Nach fast 20 Jahren als UBS-Private-Banker hatte Marc Jenni einfach genug, nur Geld für sonst schon reiche Leute zu vermehren. Er gab sein komfortables Leben auf und kam nach langen Abenden mit viel Wein wie die Jungfrau Maria zum Kind.
Marc Jenni, Sie haben eine steile Karriere in der Bankbranche aufgegeben, um ein Kinderhilfswerk zu gründen. Warum?
Nach fast 20 Jahren bei der UBS in der Schweiz, Hongkong und Singapur kamen im Laufe der Zeit verschiedene Faktoren zusammen, die mich bestärkt haben, die Finanzbranche zu verlassen.
Was waren das für Faktoren?
Vor allem Langeweile und das Fehlen einer wirklichen Herausforderung. Aber auch der stetig zunehmende Verlust einer sonst schon eher kleinen Handlungsfähigkeit machten mir immer mehr zu schaffen.
Können Sie das noch etwas genauer beschreiben?
Das Gefühl der Unsinnigkeit, einfach nur Geld für sonst schon sehr reiche Leute zu vermehren, und mich dabei selber noch zu optimieren. Ob ich das totale Glück woanders finden würde, hab ich zum damaligen Zeitpunkt nicht gewusst. Dass ich es in der Finanzindustrie jedoch nicht finde, war mir völlig klar.
Die Banken gingen zu dieser Zeit, also vor 16 Jahren, auch in eine ganz andere Richtung: Mehr Kontrolle, mehr Automatisierung und mehr Reporting resultierten bei mir in weniger und weniger Motivation für meinen Beruf. Und so kam plötzlich der ganz starke Drang, einfach zum Fenster rauszuspringen – ins Nichts, mit keinen Ideen.
Was geschah dann?
Erstaunlicherweise stellte ich fest, dass ich «fliegen» kann und nicht mit voller Wucht auf den Boden prallte. Es öffneten sich Scheuklappen, und ich begann, diverse Optionen zu prüfen. Wahrscheinlich habe ich zur selben Zeit auch bemerkt, dass in mir doch so etwas wie ein Unternehmer-Gen schlummert.
«Ich habe mich jedes Jahr mit Geldspenden meines schlechten Gewissens entledigt»
Und die spannendste Idee unter all den Möglichkeiten war der Vorschlag von Daniel Siegfried (im Bild unten rechts), ebenfalls ein UBS-Banker, gemeinsam ein Hilfswerk zu gründen.
Wie haben Sie begonnen?
Daniel war die treibende Kraft hinter «Child’s Dream». Ich bin mehr so wie «die Maria zum Kind» gekommen. Interessiert hat mich die philanthropische Industrie zuvor nie. Ich habe mich jedes Jahr mit Geldspenden meines schlechten Gewissens entledigt – so nach dem Motto: Eine Überweisung an arme Kinder, aber bitte kontaktiert mich ja nicht. Ich will keine Kinder mit dicken Bäuchen und Fliegen in den Augen sehen. Nehmt mein Geld und lasst mich in Ruhe.
«Es brauchte zunächst einmal viele intensive Gespräche mit viel Wein an langen Abenden»
Daniel war da ganz anders. Sein Grund, die Bankenwelt zu verlassen, war ganz klar seine altruistische Einstellung und sein Bedürfnis, Menschen zu helfen. So waren wir das ideale Gespann. Ein Altruist mit hochfliegenden Träumen und ein Realist, der sich eher dafür interessiert, ob man eine «crazy» Idee auch zum Fliegen bringen kann.
Darum brauchte es zunächst einmal viele intensive Gespräche mit viel Wein an langen Abenden bis wir zusammen ein Konzept, Prinzipien und Werte auf die Beine gestellt hatten. Dann ging es los.
Kurz nach dem Start haben mich das Philanthropische und der Altruismus gepackt wie Daniel, obwohl sich an unserer Arbeitsaufteilung bis heute nicht viel geändert hat: Ich bin für die «Operations» von Child’s Dream verantwortlich und Daniel für die Projekt-Implementierung.
Wann hatten Sie erstmals das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein?
Für Child’s Dream waren es die ersten Spenden, das erste fertiggestellte Projekt, die ersten leutenden Kinderaugen, diese unglaubliche Energie im Lachen von Kindern.
Heute, 16 Jahre später, erfüllt es uns mit umso mehr Freude, wenn wir beispielsweise ein «Child’s Dream Baby» bei uns anstellen. Das ist wie Vater werden – ein «Child’s Dream Baby» ist ein Mensch, der selber durch unsere Projekte gegangen ist als Begünstigter und dann plötzlich auf unserer Lohnliste steht.
Was waren die Meilensteine?
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