In einer bekannten Zürcher Bar, in der auch viele Banker verkehren, werden Cohiba-Fälschungen für 115 Franken pro Stück angeboten. Dies ergeben Nachforschungen des Fachmagazins «Cigar» in Zusammenarbeit mit finews.ch.

Vor etwa zwei Wochen erreichten finews.ch Hinweise, wonach im bekannten Restaurant- und Barbetrieb Tao’s, nur einen Steinwurf von der imposanten Julius-Bär-Zentrale entfernt, Fälschungen der kubanischen Premium-Marke Cohiba unters Volk gebracht werden.

Im Tao’s sind auch sehr viele Gäste mit einem Finanzplatz-Bezug anzutreffen, liegt das Haus doch nur ein paar Meter von der Bahnhofstrasse entfernt.

Besuch vor Ort

In einer gemeinsamen Recherche mit dem einschlägigen Schweizer Fachmagazin «Cigar», welches dem Thema eine ausführliche Berichterstattung widmet, sind wir der Frage nachgegangen.

Am vorvergangenen Donnerstag begaben wir uns gemeinsam mit Tobias Hüberli, Chefredaktor von «Cigar», ins Tao’s und erwarben dort zwei Zigarren, die als Cohiba Siglo VI verkauft werden. Eine wurde vor Ort geraucht und die andere verschwand diskret in Hüberlis Aktentasche für eine spätere, genaue Untersuchung.

Aromatische Defizite

Sensorisch, also was die Aromatik des Raucherlebnisses anbelangt, drängte sich schon beim ersten Zug der Verdacht auf, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Kubanische Zigarren zeichnen sich im Allgemeinen durch einen vollmundigen Geschmack aus, der gekonnt zwischen bitteren und süssen Noten ausbalanciert ist. Die Raucherin oder der Raucher kann sich auf ein Wechselspiel von Kakao, etwas Schokolade und Honig, sowie, auf der bitteren Seite, Kaffee und Tannin freuen.


Fälschung einer Cohiba Siglo VI aus dem Tao's (oben), echte Siglo VI (unten). (Bild: finews.ch / «Cigar»)

Ganz anders bei der angeblichen Cohiba aus dem prominent im Zentrum der grosszügigen Tao’s-Raucherlounge platzierten Humidor: Diese schmeckte zwar nicht unangenehm, war aber keineswegs so vielschichtig und voll im Aroma, wie man es von einer echten kubanischen Zigarre, und dann noch von einer Cohiba, erwarten würde.

Quelle: Cubaruedi

Wir liessen uns nichts anmerken, beglichen die stolzen 115 Franken pro Zigarre (was ziemlich genau dem Preisschild offizieller Cohiba Siglo VI im Fachhandel entspricht) und begaben uns zur eingehenden Untersuchung des nicht konsumierten Exemplars.

Wir stellten noch die Frage, woher denn das Tao’s die Cohibas beziehe? Bekanntlich sei die Liefersituation bei kubanischen Zigarren seit längerem sehr schwierig. Vom Cubaruedi, beschied uns der Chef de Bar.

Alarmglocken

Bei Tobias Hüberli gingen innerlich die Alarmglocken los: Bereits 2018 hatte er den Zürcher Pensionisten Rudolf R.*, der als «Cubaruedi» mit seiner Einzelfirma Zigarren verkauft, der Inverkehrssetzung gefälschter kubanischer Zigarren überführt und dazu im Cigar eine Reportage veröffentlicht. Seine Recherche schlug damals hohe Wellen unter Zigarren-Liebhabern.

Und der offizielle Schweizer Importeur für Kuba-Zigarren, Intertabak in Basel, der zur Hälfte dem kubanischen Markeninhaber Habanos gehört, erwirkte, dass Cubaruedi damals seine Fälschungen vom Markt nahm. Nun ist er offensichtlich wieder da.

Echte Banderolen im Sicherheitsdruck

Kommen wir also zur zweiten Zigarre aus dem Tao’s: Tobias Hüberli, der bereits seit sechzehn Jahren Zigarren raucht, viele Male selber in den Produktionsländern der Karibik war und in der Schweiz die unangefochtene journalistische Koryphäe auf dem Gebiet ist, unterzog die Banderole (umgangssprachlich Bauchbinde) einer vertieften Untersuchung.

Um die Fälschungs-Problematik zu entschärfen, lässt das kubanische Staatsmonopol, das die Herstellung und Kommerzialisierung der Zigarren überwacht, die Banderolen bei einer auf Sicherheitsdruck spezialisierten Druckerei in den Niederlanden drucken.

Klare Abweichungen bei den Fälschungen

Die Drucktechnik mit Hologrammen, Relief-Strukturen und speziellen Schriftarten ist anspruchsvoll und teuer, sodass sich Fälschungen aufgrund von klaren Abweichungen identifizieren lassen.

So auch in diesem Fall: «Diese Cohiba ist auf den ersten Blick als Fälschung zu erkennen», sagt Experte Hüberli. Er nimmt eine echte Cohiba Siglo VI aus dem Humidor und deutet auf die unterschiedlichen Schriftarten beim Hauptschriftzug «Cohiba» und bei der darunter angebrachten Herkunftsangabe «Habana, Cuba».

Schlecht eingepasstes Wappen

Weiter zeigt er uns, dass das Marken-Emblem von Cohiba, der Indianerkopf, bei der originalen Zigarre perfekt eingepasst wirkt; die Weissfläche um das Emblem herum ist gleichmässig. Anders bei der Fälschung: Der Kopf sieht wie verschoben aus. Unmöglich kann ein solches Produkt aus der streng kontrollierten Produktion des Markeninhabers, der kubanischen Habanos SA, stammen.

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Fälschungsmerkmale: dünnere Schriftarten bei Schriftzügen «Cohiba» und «Habana, Cuba»; ungenau eingepasstes Marken-Emblem inklusive Wasserzeichen; Unterschiede in der Relief-Struktur und im Orange-Ton. (Bild: finews.ch / «Cigar»)

«Überhaupt», sagt Tobias Hüberli, «ist die Distributionskette bei den kubanischen Zigarren derart engmaschig geflochten, dass ausgeschlossen werden kann, dass sich eine Privatperson ausserhalb der offiziellen Kanäle überhaupt in ausreichender Menge für den gewerbsmässigen Handel damit eindecken kann.» Dies derzeit erst recht in Anbetracht der erheblichen Knappheit kubanischer Zigarren, insbesondere bei der Prestige-Marke Cohiba.

Preisliste per Email

Wir wollen es genauer wissen und gehen auf Tuchfühlung mit Cubaruedi, dem Lieferanten des Tao’s: Am Telefon fragen wir ihn, ob er auch Privatpersonen beliefere. «Natürlich», antwortet er. Wenig später folgt per Email seine Preisliste.

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Cuba is back: Aktuelle Preisliste von Cubaruedi. (Bild, Schwärzungen: finews.ch)

Der Preis für eine 25er-Kiste der sogenannten Cohiba Siglo VI beläuft sich bei ihm auf 500 Franken, was 20 Franken pro Stück entspricht.

Unangenehme Fragen für das Tao's

Das wirft nun für das Tao’s unangenehme Fragen auf: Schlägt das Haus auf eine gefälschte Zigarre, die es für 20 Franken erwirbt, eine Marge von 95 Franken drauf und verkauft diese daraufhin seinen Kunden als echt? Wissen die Gastronomen, dass es sich bei den von ihnen angebotenen Cohibas um Fälschungen handelt? (Zumindest in unseren Recherche-Kontakten zu Cubaruedi machte er dies potentiellen Kunden sogar auf Nachfrage hin nicht transparent.)

Nach welchen Grundsätzen gestaltet das Tao’s seine Einkaufspolitik? Schliesslich serviert das Lokal seinen Gästen viele teure und exklusive Produkte, bei denen sich der Gast auf die Authentizität verlassen können muss: von den Weinen, Champagnern, Spirituosen, Zigarren bis hin zu speziellen Fleisch- und Sushi-Sorten, teilweise mit Herkunftsdeklaration.

Echte Cohiba für 20 Franken: Ding der Unmöglichkeit

Zigarren-Kenner Tobias Hüberli ordnet ein: «Wir können zwar den Inhabern des Tao’s nicht beweisen, dass sie von den Machenschaften wussten oder diese gar billigten.» Andererseits müsse es jedem, der seit einiger Zeit in der Gastronomie unterwegs sei, verdächtig vorkommen, wenn ihm Zigarren für 20 Franken angeboten werden, die selbst mit Spezialkonditionen für die Gastronomie mindestens das Vierfache kosten.

Wir haben sowohl Cubaruedi als auch die Tao’s Gruppe, zu welcher auch das Tao’s Restaurant & Bar gehört, mit den Ergebnissen der Recherche von finews.ch und «Cigar» konfrontiert.

Tao's nimmt Fake-Cohibas aus dem Sortiment

Cubaruedi war am Donnerstag für eine Stellungnahme weder schriftlich noch telefonisch erreichbar.

Das Tao's schreibt, es werde den «Vorwurf überprüfen lassen». Als Sofortmassnahme habe man die Zigarren aus dem Sortiment genommen. Der Lieferant sei einem Mitarbeiter des Tao's «von einem Stammgast empfohlen» worden, «der die Cohibas über Panama bezieht, daher der günstige Preis». Dieser Mitarbeiter habe «leichtgläubig und naiv gehandelt».

«Nur wenige Zigarren»

Es seien nur wenige dieser Zigarren verkauft worden. Wie lange sie im Sortiment waren, sagt das Tao's allerdings auf Nachfrage nicht. «Wir können aber versichern, dass alle anderen Produkte, die wir anbieten, von renommierten Händlern gekauft werden.»

Auch wollten wir vom offiziellen Importeur für kubanische Zigarren in der Schweiz, Intertabak, wissen, was das Unternehmen im neuen Fälschungsfall unternehme. Bereits vor sechs Jahren wurde Intertabak durch die Recherchen von «Cigar» auf die gefälschten Zigarren von Cubaruedi aufmerksam.

Intertabak: Beweissicherung

Vor einigen Wochen, so hat finews.ch erfahren, wurde Intertabak abermals von dritter Seite auf den Missstand im Tao’s aufmerksam gemacht.

Intertabak-Chef Tony Hoevenaars schreibt, das Unternehmen werde versuchen, die Beweise so rasch wie möglich zu sichern. «Bei der Feststellung von Fälschungen und möglichen anderen Markenrechtsverletzungen werden wir stets schnellstmöglich handeln und Habanos in mögliche Massnahmen einbeziehen.» Die Thematik sei «zum Glück bisher auf Einzelfälle beschränkt» geblieben und «die Angelegenheit konnte stets einvernehmlich geklärt werden».


* Name der Redaktion bekannt.