Das auch in der Schweiz tätige Fondshaus DWS wirft die alten Hierarchien über Bord. Im Kampf um junge Talente müssen hiesige Konkurrenten vielleicht bald nachziehen.
«Ich bin nicht länger Managing Director»: Den Titel, auf den er extrem stolz sei, habe er letzte Woche abgegeben, teilte der hochrangige Kader der deutschen Fondsfirma DWS über den Social-Media-Kanal mit. Bitterkeit darüber scheint der Spezialist für Versicherungen allerdings nicht zu empfinden. «Die Bezeichnung ist nun Ausdruck meiner Rolle im Unternehmen, und nicht mehr eine etwas abgestandene Klassierung für vergangene Leistung.»
18 Monate Vorarbeit
Ob die weltweit gegen 3’500 Angestellten der Deutsche-Bank-Tochter DWS ebenso fühlen, sei dahingestellt. Seit dem 8. März ist für sie alle aber das neue funktionale Rollenrahmenwerk – zu Englisch «functional role framework» – gültig. Die Vorbereitungen für die interne Neurorganisation nahmen 18 Monaten in Anspruch.
Mit dem Rahmenwerk sind die Hierarchien, wie sie fast überall im Finanzwesen überdeutlich ausgeprägt sind, mit einem Handstreich Geschichte. Das gilt auch für die Führungsriege und so heiss begehrte Titel wie den Managing Director (MD).
Kultur der Leistung
Laut DWS zielt dies darauf ab, eine klare Leistungskultur zu verankern, in der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen mehr zählen als Hierarchien. Die neuen Rollen sollen dabei auf die Bedürfnisse der Firma und und vor allem auf die der Kunden abgestimmt werden. Solche Versprechungen stimmen zuweilen nachdenklich, werfen sie doch die Frage auf: Was haben die Angestellten von DWS zuvor gemacht?
Dass mit DWS eine der grössten Fondsfirmen Europas – das Mutterhaus Deutsche Bank hält an seinen Vice President, Directors und Managing Directors fest – mit tief eingetretenen Karrierepfaden und Titeln bricht, ist dennoch in seiner Signalwirkung nicht zu unterschätzen. Besonders bei der Rekrutierung junger Talente dürfte die Reorganisation rasche ihre Wirkung entfalten.
Leistung aus Leidenschaft?
Neuzugänge nehmen beim Fondshaus jetzt als erstes eine funktionale Rolle ein und arbeiten sich dann je nach Leistung den neuen Karrierepfad hoch. Ab einer bestimmten Fachexpertise gabelt sich dieser Pfad in Management-Aufgaben und solche von Senior-Fachspezialisten. Beförderungen sind dabei auch halbjährlich möglich, gewisse Stufen können gleich übersprungen werden.
Interessant ist auch die Auswirkung aufs Gehalt, um das sich im Finanzwesen vieles dreht und das gerade für die hochrangigen «MDs» höchst erklecklich ausfällt. Laut DWS wird sich die Entlöhnung künftig viel mehr nach der Leistung und nicht mehr nach der Hierarchieebene richten. «Leistung aus Leidenschaft», der berühmt-berüchtigte Slogan der Deutschen Bank aus vergangenen Zeiten, erhält so einen ganz neuen Klang.
Realitäten des Home-Office
«DWS zahlt weiterhin marktgerechte Löhne, die Umstellung auf funktionale Rollen wurde im Unternehmen allgemein gut aufgenommen», sagt Sven Württemberger im Gespräch mit finews.ch. Der in der hiesigen Branche bestens bekannte Vertriebschef für die Schweiz und Israel füllt intern nun die Rolle eines «Head of Segment» aus.
Sein Votum sollte all jene, die derzeit im Schweizer Finanzwesen noch ihren MD-Rang geniessen, hellhörig machen. Mit der Coronakrise hat sich das Tempo des Wandels in der Branche und damit der Druck auf die gestandene Organisation nochmals erhöht. Auch die Führungsprinzipien von einst halten der Gegenwart im Home-Office nicht mehr Stand. Das vom Militär übernommene «Befehlen-Kontrollieren-Korrigieren» weicht notgedrungen dem «leading by objective», wenn die Mehrzahl der Teammitglieder zuhause vor dem Bildschirm sitzen.
Wann ergeben sich die Prätorianer?
Erste Schweizer Institute haben inzwischen begonnen, Kaderstufen zu entfernen. Eine einzelne Schweizer Bank verzichtet gar auf einen CEO. Die aus der Tech-Branche bekannten Prinzipien des agilen Arbeitens machen derweil rasch Schule und sind inzwischen mehr als Lippenbekenntnisse einer alten Garde von Managern. Auch diese existiert weiterhin: Die Grossbank UBS kennt immer noch eine «Prätorianer-Garde» von rund 100 Group Managing Directors, die besondere Macht und Privilegien im Konzern geniessen.
Für jenen Reigen klingt die Social-Media-Post des gewesenen DWS-MD wie eine Kampfansage: «Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu einer modernen, meritokratisch ausgerichteten Unternehmung. Dem applaudiere ich und gebe den begehrten MD-Titel mit Freuden her.»