Die Generalversammlungs-Saison ist in vollem Gange, und die Verwaltungsräte im Fokus wie selten zuvor. finews.ch hat Expertinnen und Experten befragt, was es heute braucht für den Posten – und was vor dem Sprung ins Gremium zu bedenken ist.

Selten standen die Verwaltungsräte von Schweizer Firmen so stark im Rampenlicht wie in der aktuellen Generalversammlungs-Saison, zumal im Finanzwesen. So musste Swiss-Re-Präsident Sergio Ermotti einen peinlichen Dämpfer bei seiner Wiederwahl hinnehmen. Dies, nachdem er wegen zu geringer Diversität an der Spitze des grössten Schweizer Rückversicherers kritisiert worden war.

Bei der Grossbank Credit Suisse (CS) verzichtete Vize-Präsident Severin Schwan vorsorglich auf eine Kandidatur, während der Rest der Gremiums zwar von den Aktionärinnen und Aktionären bestätigt wurde, aber für das Jahr 2020 keine rechtliche Entlastung erhielt.

Unabhängig davon sind die Ansprüche an Verwaltungsräte enorm gestiegen. Mit einem Bein im Geschäftsleben sollten sie stehen, sich in Trendthemen auskennen, nicht zu viele Mandate betreuenn – und natürlich über einen makellosen Leumund verfügen. Entsprechend ist die Frage berechtigt: Wer tut sich das heute noch an? Und wie bringt man sich als Verwaltungsrätin und Verwaltungsrat in Stellung?

Gefragte Expertise

Unabhängig davon, ob Kandidaten ins Aufsichtsgremium eines Bluechip-Konzerns, eines KMU, eines Familienbetriebs oder eines dynamischen Startups eintreten wollen, sollte ihre Hauptmotivation darin liegen, ihre Erfahrung und ihr Fachwissen mit anderen zu teilen, sagt Daniela Haze im Gespräch mit finews-TV (siehe Video unten). Sie wirkt als Partnerin bei Mindyourstep, einem Unternehmen, das sich auf die Beratung von Managern und Verwaltungsrats-Mitgliedern spezialisiert hat.

Ein guter Einstieg sei es, Fähigkeiten in einem bestimmten Bereich anzubieten, die ein Unternehmen auf Vorstandsebene benötigen könnte, ergänzt Fabienne Meier von der Personalberatungsfirma Knight Gianella & Partner. «Während früher Digitalisierungs-Expertise sehr gefragt war, stehen heute Kompetenzen in den Bereichen Umwelt und Soziales sowie Cyber-Risiken ganz oben auf der Prioritätenliste.»

150'000 Franken pro Jahr bei Multis

Natürlich braucht es auch die richtige Motivation – diese sollte «intrinsisch und nicht monetär» sein, wie Haze betont. Allerdings ist die Vergütung nicht völlig unbedeutend. Sie kann für Schweizer Verwaltungsräte zwischen einigen symbolischen Franken und 1 Million Franken und mehr liegen. Kleine bis mittlere Unternehmen bieten rund 20'000 Franken für Verwaltungsrats-Mandate, Familienunternehmen können zwischen 40'000 und 70'000 Franken zahlen.

Bei Bluechips betragen die Tantiemen im Schnitt 150'000 Franken pro Jahr, weiss Meier. «Dazu kommen noch Entschädigungen für den Einsitz in Ausschüssen, und das Honorar für den Vorsitz ist natürlich höher», ergänzt die Expertin.

Eine aktuelle Studie von Knight Gianella & Partner zeigt, dass Experten im Durchschnitt drei bis vier Mandate innehaben. Diese Zahl deckt sich mit einer Recherche des Schweizer Fernsehens «SRF», die ermittelte, dass von Verwaltungsrats-Mitgliedern immer mehr Verfügbarkeit verlangt wird – weshalb Kandidaten mit mehr als drei bestehenden Mandaten oft abgelehnt werden.

Besser vorbereitet

Auch das spricht für mehr Diversität in den Schweizer Verwaltungsräten, folgt man Max Meister, Mitbegründer der Swiss Startup Group und der Tochtergesellschaft Serpentine Ventures, die sich der Frühphasen-Investitionen in Startups widmet. Meister, den finews.ch separat befragte, ist nämlich sehr daran interessiert, Frauen in den Vorständen der Unternehmen zu sehen, in die Serpentine Ventures investiert. Dies, da sich Verwaltungsrätinnen seiner Erfahrung nach gut auf Sitzungen vorbereiten und jeweils das Thema in den Mittelpunkt der Diskussionen stellen, und nicht sich selber.

Die Fähigkeit zur Selbstreflektion sei natürlich ebenfalls wichtig in diesem Amt, sagt Meister, zudem ein «reines Gewissen», eine ausgeglichene Persönlichkeit und Offenheit gegenüber Feedback von Dritten. Doch neben den notwendigen persönlichen Fähigkeiten und Anforderungen gilt es schliesslich auch rechtliche Aspekte zu bedenken – etwa, wenn wie bei der CS neulich die Aktionäre dem Verwaltungsrat die Décharge verwehren.

«Es kann eine Menge Spass machen»

Grössere Unternehmen verfügen in der Regel über eine Betriebshaftpflicht-Versicherung, aber bei Startups ist das weniger der Fall. Das spielt in beide Richtungen. Meister etwa spricht sich für eine strenge «Due Diligence» des Unternehmens aus, bevor man ein Startup unter seine Fittiche nimmt. Angehende Verwaltungsräte sollten auf jeden Fall vorher darüber informieren, wie eine Firma finanziell abgesichert und aufgestellt ist, betont auch Haze von Mindyourstep. Denn niemand möge Verwaltungsrat sein, wenn es schief geht, da dies fatale Folgen für den eigenen Ruf haben könne.

Das kling nach viel schwerer Kost. Aber Verwaltungsrätin oder Verwaltungsrat zu sein, hat nicht nur mit Müssen zu tun, sondern auch mit Dürfen. «Es kann eine Menge Spass machen, im Verwaltungsrat zu sitzen», versichert Expertin Haze.

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