Die Frage, ob Frauen die besseren Chefs als Männer sind, steht im Raum. Möglicherweise liefert die Coronakrise nun einen Teil der Antwort.
Weibliche Chefs sind in der Minderzahl. Folglich stehen sie unter Beobachtung. Besonders in Krisenzeiten, wenn Führungsqualitäten gefragt sind. So wie jetzt. Dabei wird nicht nur gewertet, sondern stets auch verglichen: mit den männlichen Kollegen.
Entsprechend wird nun analysiert, ob die Frauen an der Spitze der Regierungen von Deutschland, Neuseeland und Island jene Staaten erfolgreicher durch die Pandemie steuern. Ob Hedgefonds-Managerinnen im Auf und Ab der Börsen besser performen. Oder ob Bankerinnen das Zeug haben, die von Männern dominierte Branche neu zu erfinden.
Ehrlicher, beharrlicher
Gut möglich deshalb, dass wenigstens im Rahmen der Coronakrise ein Teil der Frage beantwortet wird: Nämlich, ob Frauen die besseren Krisenmanager sind. Das Rüstzeug dazu bringen sie auf dem Papier mit, wie eine in der Fachzeitschrift «Harvard Business Review» publizierte Studie feststellt.
Frauen schneiden demnach bei wichtigen Führungsqualitäten besser ab als Männer. Sie zeigen mehr Inititiative, mehr Beharrlichkeit mit Blick auf gesetzte Ziele, mehr Widerstandskraft bei Rückschlägen. Sie arbeiten eher an ihrer eigenen Persönlichkeit und legen erst noch mehr Ehrlichkeit und Integrität an den Tag.
Eingefleischte Vorurteile
Demgegenüber stehen eingefleischte Vorurteile, wie das Online-Portal «Worth» sie in einer Gegenüberstellung auflistet. Frauen mangle es an Selbstvertrauen, sie würden schlecht verhandeln und seien nicht bereit, alles für den Job zu geben. Dass ihnen nachgesagt wird, mit mehr Herzblut und persönlichem Einsatz ihre Ziele verfechten, wird Chefinnen teils ebenfalls als Schwäche ausgelegt.
«Worth» listet dem gegenüber Fähigkeiten auf, die weibliche CEO für sich selber beanspruchen, und die in der Krise nützlich sein könnten. Beim Entscheiden auf den Instinkt zu vertrauen, gut im Team zu arbeiten, ein offener Kommunikationsstil, und nicht zuletzt: rechtzeitig um Hilfe zu bitten.
Wenn Chefinnen solche Schlüsselkompetenzen auf sich vereinen, haben sie das Zeug dazu, in der Krise zu glänzen. Denn das Etikett «noch nie dagewesen», das dieser Tage viel verwendet wird, bietet für all jene Chancen, die rasch auf neue Gegebenheiten reagieren zu vermögen.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Und für einmal sitzen viele Managerinnen, zumindest im Swiss Banking, erst noch am richtigen Ort. Während die von Männern dominierte Kundenfront nur eingeschränkt funktioniert und dort vermutlich die Erträge wegbrechen, hat der rückwärtige Dienst, die Einteilung des Personals und die Technologie umso besser zu funktionieren.
Dort sitzen in der hiesigen Branche überdurchschnittlich viele Frauen an den Schalthebeln. Nicht von ungefähr hat dieser Tage Sabine Keller-Busse, die operative Chefin der UBS, kräftig an Profil gewonnen.
Im Banking hat die Coronakrise bereits einen Digitalisierungsschub ausgelöst, wie er in Jahren nicht zustande kommt. Bei Frauenkarrieren ist ein solcher Schub noch nicht feststellbar. Doch ist gutes Krisenmanagement tatsächlich vom Geschlecht abhängig, sind der Branche erst recht mehr Chefinnen zu wünschen.