freunde und Familie im Sturm erobert. Für den Freak sind ausserdem englische Schaumweine ein heisser Tipp.
Wie bitte?
Ja, da staunt man... Das Pariser Kreidebecken, das die Belemnit- und Micrasterböden der Champagne bildet, hört nämlich nicht in Frankreich auf, sondern erstreckt sich weiter nach Südengland. Geologisch findet man so Böden, die vergleichbar mit den besten Lagen in der Champagne sind. Der renommierteste Produzent ist hier wahrscheinlich Coates & Seely, den wir bereits seit einigen Jahren importieren. Diese Produkte werden nur sehr selektiv vertrieben, meist bei Empfängen der englischen Krone serviert und glasweise nicht nur in den besten englischen Restaurants ausgeschenkt sondern sogar in Paris bei Alain Ducasse, Georges V. oder dem Crillon.
Philipp Schwander beim Mittagessen mit Christian Seely (Mitte) und Nicholas Coates im «Smoking Lobster» in Cowes. (Bild: zVg)
Es handelt sich um ein privates Projekt von Christian Seely, dem Direktor der AXA-Weingruppe, die einige der führenden Weingüter der Welt bewirtschaftet (u.a. Pichon-Baron, Quinta do Noval) und seinem Freund Nicholas Coates. Eben kürzlich haben sie eine spektakuläre Neupflanzung auf der Isle of Wight vorgenommen, die über ideale Bedingungen für hochwertige Schaumweine verfügt – man wird von diesem Betrieb in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch einiges hören.
Wie schlagen sich seine Schaumweine im Blindvergleich mit Champagnern?
Der Brut Reserve NV kann ohne weiteres mit guten Champagnern ohne Jahrgang mithalten.
Was werden Sie eigentlich zu Weihnachten und Silvester trinken?
Mit Sicherheit einen exzellenten Champagner: Den 2018er Blanc de Blancs «A/18» von Ayala. Sicherlich auch unseren Crémant von Château Bauduc, der einfach köstlich ist. Und bei Einladungen kredenze ich sehr gerne den hochwertigen Coates & Seely. Da hat man den Überraschungseffekt auf sicher!
Weinhändler Philipp Schwander widmet sein Leben seit dem 16. Lebensjahr dem Wein. 1996 bestand er als erster Schweizer die strengste Weinprüfung der Welt, den Master of Wine. Nach Tätigkeiten für «Martel» in St Gallen und der Leitung bei «Albert Reichmuth» in Zürich, gründete er im Jahr 2003 seine «Selection Schwander». Der Name ist seither Programm: Schwander wählt hervorragende, preiswerte Weine abseits der grossen Prestige-Marken aus.
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