Auf der Suche nach Hartwährungen landet man heute fast zwangsläufig beim Franken. Alle grossen Währungen haben in diesem Jahrtausend an Wert gegenüber dem Franken eingebüsst. Der Euro knapp vierzig Prozent, der Dollar 44 Prozent und der Yen sogar 60 Prozent. Warum?
Die Gründe für die Franken-Stärke sind vielfältig. Einerseits verfügt die Schweiz über eine ausserordentlich hohe Wirtschaftskraft mit überwiegend üppigen Leistungsbilanzüberschüssen, was die Franken-Nachfrage ankurbelt. So lag der Leistungsbilanzüberschuss der Schweiz in diesem Jahrtausend in 20 von 23 Jahren bei mindestens fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP).
Eine positive Leistungsbilanz allein macht aber noch keine Hartwährung, wie das Beispiel Norwegen zeigt. Denn das skandinavische Land verfügt sogar über noch stärkere Leistungsbilanzdaten. Es kommt seit dem Jahr 2000 auf einen durchschnittlichen Überschuss in Höhe von zwölf Prozent des BIP. Gleichzeitig wertete die norwegische Krone aber im gleichen Zeitraum um rund 30 Prozent gegenüber dem Euro ab. Was steckt also hinter der Franken-Stärke?
Sicherer Hafen
Julian Marx, Research Analyst bei Flossbach von Storch (Bild: FvS)
Vermutlich vor allem der Status des Franken als «sicherer Hafen», erklärt Julian Marx (Bild oben), Research Analyst beim Kölner Vermögensverwalter Flossbach von Storch, der auch in Zürich vertreten ist. Bereits seit den 1920er-Jahren zeichnete sich der Franken durch eine monetäre und politische Stabilität aus, während in zahlreichen anderen Währungsräumen die De-facto-Aufgabe eines metallischen Währungssystems regelmässig zur Staatsfinanzierung ausgenutzt wurde.
Dieser über Dekaden erworbene Ruf hallt bis heute nach. Der Wunsch von Anlegerinnen und Anlegern nach (Währungs-) Stabilität äusserte sich nicht zuletzt in den Devisenanlagen der Schweizerischen Nationalbank (SNB).
Echte Hartwährung
Bis ins erste Quartal 2022 hatte die SNB Auslandsdevisen im Gegenwert von mehr als 900 Milliarden Franken erworben, um den Aufwertungsdruck auf die heimische Währung abzumildern.
Seither sind die Zinsen im Ausland stärker gestiegen als in der Schweiz und die SNB konnte ihre Devisenbestände wieder um mehr als 100 Milliarden Franken abbauen.
Enorme Wertverluste gegenüber dem Franken
(Quelle: FvS,zum Vergrössern auf Grafik klicken)
«Solange der Wirtschaftsstandort Schweiz seine hohe Produktivität beibehalten kann und der Status des Franken als «sicherer Hafen» anhält, bleibt die Schweizer Landeswährung wohl noch viele Jahre eine echte Hartwährung» erklärt Marx.
Euro, Dollar und Yen: individuelle Baustellen
Doch was ist mit den grossen Währungsräumen der Industrienationen? Kann man sie noch als Hartwährungen bezeichnen? «Ein klares Urteil ist schwierig», sagt Marx, «weil etwa Euro, Dollar und Yen allesamt über individuelle Baustellen verfügen.»
Die Eurozone lebt mit dem angeborenen Konstruktionsfehler der wirtschaftlichen Heterogenität der Mitgliedstaaten. Der Dollar geniesst als Weltreservewährung zwar den Status eines «sicheren Hafens». Allerdings ist ein solcher Status in einer zunehmend polarisierten Welt nicht in Stein gemeisselt.
Auf der Suche nach Alternativen
Insofern sollte ein chronisches Leistungsbilanzdefizit, wie es die USA haben, keineswegs ausgeblendet werden. Schliesslich konnte die US-Wirtschaft seit 30 Jahren keinen Leistungsbilanz-Überschuss erwirtschaften, was isoliert betrachtet gegen eine strukturelle Aufwertung des Dollar sprechen dürfte.
Im Grunde genommen gibt es also keinen grossen Währungsraum, der auf ganzer Linie überzeugen kann. Auch die Suche nach Alternativen gestaltet sich schwierig. So drängt sich der chinesische Renminbi nicht auf, obwohl die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Chinas und die Attraktivität des Absatzmarktes unbestritten ist.
Was ist der Renminbi noch wert?
Aber dort ist jede Investition vom Willen einer autokratischen Führung abhängig. Angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre mit einer sich verschlechternden Rechtssicherheit dürfte es dem Land daher zunehmend schwerfallen, den Renminbi (auch in der westlichen Welt) als alternative Leitwährung zum Dollar zu etablieren.
«Am Ende des Tages reden wir beim Euro, dem Dollar und dem Yen noch immer über drei durchaus leistungsstarke Währungsräume», sagt Marx. Sie erwirtschafteten mit nur zehn Prozent der Weltbevölkerung im vergangenen Jahr knapp 44 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Gleichzeitig sind deren Währungen aufgrund der Wirtschaftsgrösse und des Nutzungsverhaltens noch immer äusserst liquide.
«Harte Weichwährung»
Das trifft insbesondere auf den Euro und Dollar zu. Rund 60 Prozent der globalen Auslandsschulden notierten Ende 2021 in Dollar, etwa 20 Prozent in Euro. Auch der Blick auf die Devisenreserven und den internationalen Zahlungsverkehr zeigt eine führende Nutzung der beiden Währungen an.
Mit Blick auf den Euro gilt daher, dass er allein aufgrund seiner Konstruktionsfehler zwar keine Hartwährung im Sinne einer D-Mark sein kann. Vielleicht ist er mangels deutlich besserer Alternativen aber nichtsdestotrotz so etwas wie eine «harte Weichwährung».