Winterthur steht stets im Schatten von Zürich – auch gastronomisch. Feinschmecker-Lokale gibt es in der Eulachstadt nicht im Überfluss. In welchen Restaurants aber gibt es die abwechslungsreichsten Weinkarten? finews.ch-Weinredaktor Peter Keller recherchiert.
Winterthur hat neben Zürich keinen einfachen Stand. In Sachen Gastronomie geht in der Limmatstadt derzeit die Post ab. Neue Spitzenköche bereichern das ohnehin schon üppige Angebot weiter. Schwieriger präsentiert sich die Situation in Winterthur.
Doch wie sieht es in Sachen Wein aus? Wir haben nach guten Adressen mit einer spannenden Weinkarte gesucht – und gefunden. Zwar keine «Bibeln» mit Hunderten von Positionen, aber gut sortierte, übersichtliche Angebote, die meistens sowohl kleine Produzenten als auch renommierte Namen enthalten.
Unsere fünf Beispiele sind önologisch jedenfalls einen gastronomischen Ausflug nach Winterthur wert.
1. Restaurant Trübli
Mit 15 Gault-Millau-Punkten wird das traditionsreiche Lokal ausgezeichnet, das am Abend ausschliesslich das «Menu Surprise» anbietet. Die Weinkarte ist abwechslungsreich gestaltet und enthält über 140 verschiedene Positionen. Der Fokus liegt – welche erfreuliche Überraschung – auf deutschen Gewächsen.
Wer weniger auf Riesling oder Spätburgunder steht, findet namentlich Alternativen aus der Schweiz, Italien und Spanien. Die Preise sind fair kalkuliert. Bei den Weissweinen freuen wir uns am Riesling Steingrüben Grosses Gewächs 2018 des Top-Weinguts Dautel aus Württemberg (78 Fr.) oder am Epesses Clos de Boux 2020 von Luc Massy aus der Waadt, ein mineralischer Chasselas (61 Fr.).
In Sachen Rotwein könnte die Wahl auf den Spätburgunder Kirchberg Grosses Gewächs 2017 des Weinguts Salwey aus Baden (101 Fr.) oder den Sangiovese Poggio Valente 2018 der Fattoria Le Pupille aus der Toskana fallen (71 Fr.). Das «Trübli» serviert zudem speziell selektionierte Hausweine und weitere Gewächse im Offenschrank – mit entsprechender Beratung.
2. Restaurant Strauss
Eine solide Adresse ist der zentral gelegene «Strauss» mit schöner Terrasse. Man braucht etwas Muse, um die umfangreiche Weinkarte mit gut 170 Gewächsen zu studieren. Zu entdecken gibt es sowohl bekannte Namen als auch weniger geläufige Produzenten aus den klassischen Ländern, Schweiz, Frankreich, Italien, Österreich, Deutschland und Spanien.
Wer etwas zu feiern hat, bedient sich mit «Raritäten aus der Schatztruhe», die allerdings ihren Preis haben. Doch der Gast kann problemlos ausweichen.
Aufgefallen ist bei den Weissen der Château Faugères blanc 2020, eine frische Cuvée aus Sauvignon blanc, Sauvignon gris und Sémillon (71 Fr.). Das Gut gehört dem Schweizer Unternehmer Silvio Denz. Ein sicherer Wert ist die Terlaner Cuvée Classico 2021 der Cantina Terlan (67 Fr.).
Die Südtiroler Genossenschaft bildet die Spitze im Anbaugebiet. Bordeaux-Liebhaber kommen mit roten Château Malartic-Lagravière aus dem Pessac-Léognan wiederum auf die Rechnung, Pinot-Geniesser mit dem Trocla Nera 2020 des Bündner Weinguts Obrecht aus Jenins (73 Fr.). Relativ klein gehalten ist der Offenausschank mit acht Positionen.
3. Restaurant Taggenberg
Die mit 14 Gault-Millau-Punkten benotete Gaststätte thront über Winterthur und bietet einen grossartigen Ausblick. Der Blick in die Weinkarte zeigt, dass «möglichst viele Weinregionen und ihre charakteristischen Traubensorten» berücksichtigt werden.
Total sind es gut 110 Weine. Unter den zehn glasweise ausgeschenkten Beispielen fällt der portugiesische Schaumwein Terras do Demo Rosé Brut der Cooperativa Agricola do Tavora auf (13 Fr. je Deziliter). Wer eine ganze Flasche mag, sollte den aromatischen Sauvignon blanc Fumé 2019 von Oliver Zeter aus der deutschen Pfalz versuchen.
Bei den Roten kommt man am Fläscher Pinot noir Barrique 2021 des aufstrebenden Weinguts Adank aus der Bündner Herrschaft nicht vorbei (85 Fr.). Ein Schnäppchen im «Taggenberg» ist Château Poujeaux 2016, ein hervorragender Cru Bourgeois aus dem Bordeaux (85 Fr.).
Auch Kultweine sind zu finden – und entsprechend teuer. Der toskanische Merlot Redigaffi 2019 von Tua Rita kostet stolze 298 Franken.
4. No 18 Restaurant und Bar
Auf eine «ehrliche und direkte Küche mit persönlicher Handschriftۜ» setzt das Lokal. Das Essen ist dem Gault Millau 13 Punkte wert. Diese Bewertung gereicht auch der Weinkarte, die knapp 100 Positionen aufweist. Immerhin zwölf Tropfen werden glasweise ausgeschenkt.
Dazu gehören lokale Gewächse, wie der Räuschling 2020 des Weinguts Lindetröpfli aus Uhwiesen im nahen Weinland (7.50 Fr. je Deziliter). Ebenfalls günstig kalkuliert sind die meisten anderen Weine, etwa der Chablis «La Boissonneuse» 2020 von Julien Brocard (78 Fr.). Nur wer den Fläscher Chardonnay 2018 der Kultwinzer Martha und Daniel Gantenbein bestellen will, muss tiefer in die Taschen greifen (210 Fr.).
Neben der Schweiz kommen vor allem Italien, Spanien und Frankreich zum Zuge. Ein guter Tipp ist der Vino Nobile di Montepulciano 2016 von Poliziano (76 Fr.). Nicht verpassen sollte man sodann den Château Moulin Haut Laroque aus dem Fronsac – ein Bordeaux zum Superpreis (78 Fr.).
5. Restaurant Schloss Wülflingen
Die Gaststätte wartet mit stimmungsvollen Sälen auf. Zurzeit sind im Schloss Frühlingsgerichte aktuell. Auch in Sachen Wein sind frische, leichte Crus zu finden, die zur Jahreszeit passen. Erstaunlich und erfreulich gross ist die Auswahl von Offenweinen.
Exakt 25 Positionen können glasweise bestellt werden, etwa den schönen Epesses Terre à Boire 2019 der Domaine Louis Bovard, ein klassischer Chasselas aus der Waadt (8.50 Fr. je Deziliter). Oder den gereiften Cru Bourgeois Château Greysac 2011 (10.50 Fr.). Im Schlosskeller lagern gut 100 verschiedene Positionen, teilweise von Gütern, die weniger bekannt sind.
Die Preise sind fair kalkuliert. So lohnt es sich, den Pinot Grigio 2020 der Südtiroler Kellerei Kaltern (54 Fr.) zu versuchen. Oder den Santenay Clos Rousseau 1er Cru 2016 von Nicolas Potel, ein finessenreicher Pinot noir aus einer weniger berühmten Burgunder Appellation (86 Fr.).
Der teuerste Wein auf der Karte ist der prestigeträchtige Château Mouton-Rothschild 2004. Der Premier Grand Cru Classé kostet die Kleinigkeit von 699 Franken.