Börsengurus und Laienanleger haben eines gemeinsam: Ihre Fähigkeit, Aktien- und andere Märkte zu prognostizieren, tendiert gegen null. Vermögensverwalter Pirmin Hotz nimmt in seinem Beitrag für finews.ch kein Blatt vor den Mund.
Die grossen Gurus der 1980-er Jahre waren Michael Milken und Paul C. Martin. Milken generierte Traumrenditen mit Hochzinsanleihen und galt als «The Junk Bond King». 1986 «verdiente» er die astronomische Summe von 550 Millionen Dollar an Gehalt und Bonus. Der Markt kollabierte, und Milken musste später wegen Betrugs ins Gefängnis.
Der notorische Untergangsprophet Martin schrieb 1982 ein Buch mit dem visionären Titel «Wann kommt der nächste Staatsbankrott?» und empfahl den Investoren Gold als Langzeitanlage. Zahlreiche Staatsbankrotte sind zwar in der Zwischenzeit Realität geworden, aber während sich Gold seither im Wert nicht einmal verdoppelt hat, sind Aktien um mehr als das 20-fache gestiegen.
Einige Volltreffer und monumentale Flops
Die Gurus der 1990-er Jahre hiessen Heiko Thieme und John Meriwether. Der gebürtige Deutsche Thieme gilt als Daueroptimist. «Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist», lautet sein Credo. Neben einigen Volltreffern landete er auch monumentale Flops.
1995 wurde Thieme von der Fachzeitschrift «Mutual Fund» zum erfolglosesten Fondsmanager des Jahres in den USA gekürt – und zwei Jahre später zum erfolgreichsten. So eng liegen Himmel und Hölle der Gurus beieinander.
Meriwether war mit seinem Vehikel Long Term Capital Management ein gefeierter Star in der Hedgefonds-Szene, bis sein Fonds im Zuge der Russland-Krise zusammenkrachte. Die UBS verlor dabei 1 Milliarde Franken und deren Chef, Mathis Cabiallavetta, seinen Job. Guru Meriwether versuchte sein Glück danach mit einem neuen Fonds nochmals, um in der Finanzkrise erneut zu scheitern.
Gewinne in Luft aufgelöst
Grosser Guru nach der Jahrtausendwende war der Hedgefonds-König John Paulson, der die Finanzkrise 2008 vorausgesehen und in dieser Milliarden abkassiert haben soll. Bereits 2011 lösten sich die Gewinne in Luft auf, und sein Fonds verlor die Hälfte des Vermögens.
Ein ähnliches Schicksal ereilte die Hedgefonds-Magier Bill Ackman, Ray Dalio oder den legendären Rohstoffguru Jim Rogers, welcher seit dem Jahr 2012 wiederholt einen gewaltigen Börsencrash voraussagt – Fehlanzeige!
Entzauberter Bond-Star Bill Gross
Und wenn sich Gurus über viele Jahre halten können wie der amerikanische Bond-Crack Bill Gross, gibt es meistens einen einfachen Grund für dessen Erfolg – in seinem Fall den 30-jährigen Verfall der Zinsen von 16 Prozent auf rund 2 Prozent, welcher eine historisch einmalige Bond-Hausse zur Folge hatte. Das Ende dieses langen Zinszyklus entzauberte den langjährigen Star.
In der Schweiz gab es zur Jahrtausendwende einen Guru, welcher Investoren, Politiker und Banken gleichermassen berauschte. Er hiess Dieter Behring. Er gab vor, den «genetischen Code» des Börsenhandels geknackt zu haben. Behring betrieb ein Schneeballsystem und scheiterte grandios.
Marc Faber: Dank Vorträgen zu Kultstatus
Gurus sind in der Regel Dauerpessimisten und notorische Untergangsapologeten – so wie der Schweizer «Dr. Doom» Marc Faber. Doch er ist clever. Anstelle eines Fonds zu managen, der bezüglich Performance kritisch nachverfolgt werden könnte, hält er lieber Vorträge. Und diese haben Kultstatus.
Das Leben der Crash-Propheten ist im Grundsatz einfach. Sie müssen ihre Hypothese nur lange genug vertreten, bekommen dann fast definitionsgemäss Recht und werden als jemand zitiert, der schon den letzten Crash vorausgesehen hat. So gesehen sehen notorische Schwarzseher naturgemäss jeden Crash voraus. Dass Anleger, die ihrem Rat folgen, kaum je investiert sind und damit am langjährigen Aufwärtstrend der Aktien nicht partizipieren, steht auf einem anderen Blatt.
Schwaches Guru-Zertifikat der UBS
Es ist doch völlig klar: Die Börsenkurse von morgen werden auch von den Ereignissen von morgen beeinflusst. Da diese heute noch nicht bekannt oder gesichert sind, scheitern Gurus regelmässig an ihren eigenen Ansprüchen. Charlie Munger, der 95-jährige Geschäftspartner von Warren Buffet, sagte einmal treffend, echte Kompetenz habe man erst, wenn man wisse, wo sie endet.
Einen repräsentativen Eindruck, wie treffsicher Gurus mit ihren Prognosen sind, liefert ein Guru-Zertifikat der UBS, das die Anlagestrategie ausgewählter Gurus so exakt wie möglich nachbildet. Seit Auflage im Mai 2014 hat das Produkt gerade einmal um rund 30 Prozent zugelegt, während der Vergleichsindex S&P500 um über 150 Prozent avancierte. Das sagt eigentlich alles über die Welt der Gurus.
Wie ein Hobby-Fussballer
Jeder kann es mit möglichst gewagten Prognosen versuchen, ein Börsenguru zu werden. So auch Albert Edwards, Marktstratege bei Société Générale. Anfang August 2017 verkündete er einen baldigen, massiven Einsturz der Börsenkurse: «Stimmen meine Annahmen, dann droht ein Absturz von 70 oder 80 Prozent».
Man stelle sich vor, welch guruhaften Heldenstatus Edwards heute hätte, wäre seine Prognose eingetroffen. Diese erinnert an den passionierten Hobbyfussballer, der orakelt: «Stimmen meine Annahmen, dann wird die Schweiz im Jahr 2022 in Katar mit einem Kantersieg von 7:0 Fussballweltmeister gegen Deutschland.»
Die Eintretenswahrscheinlichkeit tendiert natürlich gegen null – aber genau so werden Gurus geboren.
Pirmin Hotz ist Gründer der unabhängigen Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen, die als eine der führenden der Schweiz gilt. Hotz hatte sich bereits in den 1980-er Jahren selbständig gemacht und die Beratungs- und Verwaltungstätigkeit von institutionellen und privaten Vermögen aufgebaut.