Ein Liebhaberobjekt sind sie schon lange. Langsam etablieren sich ältere Zigarren auch als eigene Kategorie für Investoren. Ein Anlass in Zürich beleuchtet Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu klassischen Uhren.

Wer am Mittwochabend ins Fumoir im ersten Obergeschoss der Zürcher Zigarren-Location «Manuel's» gelangen wollte, der musste vorbei an mehreren stämmigen Sicherheitsleuten.

Das Sicherheitsdispositiv kommt nicht von ungefähr: Vor ausverkauftem Haus, gestaltet in dunkeln Hölzern und fröhlichen Farben der Karibik, stellt Dörte Herold, die beim  Traditions-Juwelier «Beyer» den Bereich der Vintage-Uhren leitet, 31 klassische Uhren im Gesamtwert von weit über einer halben Million Franken vor – und zwar am lebenden, physischen Objekt.

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Expertin für historische Werte: Beyer-Vertreterin Herold. (Bild: Manuel's, zVg)

«Pre-Loved», wird das Genre bei «Beyer» liebevoll genannt.

Selten und teuer

Ein Spitzenmodell der mitgebrachten Kollektion ist eine 3700, genannt «Jumbo Nautilus», von «Patek Philippe» aus dem Jahr 1982 mit Beyer-Emblem auf dem Ziffernblatt.

Die Beyer-Vertreterin, die als studierte Kunsthistorikerin einen feinen Sinn für das Gute und Schöne von historischem Wert entwickelt hat, erklärt den besonderen Wert dieses Stückes unter Anderem damit, dass der legendäre Gérard Genta an der Genese des Modells beteiligt war und dass solche Händler-Exemplare sehr selten seien.

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Zweiter Superstar: «Yacht Master». (Bild: Beyer, zVg)

Ebenfalls mit von der Partie ist eine sehr gefragte «Yacht Master» von «Rolex» aus dem Jahr 2017, die bei «Beyer» für 135'000 Franken annonciert ist.

Ein neues Traumpaar?

Die Gäste können die 31 Uhren am Handgelenk ausprobieren. Dazu reicht «Manuel's»-Inhaber Manuel Fröhlich jedem eine «Saint Luis Rey Churchill» aus dem Jahr 2001. Dabei handelt es sich um eine sehr selten gewordene Vintage-Zigarre, die nicht mehr produziert wird, und für deren 50er-Kiste Sammler bis zu 6'500 Franken zahlen.

Vintage-Zigarren und Vintage-Uhren: Ein neues Traumpaar bei den sogenannten «Collectibles», also Sammlerstücken, die auch Investoren auf den Plan rufen?

Newcomer und Platzhirsch

Die reifegelegarte Zigarre hat sich vielleicht noch nicht in die Familie der Collectible-Güter eingeheiratet, ein heisser Flirt findet aber auf jeden Fall statt.

Der Zigarre kommt dabei der Part der «jungen Wilden» zu, während klassische Uhren bereits seit geraumer Zeit arriviert sind. Das wird auch im  Zusammenspiel der beiden Event-Partner deutlich: «Beyer» ist seit acht Generationen an der gleichen Adresse in der Bahnhofstrasse; das «Manuel's» gibt es nun immerhin seit zehn Jahren.

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Mittelpunkt des Interesses: «Jumbo Nautilus» von «Patek Philippe» (Bild: Manuel's, zVg)

Personelle und philosophische Überschneidung

Wie das grosse Interesse und auch die Zusammensetzung des Publikums zeigen, gibt es eine nennenswerte personelle Überschneidung zwischen Liebhabern alter Uhren und reifegelagerter Zigarren.

Schätzungsweise ein Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist dem Finanzsektor zuzuordnen. Anwesend ist auch der begeisterte Zigarrenraucher und Uhren-Liebhaber Gion Mathias Cavelty, ein bekannter Schweizer Schriftsteller.

Auch in philosophischer Sicht berühren sich die beiden Kategorien. Beide Male handelt es sich Produkte, die in anspruchsvoller Handarbeit gefertigt werden.

In der Produktion muss alles zusammenpassen

Vom Niveau der technischen Komplexität her ist eine Zigarre natürlich nicht ganz mit einer mechanischen Uhr aus Tausenden winzigen Bauteilen vergleichbar. Gleichwohl muss sehr vieles zusammenpassen, damit eine Zigarre mit jahrzehntelangem Reife- und Wertsteigerungspotential entsteht: Vom Agronomischen her – also dem Anbau und Verarbeitung des Rohtabaks – über das Blending verschiedener Tabaksorten in einer Zigarre bis hin zum eigentlichen Rollen... 

Zigarrenrollerin oder Zigarrenroller ist in etlichen Ländern der Karibik einer der anspruchsvollsten und bestbezahlten handwerklichen Berufe.

«Grenze von Handwerk und Kunst»

Oder, wie es Manuel Fröhlich, in dessen Person sich die beiden Leidenschaften ebenfalls überschneiden, ausdrückt: «In beiden Fällen wird die Grenze vom Handwerk zur Kunst berührt oder überschritten.»

Es gibt aber auch signifikante Unterschiede zwischen den beiden Kategorien.

Charakteristische Alterungskurve

Der augenfälligste ist, dass Uhren für die Ewigkeit gemacht werden, während Zigarren ihrer Natur nach vergänglich sind: Einmal geraucht, sind sie unwiederbringlich verloren. Zudem weist jede Zigarrensorte eine charakteristische Alterungskurve auf. Manche erreichen ihren aromatischen Höhepunkt erst nach Jahrzehnten, andere sind nach fünf Jahren bereits ausgelaugt. 

Und: Die Zigarre ist erst seit relativ kurzem dabei, einen Status als Investitionsgut zu erlangen. Bislang ist das Phänomen weitgehend auf kubanische Zigarren und sehr wenige limitierte Editionen anderer Provenienzen beschränkt.

Mittlerweile ebenfalls eine Wertanlage

Dass die kubanischen Zigarren, genannt Havannas, überhaupt mittlerweile ebenfalls als Wertanlage angesehen werden, hat auch mit dem Einsatz des Zürcher Zigarrenhändlers Manuel Fröhlich zu tun. Von Anbeginn seines Ladenlokals vor zehn Jahren legte er immer wieder Kisten zur Seite und erwarb teils umfangreiche Privatsammlungen.

Mit Erfolg: Sein Laden hat sich aufgrund des sehr umfangreichen Aging-Sortiments bei Kennern weltweit einen Namen gemacht. Sogar asiatische Kunden kaufen bei ihm reifegelagerte Havannas im grossen Stil.

«Habanos» mit eigener Aging-Linie

Mittlerweile ist «Habanos», das kubanische Exportmonopol, auf den Zug aufgesprungen. Es kündigt in Zukunft eine eigene Aging-Linie an.

Im Publikum erspähen wir Christian Staub, den früheren Europa-Chef von «Fidelity». Er trägt eine auf 500 Exemplare limitierte «Big Bang» von «Hublot» am Handgelenk, die der Hersteller aus Nyon im Jahr 2009 zu Ehren der britischen Automarke «Morgan» lanciert hat.

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Zigarrensammler und Finance-Grösse: Christian Staub mit 2001er «Saint Luis Rey Churchill». (Bild: Manuel's, zVg)

«Faszinierendes Thema»

Er sei selber seit etlichen Jahren Sammler von reifegelagerten Havannas, erzählt er. Das Thema begeistert ihn offensichtlich: Dieses Jahr hat er grosse Havanna-Festivals in London und in Italien besucht.

«Es ist ein faszinierendes Thema, weil Zigarre als Investment viel Wissen und Erfahrung verlangen», sagt er. Als generelle Faustregel könne man sicher festhalten, dass handgerollte kubanische Premium-Zigarren nach fünf bis sieben Jahren, die richtige Lagerung immer vorausgesetzt, einen ersten geschmacklichen Höhepunkt erreichen. «Nicht alle Marken oder Sorten werden dann jahrzehntelang immer besser, einige aber schon», sagt er.

Anfang einer Entdeckungsreise

Die mikrobiologischen Prozesse, die bei der Alterung von Zigarren stattfinden, seien noch sehr wenig erforscht. «Wir stehen erst am Anfang einer grossen Entdeckungsreise.»

Eine Entdeckungsreise, die auch aus Sicht von «Beyer» im Kleinformat der Abendveranstaltung perspektivenreich beginnt. Die «Pre-Loved»-Expertin Dörte Herold berichtet gegenüber finews.ch von etlichen vielversprechenden Interessenten.