Nicht nur aufgrund seiner geographischen Lage ist IWC in Schaffhausen ein Exot unter den Schweizer Herstellern von Luxusuhren. Das Unternehmen zeichnete sich von Anfang an durch eine vorwärtsstürmende technologische Ambition aus. 1985 wurde es durch eine besondere Erfindung weltberühmt. Ein Besuch zur Annäherung.

Wenn man heute von der Schaffhauser Altstadt zum Firmengelände von IWC spaziert, führt der Weg durch städtisch erschlossenes Gebiet. Der etwas verwinkelte Hauptsitz, dem man seine mehreren Bau-Etappen ansieht, versprüht gewissermassen mitten in der Stadt industriellen Charme.

Das war nicht immer so. Gegründet wurde IWC als International Watch Company im Jahr 1868. Als das Hauptgebäude im Jahr 1874 fertiggestellt wurde, war es weitgehend freistehend, direkt verbunden mit einem Wasserkraftwerk am Rhein, das die Energie für den Antrieb der Maschinen lieferte.

Amerikanische Wurzeln

Am Anfang der IWC-Geschichte steht die industrielle Ambition eines Amerikaners: Florentine Ariosto Jones (1841-1916) hatte die Schweiz bereist, um nach günstigen Möglichkeiten zu suchen, Uhrwerke für die in Amerika damals sehr populären Taschenuhren herzustellen. Die Schweiz galt als Billiglohnland.

Er besuchte auch den Jura als damaliges und heutiges Herz der Uhrenwirtschaft. Die Mentalität der dortigen Uhrmacher – viele von ihnen arbeiteten in Kleinst-Werkstätten oder sogar von zuhause aus – schien ihm aber zu hinterwäldlerisch, um hier ein pionierhaftes Industrieunternehmen mit moderner Fertigungstechnik zu erbauen.

iwc historic 500x300
Am Anfang weitgehend freistehend: IWC-Hauptgebäude in den 1970er-Jahren. (Bild: IWC, zVg)

Schaffhausen also. In den ersten Jahren stellte IWC ausschliesslich Uhrwerke für den amerikanischen Markt her. Mit dem Gehäuse vermählt und gebrandet wurden die Uhren dann zum Beispiel in New York.

Turbulente Anfangsjahre

Doch das betriebswirtschaftliche Unterfangen erwies sich als schwierig. Es gab mehrere Konkurse und Eigentümerwechsel, bis IWC im Schaffhauser Industriellen Johannes Rauschenbach (1815-1881) einen Käufer fand. Er blätterte 260'000 Franken hin, die Hälfte des geschätzten Wertes.

Danach verblieb das Haus für knapp 100 Jahre in den Händen der Familien Rauschenbach und, auf dem Wege der Heirat, Homberger. Eine Zeitlang war auch der Arzt und Begründer der Psychoanalyse, Carl Gustav Jung (1865-1971), an IWC mit beteiligt. Und zwar hatte er sich im Jahre 1902 mit Emma Rauschenbach (1882–1955), verheiratet, der Tochter des IWC-Käufers und -Retters.

portugieser 600x300

Aktuelle Kollektion des Portugieser-Modells. (Bild: IWC, zVg)

In diese lange, von den Familien geprägte, Zeitspanne fällt die Lancierung aller fünf noch heute bestehenden Modell-Linien: Die Pilot-Fliegeruhren ab 1936, die IWC unter anderem an die deutsche Luftwaffe und an die Royal Air Force lieferte und die Ingenieur-Modellserie als weltweit erste antimagnetische Uhr für den zivilen Gebrauch (sie wurde 1955 erstmals produziert und 1976 vom Schweizer Künstler und Uhrmacher Gérard Genta neu gestaltet).

Ferner die Aquatimer-Taucheruhren ab 1969, die  und natürlich die legendäre Portugieser, die ihren Namen der Tatsache verdankt, dass sie in den 1930er-Jahren zuerst für zwei Uhrenhändler aus Portugal hergestellt wurde sowie die 1969 erstmals aufgelegte DaVinci-Serie.

Öffentliches Museum

Die reichhaltige Modellgeschichte lässt sich im IWC-Museum erleben, das sich ebenfalls am Hauptsitz in Schaffhausen befindet und der Öffentlichkeit offensteht. Dem Vernehmen nach erfreut sich diese Attraktion grosser touristischer Beliebtheit. Von den frühesten Taschenuhren bis zu den epochenmachenden Modell-Kreationen und -Evolutionen sind hier fast alle wichtigen Modelle ausgestellt, die IWC jemals produziert hat.

Seit kurzem ist hier unter Anderem als Leihgabe das Original einer Taschenuhr ausgestellt, welche der englische Premierminister Winston Churchill (1874-1965) kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges geschenkt bekommen hat. 

94 Stammbücher 

In 94 dicken Stammbüchern ist säuberlich Buch geführt über jede jemals produzierte Uhr und deren Käufer bis in die 1970er-Jahre. Seit da lief die Erfassung zunächst auf Karteikarten, danach elektronisch. Auf diesen historischen Fundus bezieht sich IWC bei der Ausstellung von Echtheitsbescheinigungen. Die Service-Abteilung kann bis heute jede mechanische Uhr warten oder reparieren, die seit der Anfangszeit die Werkstatt verlassen hat.

Die Uhrenkrise der 1970er-Jahre infolge des Quartz-Booms machte IWC schwer zu schaffen. Die Zahl der Angestellten in der Schweizer Uhrenindustrie sank um zwei Drittel. 1978 verkauften die Familien Rauschenbach und Homberger das Unternehmen an den deutschen Automobilzulieferer VDO.

Epochale Erfindung

Unter der Ägide von VDO verdoppelte IWC die Anstrengungen in Sachen Technologie und Mechanik gegen den Quartz-Zeitgeist. Und wurde dafür belohnt: Im Jahr 1985 erfand der 1934 geborene Schweizer Uhrmacher Kurt Klaus bei IWC einen kronenbetriebenen Ewigen Kalender für Armbanduhren – dieser gilt seither als Olymp der mechanischen Uhrmacherkunst bei den Komplikationen. Schliesslich muss er Feinheiten Rechnung tragen wie den Schaltjahren.

In seiner neuesten Generation verspricht der Ewige Kalender von IWC eine Mondphasenanzeige mit einer Genauigkeit von 45 Millionen Jahren. Er erkennt nicht nur die unterschiedlichen Monatslängen und fügt alle vier Jahre Ende Februar einen Schalttag hinzu, sondern berücksichtigt auch automatisch die komplexen Ausnahmeregeln des Gregorianischen Kalenders, in dem über einen Zeitraum von 400 Jahren dreimal ein Schaltjahr ausfällt.

Vor wenigen Wochen wurde die IWC Portugieser Eternal Calendar ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen als präziseste Armbanduhr mit Mondphase.

iwc ewigerKalender Skizze 500x300
Technische Skizze des Ewigen Kalenders von Kurt Klaus, 1985. (Bild: IWC, zVg)

Spätestens seit der Erfindung des Ewigen Kalenders bewohnt IWC einen besonderen Platz im Herzen von Liebhabern mechanischer Uhren. Den industriellen Pioniergeist spürt man beim Rundgang durch das Schaffhauser Gelände bis heute: Alles wirkt so rein und aufgeräumt wie in einem wissenschaftlichen Laboratorium, die Abläufe organisiert und durchdacht.

Zwar bestellt auch IWC einzelne Komponenten von Lieferanten. Die Devise lautet allerdings: Wo es wirklich kompliziert und anspruchsvoll wird, macht man es selber. Derzeit werden in den IWC-Modellen nicht weniger als sieben verschiedene eigene Manufakturwerke verwendet, darunter das Calibre 52 mit der weltweit rekordverdächtigen Gangreserve von sieben Tagen.

Seit 2000 bei Richemont 

Nach der Übernahme von VDO durch Mannesmann im Jahr 1994 wurde IWC gemeinsam mit den anderen Nobelmarken Jaeger-LeCoultre und A. Lange & Söhne zur Holding Les Manufactures Horlogères gebündelt. 

Im Jahr 2000 kaufte Richemont, der von Johann Rupert erschaffene Schweizer Luxusgüterkonzern, das Uhren-Dreigestirn von Mannesmann für 3,5 Milliarden Deutsche Mark, respektive 1,8 Milliarden Euro. Die Führung der Firma lag nacheinander bei Georges Kern (2001 bis 2017) und Christoph Grainger-Herr (seit 2017).

Kaum von Baisse betroffen

Seither hat die Schaffhauser Uhrenfabrik nochmals massiv zugelegt. Teil des Erfolgsgeheimnisses ist die hohe Autonomie, die IWC innerhalb des Konzerns zukommt. In Sachen Technologie und Design operiert IWC fast völlig unabhängig vom Konzern. Diesbezüglich besteht kein Druck zur Vereinheitlichung oder zur Nutzung von Synergien.

Weil die Kapazitäten am Hauptsitz zu klein wurden, hat IWC vor sechs Jahren ein neues Manufakturzentrum ausserhalb des Stadtzentrums in Betrieb genommen. Dieses orientiert sich an Designs des Stararchitekten Mies van der Rohe. Es beherbergt 400 zusätzliche Uhrmacherinnen und Uhrmacher.

iwc manufakturzentrum 500x300
Neues IWC-Manufakturzentrum in Schaffhausen. (Bild: IWC, zVg)

Auch in Sachen Marketing setzt IWC seit Jahren kreative Akzente. Dazu gehören Formel-1-Engagements (finews.ch berichtete) sowie die Zusammenarbeit mit Markenbotschaftern wie Gisele Bündchen, Lewis Hamilton und Hans Zimmer.

Die Kombination aus technologischem Führungsanspruch und Luxusgüter-Marketing der obersten Hubraumklasse scheint selbst in anspruchsvollen Zeiten zu funktionieren. In Branchenkreisen hört man, dass IWC kaum von der derzeitigen Baisse bei der Nachfrage nach Luxusuhren betroffen sei. Zu den Prinzipien von IWC gehört aber auch, dass man sich zu Zahlen nicht öffentlich äussert.