Werner Vogt gilt als einer der besten Churchill-Spezialisten der Schweiz. Nun hat er ein Buch mit Geschichten und Rezepten aus der Küche des britischen Kriegspremiers geschrieben: «Rösti für Winston Churchill». Essen, Trinken und Rauchen war für den charismatischen Politiker weit mehr als ein hedonistisches Vergnügen. 

Von Werner Vogt

Weshalb schreibt man ein Winston-Churchill-Kochbuch, wo es doch schon Hunderttausende von Kochbüchern und Tausende von Geschichtsbüchern über den britischen Kriegspremier (1874-1965) gibt? – Die kurze Antwort ist: Weil es aktuell lebende oder historische Persönlichkeiten gibt, an denen alles interessiert.

So gibt es zum Beispiel auch ein Goethe- oder ein Schiller-Kochbuch. Faszinierend an Churchill ist – 150 Jahre nach seiner Geburt und bald 60 Jahre nach seinem Tod – dass er nach wie vor im Bewusstsein der Öffentlichkeit präsent ist. Es gibt auch heute Cartoons über Churchill, mehr noch, er ist bis heute eine Marke, ein Brand: Ein Schweizer Zigarrenproduzent schuf vor ein paar Jahren eine Churchill-Linie. Churchills V-for-Victory-Zeichen wird weltweit von Politikern, Sportlern und Künstlern gebraucht, mitunter auch von terroristischen Schurken missbraucht.

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«Rösti für Churchill», das neue Buch von Werner Vogt. (Bild: zVg)

Retter Westeuropas

Wer der Begeisterung bis hin zur Bewunderung namentlich der älteren Generation für Winston Churchill auf den Grund gehen will, entdeckt bald einmal seine Schlüsselrolle im 2. Weltkrieg. 1940 wurden die französischen Streitkräfte in nur gerade sechs Wochen von der deutschen Wehrmacht besiegt.

Hitlerdeutschland schien unbesiegbar und vermutlich jeder andere britische Premierminister wäre versucht gewesen, einen faulen Handel mit dem deutschen Diktator abzuschliessen, um Schäden für das eigene Land zu vermeiden. Nicht so Churchill. Er hatte die an Verrücktheit grenzende Vision, dass das Deutsche Reich notabene mit massivster Hilfe der USA zu besiegen sei. Washington war damals, im Sommer 1940, aber meilenweit von einem Kriegseintritt entfernt.

Führungsgespräche eines Entertainers

Und hier sind wir schon mitten im Thema des Churchill-Kochbuchs, das im ersten Teil ein historischer Essay ist. Winston Churchill war ganz klar ein Gourmet und Gourmand, ein Liebhaber von erstklassigem Champagner und edlen kubanischen Zigarren. Essen, Trinken und Rauchen war für ihn aber weit mehr als ein hedonistisches Vergnügen.

Gespräche zu Führungszwecken und zur Informationsbeschaffung führte er am liebsten bei Tisch. Die Tafel war auch seine Bühne in der Funktion des Alleinunterhalters. So konnte Churchill mit eindrücklicher Imitation von Schlachtfeld-Geräuschen wie pfeifenden Granaten oder detonierenden Sprengkörpern, unterstützt von Rauchwolken aus seiner Zigarre, historische Schlachten aufleben lassen. 

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Werner Vogt überreicht Bundesrat Albert Rösti ein Exemplar seines Buchs (Bild: Peter Wäch)

Diner-Diplomatie in Washington

Noch wichtiger war jedoch die Funktion des gemeinsamen Essens, Trinkens und Rauchens im Dienst der Politik. Churchill war der vollendete Diner-Diplomat. Als Japan am 7. Dezember 1941 den vernichtenden Angriff auf den Hauptstützpunkt der amerikanischen Pazifikflotte, Pearl Harbor, lancierte und damit die USA zur Kriegspartei machte, packte Winston Churchill seine Koffer und liess sich über Weihnachten/Neujahr zwei Wochen im Weissen Haus häuslich nieder.

Neben formellen Abendessen redete er bei Brandy und Zigarren stundenlang und bis weit nach Mitternacht mit dem amerikanischen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt über den Krieg, die Nachkriegsordnung oder einfach über Gott und die Welt. Diese feuchtfröhlichen Abende respektive Nächte waren gar nicht nach dem Gusto der First Lady Eleanor, was Mr. President geflissentlich ignorierte.

Vodka und Kavier mit Stalin

Die Kunst des gemeinsamen Tafelns und Zechens war aber keineswegs Roosevelt vorbehalten. Churchill umgarnte Josef Stalin ebenfalls systematisch. Als einmal politische Spannungen in Moskau abgebaut werden mussten, «opferte» sich Churchill, um mit dem sowjetischen Diktator herzhaft Kaviar zu essen, was selbstredend Dutzende von Trinksprüchen und ebenso viele Gläser Vodka erforderte.

Churchill liebte Delikatessen, genoss aber gerne auch einfache Dinge wie eine Chicken Pie oder eine Schweizer Rösti. Letztere, weil die Familie Churchill im Lauf der Jahre zahlreiche Köchinnen und Köche aus der Schweiz hatte. 


Werner Vogt, geboren 1960 in Brugg, studierte an der Universität Zürich Geschichte und Anglistik. Er promovierte bei Prof. Dr. Urs Bitterli mit einer Arbeit über das Churchill-Bild in der NZZ. Heute ist er Inhaber von Werner Vogt Communications und hat mehrere Bücher über den britischen Kriegspremier veröffentlicht, zuletzt «Winston Churchill – Witz und Weisheit. Der grösste britische Staatsmann in Anekdoten und Geschichten» (Weber Verlag). Sein neustes Werk – «Rösti für Winston Churchill» mit 100 Rezepten aus der Küche des britischen Staatsmanns, im Handel erhältlich oder mit Widmung direkt beim Autor bestellbar: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!