Der Milliardär und Hotelbesitzer Urs E. Schwarzenbach, wie er den Weg zur Kunst fand, bei der UBS sein erstes Geld verdiente, und warum die Anschuldigungen der Zürcher Steuerbehörden absurd sind. Die Fragen stellte sein Anwalt Ulrich Kohli. 


Herr Schwarzenbach, wann haben Sie Ihr erstes Kunstwerk erworben?

Das war, bevor ich 20-jährig geworden bin. Im Gymnasium hatte ich einen Zeichnungswettbewerb gewonnen. Ich wollte damals Künstler werden, ich spürte eine Neigung zum Malen.

Meine Eltern hatten beide eine starke Beziehung zur Kunst. Ich bin also erblich belastet. Mein Vorbild war Pablo Picasso. Später dachte ich eher an Architektur, weil ich besser technisch zeichnen konnte als künstlerisch malen. Corbusier war damals mein Ideal. Schliesslich gab ich auch diese Ambitionen auf und wurde Banker.

Erinnern Sie sich noch an die ersten Anschaffungen?

Klar. Als ich mein erstes Geld bei der UBS verdiente, kaufte ich Kunst. Ich begann Skulpturen zu sammeln. Von J. Metzler, Silvio Mattioli und so weiter. Bernhard Luginbühl und Jean Tinguely waren mir noch zu teuer. Ich war erst Anfang zwanzig, als ich bekannten Zürcher Skulpteuren ihre Ware abkaufte.

«In den 1970er-Jahren besuchte ich das Studio 54 in New York und lernte Andy Warhol kennen»

Sie müssen wissen, Bilder von H.R. Giger und Cuno Amiet kosteten zwischen 5’000 und 10’000. Franken. Skulpturen waren eben günstiger und für mich besser erschwinglich.

Wie ging es dann weiter? Es blieb ja nicht bei Skulpturen.

Richtig. Später, als ich mehr verdiente, kaufte ich Bilder.

Welcher Art?

In den 1970er-Jahren besuchte ich das Studio 54 in New York und lernte Andy Warhol kennen und traf 1988, kurz vor seinem Tod, Jean Michel Basquiat (1969-1988). In den 1980er-Jahren kam ich mit den «jungen Wilden» aus Deutschland zusammen. Ich hatte stets sehr gute Beziehungen zu den Künstlern.

Wie umschreiben Sie die Kunstobjekte, die Sie zu Beginn Ihrer Sammlertätigkeit erwarben?

Zunächst ging es, wie gesagt, um Skulpturen, dann traf ich die «up-coming living artists», die Avantgarde wie Julian Schnabel, Basquiat, Warhol, die ich alle persönlich gekannt habe.

Können Sie uns Preise nennen?

20'000 bis 50'000 Dollar, wobei 50'000 Dollar damals schon ein stolzer Betrag war. Im Jahr 1990 erwarb ich einen Basquiat für 490'000 Dollar. Heute ist das Kunstwerk 40 Millionen Dollar wert.

Haben Sie auch daran gedacht, mit Kunst zu spekulieren? Mit dem Basquiat erzielten Sie ja eine enorme Wertsteigerung.

Nein, niemals. Ich spekuliere weder mit Kunst noch mit Liegenschaften. Als ich in England eine Kapelle für 30 Millionen Pfund baute, brauchte ich etwas Geld, da habe ich zwei Objekte verkauft, einen Piet Mondrian und eine Plastik von Henry Moore.

«Das ist absurd. Ich bin mit Sicherheit kein Kunsthändler. Ich bin Sammler»

Sonst verkaufe ich grundsätzlich nichts. Ich bin Sammler, nicht Händler.

Sie müssen damals und später gut verdient haben. Wie erwarben Sie Ihr Vermögen, das Sie in Kunst investierten?

Schon in den 1980er-Jahren verdiente ich sehr gut. Durch Devisenspekulationen, Dollar à la hausse, Pfund Sterling à la baisse. Das ganz grosse Vermögen machte ich dann in den 1990er-Jahren, über 2,5 Milliarden Franken, aber 1998, während der Asien-Krise, da habe ich wieder ungefähr 1 Milliarde Verlust erlitten. Wie gewonnen, so zerronnen (lacht).

Die Zürcher Steuerbehörden behaupten, Sie seien Kunsthändler und verlangen hohe Nachsteuern

Das ist absurd. Ich bin mit Sicherheit kein Kunsthändler. Ich bin Sammler. Das ist meine Passion. Übrigens, haben Sie schon mal gehört, dass ein Kunsthändler die Bilder, mit denen er angeblich handelt, bei sich zu Hause aufhängt?

«Ich habe nie in Aktien investiert»

Meine Sammlung steht nicht zum Verkauf. Sie befindet sich in meinen Privaträumen, überall, wo ich Häuser besitze. Da gehören sie zum Hausrat.

Sie sprechen von einer Leidenschaft. Anders formuliert, war Ihre Sammlertätigkeit ein Hobby?

Das kann man ruhig so sagen. Ich habe nie in Aktien investiert. Ich investiere in Liegenschaften und Kunst, spekuliere damit aber nicht. Also handle ich auch nicht damit, um Geld zu verdienen. Die Investitionen in Kunst und Liegenschaften sind meine Altersvorsorge.

Wie fanden Sie die Kunstwerke? Hatten Sie Berater?

Nein, ich brauche keine Berater. Ich kenne mich selber aus, ich habe es in der DNA, das Flair für Kunst in der Muttermilch mitbekommen. Ich brauchte auch keine Galeristen. In den 1970er-Jahren gab es etwa sechs bedeutende Galeristen weltweit. Ich lernte sie durch die Künstler kennen und durch «word of mouth».

Sie haben Kunst nur gekauft, um die Sammlung zu vergrössern. Gab es Ausnahmen von der Regel?

Wie gesagt, als ich den Bau der Kapelle in England für 30 Millionen Pfund finanzieren musste, verkaufte ich zwei Objekte.

Sie haben von Ihrer Sammlung auch Ausleihungen an Museen gemacht. Kommt das oft vor?

Wir machen oft Ausleihungen an Museen. Ich beschäftigte ein paar Leute in Zürich, die sich darum kümmerten.

Was machen Sie und Ihr Personal an der Schanzengasse in Zürich?

In der Villa Falkenstein wird mein Family Office betreut. Die Kunst wird verwaltet, katalogisiert und archiviert, sonst gar nichts. Diese Tätigkeit könnten wir irgendwo auf der Welt machen. Die Schweiz war bisher ein idealer Standort, aber die Steuerbehörden wollen das jetzt kaputt machen.

«Die Schweiz wird ihren Ruf als Kunstmetropole verlieren, wenn die Behörden so weiter machen»

Ich kann die Administration irgendwohin verlegen. Ich brauche Zürich nicht als Standort. Sicher habe ich keine Betriebsstätte für Kunsthandel in Zürich, wie das Steueramt in Zürich aus der Luft gegriffen behauptet, das ist völlig absurd.

Die Schweiz war bis jetzt die Kunstmetropole der Welt. Sie wird diesen Ruf verlieren, wenn Zoll- und Steuerbehörden so weiter machen wie mit mir. Die Konkurrenz in Luxemburg und London wartet nur darauf.

Konnte man bei Ihnen in Zürich ein- und ausgehen, die Kunst besichtigen und Ihnen eine Kaufofferte machen? Oder ein Bild zum Kauf anbieten?

Nein. Angebote bekomme ich zwar laufend. Ich kaufe aber nichts von solchen Leuten, die herumhausieren. Ich kaufe nur direkt von «reputable artists», und die angesehenen Künstler kennen mich. Ein- und ausgehen kann man nur im Dolder Grand, wo Kunst von Weltklasse ausgestellt ist.

«An der Schanzengasse kommt man nur auf Einladung hinein – by appointment only»

In den Privathäusern und an der Schanzengasse kommt man nur auf Einladung hinein – «by appointment only».

Man kann also nicht sagen, wie das die Steuerbehörden tun, dass Sie eine Galerie betrieben?

Nein, ganz im Gegenteil, ich hatte auch nie die Idee, ein Museum zu bauen. Ich will mich nicht in der Kunstwelt verewigen. Meine private Sammlung habe ich für «my own pleasure and decoration» aufgebaut.

Wir sind hier im Palais Layadi, in Marrakesch. Eben haben Sie ein grosses Bild von Ben Johnson im Dining Room aufhängen lassen. Was haben Sie für eine Beziehung zum Künstler?

Das erste Bild von Ben Johnson hatte ich schon vor über 20 Jahren gekauft, eine Panoramaansicht von Zürich. Es hängt heute im The Restaurant im Dolder Grand.

Dieses Bild von Johnson im Palais Layadi wurde Anfang 2016 in Spanien beschlagnahmt, als Sie dort auf dem Flug nach Marokko zwischengelandet sind, um einen Jagdfreund zu besuchen.

Richtig, das war ein handfester Skandal. Ich hatte bereits ein Bild von Johnson im Dining Room in meinem Palais und wollte auf der gegenüberliegenden Wand ein komplementäres Werk von ihm. Ich gab ihm den Auftrag. Nach zwei Jahren war das Bild fertig.

«Man beschlagnahmte das Bild völlig zu Unrecht. Schuld daran haben die Schweizer Zollbehörden»

e schwarzenbach 134In Samedan deklarierte ich es vor dem Abflug am Flughafen zur Ausfuhr nach Marrakesch. Der Zoll verständigte dann rechtswidrig die Spanier, ich hätte dieses Bild im Flugzeug, worauf ich bei der Zwischenlandung kontrolliert wurde.

Man beschlagnahmte das Bild völlig zu Unrecht. Schuld daran haben die Schweizer Zollbehörden, die meinten, ich wollte es nach Spanien schmuggeln. Ich konnte es dann mit einigem Aufwand wieder frei kriegen und habe es beim diesjährigen Besuch meines Jagdfreundes in Spanien mitgenommen. Sie sehen, es hängt jetzt gegenüber dem anderen Ben Johnson an der Wand (Bild links).

Von wo aus tätigten Sie die Käufe für Ihre Sammlung?

Von da, wo ich mich gerade aufhalte. Sicher nicht primär aus der Schweiz. Hauptsächlich aus England oder Australien.

Erwarben Sie die Sammlungsstücke in Ihrem Namen?

Ausnahmsweise, aber meistens im Namen von Firmen.

Warum Gesellschaften?

Das liegt auf der Hand. In erster Linie aus Diskretion. Niemand braucht zu wissen, dass und welche Kunst Schwarzenbach erwirbt. Es ist dasselbe wie mit Bankgeschäften, da wird heute zu viel herumgeredet. Die Firmen sind mein Schutz.

Gibt es noch andere Gründe?

Es gibt drei Gründe, warum ich für meine Sammlertätigkeit Gesellschaften einschalte: Ersten, kann ich meinen Namen schützen und Diskretion bewahren; zweitens kann ich die Kunstobjekte wie Eier in verschiedene Körbe legen, also das Risiko verteilen, und drittens erleichtern die Gesellschaften meine Nachfolgeregelung.

Haben Sie auch Kunst für Drittpersonen gekauft?

Ausnahmsweise, aber das geht niemand etwas an.

Doch, die Steuerbehörde behauptet, wenn Sie für andere kauften, sei dies Handel, bei dem Sie einen Schnitt machten, indem Sie die Kunst weiterverkauften. Was sagen Sie dazu?

Das ist grundfalsch. Unsinn. Ich habe in einzelnen Fällen als Vertreter gehandelt, ohne mich beim Vertragsschluss gegenüber dem Verkäufer als solchen erkennen zu geben. Das ist gemäss Art. 32 OR möglich. Keine Rede von Kauf und Weiterverkauf.

Sie handelten im Auftrag?

Richtig. Ich habe für Auftraggeber, die sich nicht outen wollten, die Geschäfte besorgt. Das waren nicht viele, aber sehr gute Freunde, Prominente, die mich dann von meinen Verbindlichkeiten gegenüber dem Verkäufer befreiten.

Ein Auftrag ist entgeltlich. Haben Sie eine Vergütung für die Geschäftsbesorgung erhalten?

Natürlich, wie das üblich ist. Meine Spesen und Auslagen sowie ein Honorar wurden vergütet, das ist normal. Niemand arbeitet umsonst, und meine Auftraggeber verliessen sich auf meine Kenntnisse und meine guten Verbindungen zu Künstlern.

«Ich bin nicht verpflichtet, Buch zu führen»

Selber wollten sie sich nicht um die Abwicklung kümmern. Aber die Kommission ging übrigens nicht an mich, sondern an die Firmen, die den Auftrag besorgten.

Wie oft würden Sie sagen, haben Sie in allen Jahren im Auftrag von Dritten Kunst gekauft?

Ich führe keine Statistik. Ich bin auch nicht verpflichtet, Buch zu führen. Die Auftraggeber kann ich an einer Hand abzählen. Ich kann keine Namen nennen. Es geht um Diskretion.

«Wenn George Soros spekuliert, ist das akzeptiert, und er ist dann ein Superhero»

Exponierte Persönlichkeiten wollen anonym bleiben, und sie wussten, dass ich die Anonymität gewährleisten konnte. Selbst intern, unter meinen Mitarbeitern, war nicht bekannt, für wen ich ausnahmsweise einkaufte.

Immer wieder wird über Ihren Reichtum spekuliert.

Ja, das ist ein Dauerbrenner. Schauen Sie, wenn ein George Soros durch kluge Spekulation von 0 auf 35 Milliarden Pfund kommt, ist das akzeptiert, er ist dann ein Superhero. Aber wenn ein mittelständischer Küsnachter in London seinen Erbanteil auf über 1 Milliarde vermehrt, ist das in unserer Neidgenossenschaft suspekt...


Das Gespräch mit dem Kunstsammler und Besitzer des Zürcher Hotels The Dolder Grand, Urs E. Schwarzenbach, fand am 9. Februar 2017 im Palais Layadi, Marrakesch, statt.

UelKohli 160Die Fragen stellte James Douglas, der renommierte Schweizer Thriller-Autor und Publizist. Er begann seine Schreibkarriere als Zeitungsreporter, studierte die Rechte, betätigte sich in der Kriminalistik und war an Gerichten tätig, bevor er sich unter seinem bürgerlichen Namen, Ulrich Kohli, als Wirtschaftsanwalt in Zürich etablierte. Er vertritt Schwarzenbach als Rechtsanwalt im erwähnten Steuerverfahren. Seit 1994 sind Douglas’ Werke in 22 belletristischen Ausgaben in Europa und USA publiziert worden. Sein neustes Werk heisst «Totale Kontrolle». Kohli ist unter anderem auch als Filmproduzent und Schauspieler tätig.