Spitzenkunst gibt es längst nicht mehr nur in staatlichen Museen zu sehen. Immer mehr private Sammler inszenieren ihre Kostbarkeiten: oft architektonisch spektakulär, stets aber mit viel Geld. Eine Übersicht über die derzeit angesagtesten Pilgerstätten von Kunstaffinen.
Von Dominik Buholzer, freie Mitarbeiter
1. Nicola Erni Collection, Zug
Vor über zwanzig Jahren hat Nicola Erni begonnen, zeitgenössische Kunst und Fotografie zu sammeln. Zu Beginn für die eigenen vier Wände, mittlerweile fürs eigene Museum. Im Jahr 2013 eröffnete die Ehefrau von Partners-Group-Mitgründer Marcel Erni in Steinhausen bei Zug das erste Kunsthaus, vor kurzem kam ein goldfarbener zweiter Bau (Bild oben) dazu.
Was es in den beiden Gebäuden zu sehen gibt, macht so manchen baff: Vertreten sind Künstler wie Richard Avedon, Jean-Michel Basquiat, Maurizio Cattelan, Peter Lindbergh, Helmut Newton, Irving Penn, Paolo Roversi sowie Julian Schnabel oder Andy Warhol. Im Falle von Basquiat soll es sich um eine der weltweit grössten, wenn nicht um die grösste Sammlung handeln.
Die Ausstellungen können nur mit Führung und an ausgewählten Tagen besichtigt werden. Die Daten werden jeweils am letzten Montag des Monats aufgeschaltet. Glücklich kann sich schätzen, wer sich eines der kostenlosen, aber personalisierten Tickets sichern kann.
2. Sammlung Boros, Berlin
Der markante Klotz mitten in Berlin war schon vieles. Gebaut von den Nazis, fiel der «Reichsbunker Friedrichstrasse» nach dem Krieg den Sowjets in die Hände. Die nutzten ihn als Kriegsgefängnis, bevor er zum «Bananenbunker» wurde, zur Lagerstätte von Südfrüchten aus Kuba. Ab 1992 war Techno angesagt: Wegen seiner Fetisch- und Fantasy-Partys galt der «Bunker» als härtester Club der Welt.
Selbst eine Sex-Messe wurde in den Räumlichkeiten abgehalten, bevor im Jahre 2003 der Medienunternehmer und Kunstmäzen Christian Boros und seine Frau Karen Boros (Bild oben) das Gebäude mit seinen fünf Etagen kauften, um ihre Sammlung zeitgenössischer Kunst öffentlich zugänglich zu machen. Die beiden arbeiten eng mit den ausstellenden Kunstschaffenden zusammen. Diese fertigen ihre Werke zum Teil eigens für die entsprechenden Räume an.
Die Sammlung Boros kann nur mit Führung besichtigt werden. Tickets kriegt man, indem man sich auf die Gästeliste setzen lässt.
3. Hauser & Wirth, Menorca
Es war noch nie eine schlechte Idee, in exklusiven Ferienregionen eine Galerie zu eröffnen. Dies wissen Iwan und Manuela Wirth von Hauser & Wirth bestens. Seit längerem sind sie unter anderem in Gstaad und St. Moritz präsent. Nun ist eine weitere Destination dazu gekommen: Menorca (Bild oben).
Im Sommer 2021 wurden auf der Isla del Rey im Hafen der Hauptstadt Mahon in einem ehemaligen Krankenhaus der britischen Marine und einem Nebengebäude aus dem 18. Jahrhundert die Ausstellungshallen eröffnet. Im Garten warten auf die Besucherinnen und Besucher ein Skulpturenpfad und die archäologischen Überreste einer Basilika aus dem 6. Jahrhundert nach Christus.
Ergänzt wird dies alles durch ein Bildungsprogramm mit Vorführungen, Vorträgen und Workshops zur zeitgenössischen Kunst und ein Restaurant. Zur Eröffnung gab es im vergangenen Sommer die Werke des amerikanischen Künstlers Mark Bedford zu sehen. Der Kalifornier ist bei Sammlern und Investoren derzeit hoch im Kurs.
4. Muzeum Susch, Engadin
Das Engadin war schon immer ein gutes Biotop für Kunst. Mit dem Muzeum Susch hat die Region seit 2019 ein neues Highlight. Innerhalb von kurzer Zeit hat die polnische Kunstsammlerin, Unternehmerin und Milliardärin Grażyna Kulczyk (im Bild hier mit dem Künstler Not Vital, Bild: Keystone) aus dem verschlafenen Ort Susch mit seinen gut 200 Einwohnern am Fusse des Flüelapasses einen Hotspot für Kunstliebhaber geschaffen.
Das Museum erstreckt sich über mehrere Gebäude, darunter ein altes Kloster und eine ehemalige Brauerei, die durch einen unterirdischen Gang miteinander verbunden sind, und will mehr als nur eine Ausstellungsstätte sein: Es sieht sich als forschungsbasiertes Privatmuseum.
Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Rolle der Frau und der Wissenschaft. So eigen die Philosophie, so eigen ist auch das Ausstellungskonzept. Bei jeder Ausstellung stammen lediglich 40 bis 50 Prozent aus Kulczyks eigener Sammlung, um so den Austausch mit anderen Institutionen zu fördern.
5. Luma Arles, Frankreich
Im südfranzösischen Arles hat Roche-Erbin Maja Hofmann eines der grössten privaten Kunst- und Kulturprojekte in Europa realisiert: das Luma Arles (Bild oben, von Shutterstock). Auf dem Terrain eines ehemaligen Rangierbahnhofs ist ein gigantisches Kunst- und Kulturzentrum entstanden. Highlight ist der spektakuläre Turm von Stararchitekt Frank Gehry.
In den rund 11’000 Aluminiumkästen widerspiegelt sich der Himmel der Provence. Das Luma Arles ist nicht nur ein Museum, sondern auch eine Ideenschmiede für Kultur und Ökologie. In einem Atelier suchen Mitarbeitende nach lokalen Ressourcen für neue, weniger umweltbelastende Materialien.