Vor zehn Jahren übernahm Monika Walser die Leitung von «de Sede». Die Firma befand sich damals in einem prekären Zustand. Heute sieht es so aus, als sei der Turn-around geschafft – auch Dank wertvollen Partnerschaften mit Schweizer Banken. Ein Besuch im aargauischen Klingnau.

Es wird gehämmert, geschraubt und schweres Holz herumgetragen. Die Manufaktur von «de Sede» verströmt den handwerklichen Charme einer Werkstatt im XL-Format: Auf rund 11’000 Quadratmetern sind rund 20 Handwerksmeister zugange.

In der Luft liegt der Duft von Leder, bis heute die Grundzutat für die meisten Möbel des Aargauer Herstellers von Weltruf.

CEO und Teilhaberin

Wir sind verabredet mit Monika Walser, welche die Firma seit zehn Jahren leitet und einen Anteil von 10 Prozent am Aktienkapital besitzt. Die drahtige Managerin erweckt nicht den Eindruck, als sei sie im Gebiet des Smalltalks beheimatet: Die Antworten kommen schnell und präzise, ohne überflüssige Ausschmückungen.

Anlass des Besuchs ist der «Bold Woman Award» von Veuve Clicquot, mit welchem der Champagner-Hersteller seine Gründerin Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin (1777-1866) feiert – und herausragende Unternehmerinnen der Gegenwart.

«Bold Woman Award» von Veuve Clicquot

Monika Walser erhielt die Auszeichnung im Jahr 2019. Jetzt gibt sie ein Abendessen für die Konstituierung der Jury für die nächste Preisverleihung 2025. Man merkt, dass sich aus den Jurorinnen und Preisträgerinnen des Schweizer «Bold Woman Award» eine relativ eingeschworene Gemeinschaft formiert hat.

Der Preis sei für sie «eine Bestätigung dafür gewesen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, mit der nötigen Leidenschaft», sagt Monika Walser. Die Namensgeberin, die Witwe Clicquot, sei für sie eine «spannende Frau, die zu ihren Zeiten Unglaubliches geschafft hat».

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Solisten-Auftritt in Mailand: Neuheit «DS-888 Collina». (Bild: zVg)

Auftrag als Saniererin

Wie hält die Aargauer Managerin es selber mit dem Champagner? «Ich trinke ihn sehr gerne, aber nicht zu viel...»

Zu «de Sede» kam Monika Walser als Saniererin. Das Schweizer Möbelhaus blickte damals zwar auf eine gloriose Vergangenheit zurück, aber in eine triste Gegenwart hinein. 2007 hatte es die Private-Equity-Gesellschaft CAPVIS gekauft, um es fünf Jahre später mit einem substantiellen Abschreiber  an ein privates Investoren-Konsortium abzustossen.

Wenige Monate vor dem Konkurs

Zwei Jahre später nahm dieses Monika Walser unter Vertrag, die sich zuvor unter anderem als CEO des Zürcher Taschenherstellers «Freitag» bewährt hatte. Sie erinnert sich: «Damals trennten ‹de Sede› nur Monate vom Konkurs.»

Die Zahl der Angestellten ist heute mit rund 100 Mitarbeitern nur noch einen Viertel so gross wie 2014. Aber «de Sede» habe jetzt immerhin «etliche profitable Jahre hinter sich», so die Chefin.

1962 von Sattlermeister Lüthy gegründet

Sie darf sich somit als Retterin des Unternehmens betrachten, das im Jahr 1962 vom Sattlermeister Ernst Lüthy in Klingnau gegründet worden war.

Bereits seit 1968 erwarb sich «de Sede» einen Ruf als Möbelproduzentin diverser Hollywood-Berühmtheiten.

Im sämtlichen 007-Streifen

Monika Walser will zu ihren Kunden nichts sagen. «Aber ich kann Ihnen verraten, dass unsere Möbel in sämtlichen James-Bond-Filmen seit dem 1969er-Streifen ‹On Her Majesty's Service› einen Auftritt hatten.»

An einer unscheinbaren Wand im Werkstattgebäude befindet sich eine Fotogalerie interessanter Projekte: Diverse Lounges der Fluggesellschaft «Swiss» wurden mit Ledermöbeln von «de Sede» ausgestattet, diverse Repräsentationsräume von Julius Bär auf der ganzen Welt, die Lounge des «Hyatt Regency» im «Circle» beim Flughafen Zürich…

Viele Kartons für China

Im Bereich der Laderampe, wo die Möbel von «de Sede» in alle Welt spediert werden, sind zahlreiche Lieferungen bereit nach Deutschland, in die USA, nach Singapur, Hong Kong, Japan und auffällig viele auch nach China.

Anders als andere Hersteller westlicher Luxusgüter scheint «de Sede» nicht von der schwächelnden chinesischen Nachfrage betroffen zu sein. «Bei uns läuft der chinesische Markt hervorragend», sagt Monika Walser mit einem Lächeln.

Spezialanfertigungen

In der Fotogalerie zu bestaunen sind auch diverse Einrichtungen von Luxusyachten, die von «de Sede» stammen. «Spezialanfertigungen und Projekte mit Innendesignern sind sicherlich unser stärkstes Wachstumssegment», bilanziert Monika Walser. Mit den seit einiger Zeit erhältlichen Outdoor-Kollektionen aus Stoff sei man für die Einrichtungen ganzer Yachten satisfaktionsfähig geworden.

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Wachstumsfeld: Yacht-Einrichtung für innen und aussen. (Bild: zVg) 

Bei «de Sede» werden aber, sagt die Chefin, auch Stücke der normalen Kollektion einzeln in Handarbeit und auf Bestellung gefertigt – «es sei denn, man kauft ein Stück ab Showroom hier in Klingnau».

Lederkompetenz seit Jahrzehnten

Eine wichtige Stütze für das Unternehmen ist die in Jahrzehnten angeeignete Lederkompetenz. Jährlich rund 10’000 Bullenhäute verarbeitet «de Sede». Seit 1976 verarbeitet das Unternehmen auch das aus dem Nackenbereich stammende NECK-Leder, das bis zu 5 Millimeter dick ist und entsprechend strapazierfähig.

Als eine der ersten Amtshandlungen repatriierte Monika Walser den Zuschnitt des Leders, heute assistiert durch einen Laser, von Deutschland zurück in die Schweiz. «Jede Lederhaut ist anders, hat ihre eigenen Imperfektionen», erklärt sie.

Unverwechselbarer Markenkern

Und sonst, wie ist der eindrückliche Turn-around zu erklären? Man produziere nur Dinge, erklärt Monika Walser, «bei denen wir einzigartig sind». Der Markenkern bestehe in der Verbindung von schweizerischer Top-Qualität mit Weltklasse-Design.

Wer ein normales Sofa oder einen normalen Sessel erwerben wolle, sei bei «de Sede» an der falschen Adresse. «Jede unserer Kreationen muss das Zeug zur Design-Ikone haben.» Die Designs würden entweder hausintern oder in Zusammenarbeit mit bekannten Designern entwickelt.

Ikonische Designs

Die reichhaltige Galerie von ikonischen Stücken beinhaltet beispielsweise das 1974 von Ubald Klug entworfene «Terrazza DS-25», das heute unter dem Namen «Terrazza DS-1025» verkauft wird, oder die von Santiago Calatrava kreierte Liege «DS-150», die 1986 durch ihre futuristische Aura für Furore sorgte,

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«DS-150» (links), «Terrazza DS-25» in textiler Ausführung (rechts). (Bilder: zVg)

Ihre Möbel seien eigentlich eine Investition, erklärt die Firmenchefin. Man könne bis heute jedes Stück in Klingnau restaurieren lassen. Und oftmals übertreffe der Marktpreis gebrauchter «de Sede»-Möbel den Neupreis.

Premiere in Mailand

Zurzeit ist sie besonders stolz auf das «DS-888 Collina», welches das Unternehmen am diesjährigen «Salone del Mobile» in Mailand als einziges Modell lanciert und ausgestellt habe. Der Rücken des Sofas sei nicht nur – wie bei manchen früheren Modellen – drehbar, sondern gleichzeitig höhenverstellbar. Diese Innovation habe «de Sede» sogar patentieren können.

In seinen mannigfaltigen Optionen bei Materialien für den Innen- und Aussenbereich, Farben und Grössen erobere es den Markt im Sturm.

Happy mit der UBS

Vor einigen Jahren gab Monika Walser dem KMU-Magazin «Impulse» der UBS ein Interview. Wir möchten von der Firmenchefin wissen, ob sie immer noch Firmenkundin bei der Grossbank sei?

«Ja», antwortet Monika Walser. «Die UBS hat uns sehr geholfen und wir sind nach wie vor zufrieden.»