Am Freitag publizierten finews.ch und das Fachmagazin «Cigar» eine gemeinsame Recherche über gefälschte kubanische Zigarren in der Zürcher In-Location «Tao's». Doch das Problem ist noch viel weiter verbreitet, wie neue Erkenntnisse zeigen.

Es ist erst vier Tage her, dass «Cigar» und finews.ch publik machten, dass das angesagte «Tao's Restaurant & Bar» seinen Kunden gefälschte kubanische Zigarren des Modells Cohiba Siglo VI für 115 Franken pro Stück verkaufte. Die Zigarren hatte das Etablissement beim bereits früher des Verkaufs gefälschter Havannas überführten Pensionär Rudolf R.* alias Cubaruedi erworben.

In der Zwischenzeit haben die beiden Redaktionen zahlreiche Hinweise auf weitere Gastronomie-Betriebe erreicht, welche die dubiosen Produkte von Cubaruedi ihren Kundinnen und Kunden vorsetzen. Diesen Hinweisen ist Tobias Hüberli, Chefredaktor von «Cigar», nachgegangen und hat soeben seine Befunde veröffentlicht. In einigen Fällen erhärtete sich der Verdacht, in anderen erwies er sich als unbegründet.

Falsche Bauchbinden, anderes Aroma

Zur Feststellung der Fälschungen analysierte Zigarren-Experte Hüberli erstens die sogenannten Bauchbinden, die im Falle echter kubanischen Zigarren von einer auf Sicherheitsdruck spezialisierten niederländischen Druckerei stammen und – ähnlich wie Banknoten – verschiedene, weitgehend fälschungssichere Sicherheitsmerkmale aufweisen. Zweitens überprüfte er auch das Geschmacksprofil der Zigarren, das sich beim kubanischen Tabak wahrnehmbar von jenem anderer Provenienzen unterscheidet.

Nebst dem «Tao's» und dem Steakhouse «Meat Me», die bereits Gegenstand der Recherche von vergangener Woche waren, stellten sich die Zigarren in folgenden Locations als gefälscht heraus:

  1. La Zagra, Zürich: Im Humidor des Spitzen-Italieners im Zürcher Seefeld, der vom Gault Millau regelmässig mit 15 Punkten ausgezeichnet wird, stiess Hüberli auf mehrere plumpe Fälschungen. Mit dem Befund konfrontiert, sagt Geschäftsführer Luca Gioia, er kenne sich mit dem Thema Zigarren nicht aus. Dafür spricht auch, dass er die Fälschungen weit unter dem Marktpreis ihrer authentischen Entsprechung verkaufte. Die Cohiba Siglo VI, die Cubaruedi für 20 Franken verkauft, kostete hier 38 Franken statt der im Fachhandel üblichen circa 110 Franken. Das La Zagra hat sämtliche von Cubaruedi gelieferten Zigarren aus dem Sortiment genommen und will einen Anwalt einschalten.
  2. Neue Real, Zürich: In dem spanischen Restaurant, das von der Zürcher Gastronomie-Ikone Aurelio Lorenzo (früher «Casa Aurelio») mitbegründet wurde, sind die kubanischen Zigarren ebenfalls aus dem Fundus von Cubaruedi. Geschäftsführer Mazen Rahmani ergriff umgehend Massnahmen und entfernte sie aus dem Sortiment. «Mein Vertrauen wurde von Cubaruedi missbraucht und dem guten Ruf des Lokals geschadet», sagt er gegenüber «Cigar». Immerhin: Die gefälschten Cohibas verkaufte er seinen Kunden nicht, wie das «Tao's» zum Preis originärer Havannas, sondern 35 Franken für eine Edición Limitada von Romeo y Julieta und 27 Franken für eine Cohiba Medio Siglo. 
  3. Strauss, Winterthur: Dieses Restaurant bietet für Winterthurer Verhältnisse ein ziemliches Maximum an Gourmet-Appeal. Doch die Havannas, die es verkauft, sind gefälscht. Zwar spielen hier die Preise verrückt – die Montecristo Open Eagle gibt es für 27 Franken statt 36 Franken im Fachhandel und die Cohiba Medio Siglo kostet 26 Franken statt 66,30 Franken –, was allerdings darauf hindeutet, dass die Betreiber im guten Glauben handelten. Sie habe nie Reklamationen wegen der Zigarren registriert, sagt Tuba Özdemir, Geschäftsführerin des Restaurants Strauss auf  Anfrage. «Cubaruedi behauptet die Echtheit seiner Zigarren nachweisen zu können, wir werden der Sache umgehend selbstständig nachgehen», so Özdemir. 

Von den Fälschungen betroffen ist nicht nur die gehobene Gastronomie, sondern offenbar auch das Milieu: Ebenfalls erreichten uns Hinweise, dass im Langstrasse-Nachtclub «Egoist» die gefälschte Kuba-Ware verkauft wird. Auf eine Verifizierung vor Ort haben wir in diesem Fall verzichtet, den Betreibern allerdings Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die sie ungenutzt verstreichen liessen.

Die Quelle von Cubaruedi

Auch mit Cubaruedi konnte Fachjournalist Hüberli in der Zwischenzeit sprechen. Dieser bestreitet, dass es sich bei den von ihm weit unter Marktpreis verkauften Kuba-Zigarren um Fälschungen handle. Auf Nachfrage gibt er dennoch seine Bezugsquelle bekannt: den Online-Shop Solocigars aus Costa Rica.

Dieser ist dafür bekannt, günstige Zigarren aus Nicaragua mit nachgemachten Kuba-Etiketten zu versehen und via Webshop in die ganze Welt zu vertreiben.

Geheime Goldader?

Könnte es vielleicht doch sein, dass Solocigars und Cubaruedi eine geheime Goldader direkt in die kubanische Zigarrenindustrie haben, die sie weit unter Import-, Export-, Verkaufs- und sonstigen Preisen mit kubanischen Zigarren versorgt? «Das halte ich für ausgeschlossen», sagt Tobias Hüberli. «Die Abweichungen bei den Banderolen weisen die Produkte klar als Fälschung aus.»

strauss 500x300 
Besuch im Winterthurer Strauss: kopierte Cohiba (rechts), Original (links). Für grössere Darstellung Bild anklicken. (Bild: «Cigar», Chris Iseli)

Zudem: «Seit Jahren leidet die kubanische Zigarrenindustrie unter schmerzhaften Produktionsengpässen. Entsprechend strikt kontrolliert sie ihre Lieferkette.» Die Preise seien im April 2023 weltweit vereinheitlicht worden und schon vorher global relativ ähnlich gewesen. 

Wäre es denn möglich, dass es sich zwar um kubanische Zigarren handelt, aber nicht aus der offiziellen Produktion des staatlichen Tabakmonopols? «Die kubanische Regierung hütet die Zigarrenindustrie wie ihren Augapfel. Ausserhalb der offiziellen Kanäle und Preise gibt es weltweit nirgends einen Grosshandel für authentische kubanische Zigarren», so Hüberli.


* Name der Redaktion bekannt.