Vor zwanzig Jahren haben Richemont, Audemars Piguet und Girard-Perregaux die Fondation Haute Horlogerie gegründet. Das Ziel: Schweizer Uhrmacherkunst in die Welt tragen. Vizepräsident Pascal O. Ravessoud erklärt mit Blick auf die bevorstehenden Geneva Watch Days, wo die Branche steht. Er sähe Vorteile in einer engeren Zusammenarbeit mit der Finanzindustrie.

Es gibt wohl nur wenige Menschen, die einen derart guten Überblick über die Schweizer Uhrenindustrie haben wie Pascal O. Ravessoud.

Bereits als Teenager fing er an, mechanische Uhren zu sammeln. Später war er bei Kommunikationsagenturen unter anderem für Uhren-Brands tätig. Von 2004 bis 2007 leitete er das Marketing bei Harry Winston.

Zweitwichtigster Branchen-Event

Und seit 17 Jahren ist der Westschweizer für die im Jahr 2005 gegründete Fondation Haute Horlogerie (FHH) tätig. Er leitet die steuerbefreite Uhren-NGO in Co-Direktion mit Aurélie Streit.

Die Organisation ist seit der Erstaustragung im Jahr 2020 Veranstaltungspartnerin der Geneva Watch Days, die Ende August und Anfang September stattfinden. Die Messe hat sich zum zweitwichtigsten Branchen-Event nach «Watches & Wonders» entwickelt, die jeweils im Frühling stattfinden.

Unaufgeregte Kultiviertheit

Aus diesem Anlass hat finews.ch Pascal O. Ravessoud zum Gespräch getroffen.

Den Uhrenmann, der bei unserem Treffen einen IWC Chronograph Pilot aus den 1990ern am Handgelenk trägt, strahlt eine unaufgeregte Kultiviertheit aus, wie sie mit Vorliebe in der Romandie anzutreffen ist.

«Die Uhr als Objekt von Kunst und Kultur»

Das Hauptanliegen der Stiftung, die im Jahr 2005 von der Richemont-Gruppe und den Herstellern Audemars Piguet und Girard-Perregaux gegründet wurde, besteht darin, auf internationaler Ebene das Wissen über die Schweizer Uhrmacherkunst zu verbreiten: «Die Uhr als Objekt von Kunst und Kultur, nicht der Spekulation», so Ravessoud.

Zu den 44 Partner-Brands der FHH gehören im Wesentlichen die Uhren-Marken von Richemont, die meisten Uhren-Brands von LVMH sowie Girard-Perregaux, Audemars Piguet, Hermès, Breitling, Chopard sowie kleinere unabhängige Boutique-Produzenten wie Greubel Forsay, Oris oder Trilobe,

Rolex und Patek Philippe

Die grossen Abwesenden sind die Swatch-Gruppe mit ihren Marken sowie die Branchen-Könige Rolex und Patek Philippe. «Für die Uhrenbranche insgesamt wäre es gut, wenn der Markt weniger polarisiert wäre», findet unser Interviewpartner.

Abkühlung ist allgemein im Moment das grosse Thema des Industriezweigs. Die chinesische Kundschaft, die in den vergangenen beiden Jahrzehnten das Wachstum angetrieben hat, streikt im Moment bei westlichen Luxusgütern. «Das Land versucht, den Binnenkonsum zu stärken», sagt Ravessoud.

Uhrenwissen für Nicht-Techniker

Mit der Folge, dass Chinesen weniger reisen und weniger Luxusuhren kaufen.

Auch die FHH ist stark in Asien vertreten. 43 Prozent der jährlichen Einnahmen der Stiftung stammen aus der sogenannten Academy, mit der die Organisation vor allem «Uhrenwissen für nicht-technische Berufe» vermitteln will, das heisst insbesondere auch für das Verkaufspersonal.

Masterclass für Bank

Bei diesem Ausbildungsangebot lag in den vergangenen zehn Jahren ein Schwerpunkt in Asien.

Uhren und Finanzdienstleistungen sind zwei der wichtigsten Schweizer Export-Sektoren. Sähe der Kenner der Uhrenindustrie ein Potential in einer stärkeren Zusammenarbeit? Es seien sehr unterschiedliche Branchen, sagt Ravessoud. Man habe aber in Zusammenarbeit mit dem IMD Lausanne auch schon eine Uhren-Masterclass für eine Bank ausgerichtet. «Die meisten Schweizer Banker hegen grosse Sympathien für die Uhrenindustrie. Vielleicht ist das etwas, worüber man stärker nachdenken sollte.»

Rekordjahr 2023

Das Gespräch endet auf einer realistischen Note: Pascal O. Ravessoud rechnet damit, dass das Jahr 2024 für die Schweizer Uhrenindustrie insgesamt etwas unter dem Vorjahresniveau verlaufen werde. Aber 2023 war auch ein Rekordjahr.


Die Geneva Watch Days finden vom 29. August bis zum 2. September 2024 statt.