Er ist der unternehmerische Bruder des früheren UBS-Präsidenten Kaspar Villiger. Und vermutlich, dicht gefolgt von Warren Buffett, der älteste noch aktive Unternehmer der Welt. Kürzlich feierte der Zigarren-Produzent und -Importeur seinen 94. Geburtstag. Ausgerechnet jetzt verdunkelt sich sein Lebenswerk.

In der Öffentlichkeit ist Heinrich Villiger, der kürzlich seinen 94. Geburtstag feierte, vor allem als Schweizer Hersteller von Stumpen und Zigarillos berühmt. Dass ein wichtiger Bestandteil seiner Unternehmer-Biografie auch das Millionen-Business mit dem Import kubanischer Zigarren beinhaltet, ist hingegen weniger bekannt. 

Und damit sind wir in der Aktualität angelangt: Heinrich Villiger, der seit den 1990er-Jahren den Kubanern dabei half, mit «Joint Ventures» in europäischen Exportmärkten verstärkt an der Wertschöpfung zu partizipieren, läuft Gefahr, seiner langjährigen Beteiligungen am Import kubanischer Zigarren für die Schweiz, Deutschland, Österreich und Polen verlustig zu gehen, wie finews.ch kürzlich berichtete.

Emblematische «Cohiba»

Betroffen sind sämtliche kubanischen Premium-Marken. Angefangen mit der emblematischen «Cohiba», deren Zigarren mittlerweile offiziell für Preise zwischen 32 Franken (das ultrakleine «Panetela»-Format) und 270 Franken (das ausschweifende «Behike 56»-Format) verkauft werden – die inoffiziellen Preise sind aus Gründen der Knappheit deutlich höher.

Seit 1990 ist die «5th Avenue Products Trading», die Heinrich Villigers Holding zu 45 Prozent und der kubanische Staat zu 55 Prozent besitzt, Exklusivimporteur kubanischer Zigarren für Deutschland. Später kamen Österreich und Polen dazu.

Und der Schweizer Allein-Importeur «Intertabak» gehört seit 1995 zu 25 Prozent der Villiger-Holding, zu 25 Prozent einer Genfer Handelsdynastie namens Levy und zu 50 Prozent dem kubanischen Staat.

Investoren aus Hong Kong

Mit diesen Eigentumsverhältnissen ist bald Schluss, wenn es nach dem kubanischen Export-Monopol «Habanos» geht, dessen 50-Prozent-Anteil (die andere Hälfte gehört dem kubanischen Staat) vor ein paar Jahren ein Private-Equity-Konglomerat aus Hong Kong von der britischen «Imperial Brands» gekauft hat.

Unter der neuen Eigentümerstruktur möchte sich «Habanos» die gesamte Wertschöpfung bis vor den «Point of Sale» einverleiben. Da werden die «Joint Ventures» zum Störfall.

Monopolisierung des Imports

Wie war eigentlich Heinrich Villiger vor fast vierzig Jahren zu diesen Beteiligungen gekommen? Ende der 1980er-Jahre beschloss das Regime in Havanna, dass in Zukunft in jedem Land eine einzige Importgesellschaft das Monopol für den Grosshandel erhalten sollte.

Fast alle europäischen Zigarren-Importeure weigerten sich, auf dieses Angebot einzugehen. Da Villiger damals bereits seit Jahrzehnten kubanischen Rohtabak importiert hatte, fragten ihn die Kubaner, ob er es machen würde. Villiger sagte zu. Von einem britischen Importeur von Villiger-Stumpen sei er deswegen als «traitor», als Verräter, betitelt worden, erinnerte er sich vor einigen Jahren in der «Weltwoche» (Artikel bezahlpflichtig).

Integration der Wertschöpfungskette

Es sieht also so aus, als hole Villiger jetzt zum Teil auch die eigene Vergangenheit ein. In Sachen «Integration der Wertschöpfungskette» ist er selber kein Kind von Traurigkeit.

Das Problem: Sollten die Kubaner und die asiatischen Investoren Ernst machen und Villiger seine Beteiligungen an «Intertabak» und «Fifth Avenue» aus der Hand ringen, wankt damit die betriebswirtschaftlich vermutlich profitabelste Säule seiner Holding.

Geboren im «Stumpenland»

Zu dieser Holding gehört neben den Kuba-Import-Beteiligungen das angestammte Geschäft der Familie Villiger. Entstanden war dieses im Jahr 1888, als Villigers Grossvater in Pfeffikon, einer Gemeinde des damals florierenden Schweizer «Stumpenlandes» im luzernisch-aargauischen Grenzgebiet eine Zigarrenfabrik gründete.

Das Stammgeschäft besteht seit über hundert Jahren aus «Villiger Söhne» im luzernischen Pfeffikon und der gleichnamigen Schwestergesellschaft im deutschen Waldshut-Tiengen. 

«Villiger Kiel» und «Villiger Krumme»

Als Heinrich Villiger die schweizerisch-deutsche Firma nach dem Tod des Vaters im Jahr 1966 gemeinsam mit seinem Bruder Kaspar Villiger, dem späteren Bundesrat und UBS-Präsidenten, übernahm, umfasste ihr Sortiment maschinell gefertigte Zigarren aus gehäckseltem Tabak («Stumpen»).

Der bis heute berühmte «Villiger Kiel» war damals schon Teil der Modellpalette. Die nicht minder bekannte «Original-Krumme» gelangte 1988 ins Sortiment.

Vaterländischer Kredit der Luzerner Kantonalbank

Bei der Wahl Kaspar Villigers (als Nachfolger der gestrauchelten Elisabeth Kopp) in den Bundesrat als Vertreter der Freisinnigen verkaufte dieser seine Anteile an seinen Bruder Heinrich, der alleiniger Gesellschafter wurde.

Der Kauf sei ihm durch einen «vaterländischen Kredit der Luzerner Kantonalbank» ermöglicht worden, pflegt Heinrich Villiger zu scherzen, den er während 20 Jahren abgestottert habe.

Expansion ins Premium-Segment

In Heinrich Villigers Verantwortung als (Mit-)Eigentümer seit 1966 fallen zwei strategische Initiativen zur Weiterentwicklung des Unternehmens: Die 2003 wieder abgebrochene Herstellung von Fahrrädern ab den 1980er-Jahren und die Expansion in den Premium-Bereich der handgerollten Zigarren ab den späten 1980er-Jahren mit dem Kuba-Import.

Die Premium-Strategie bezeichnet Heinrich Villiger selber als seine grösste unternehmerische Errungenschaft, wie er dem Autor dieses Beitrags vor einigen Jahren darlegte.

Grösster Fehler

Als seinen grössten Fehler bezeichnete er zugleich, dass er erst zu spät begonnen habe, mit eigenen Villiger-Produkten oder -Marken ins margenträchtige Geschäft der aus ganzen Tabakblättern handgerollten Premium-Zigarren vorzustossen, nämlich vor etwa 15 Jahren.

Den Auftakt bildete 2008 die «Villiger 1888» zum 140-jährigen Bestehen des Unternehmens. Es folgten 2013 die «Villiger do Brasil», 2015 die «Villiger San’Doro» und im Jahr 2022 die «Villiger 1888 Nicaragua», unter anderen.

Charismatischer Patron mit Tabakfeldern und Fabriken

Die Anlagen für einen Erfolg mit diesen Produkten wären wohl gegeben: Investitionskapital, eine glaubwürdige Geschichte, angereichert mit eigenen Tabakfeldern (Brasilien) und einer eigenen Fabrik (Nicaragua), ein charismatischer Patron, der die Passion für den Tabak wie kaum ein Zweiter vorlebt.

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Mit 94 Jahren gefordert. (Archivbild «Cigar», zVg) 

Branchenkenner schätzen, dass Villiger heute weltweit rund 5 Millionen handgerollte Premium-Zigarren verkauft, wobei etwa die Hälfte auf Budget-Linien von Discountern, vor allem in Deutschland, entfällt. Insofern ist es dem Zigarren-Unternehmer nicht gelungen, eine erfolgreiche Blockbuster-Zigarre im oberen Marktsegment zu kreieren.

Also: Wo steht die Villigers Holding heute, vor dem drohenden Aus der Import-Verträge mit den Kubanern?

Zwei Firmen in Deutschland

In Deutschland sind die Zahlen von Villigers Firmen öffentlich: der «5th Avenue Products Trading» für Import und Grosshandel mit Premium-Havannas und der seit 1910 bestehenden «Villiger Söhne» in Waldshut-Tiengen, die das ursprüngliche Stumpen-Geschäft und Villigers eigene Premium-Marken kommerzialisiert.

Die Havanna-Importgesellschaft für Deutschland, Österreich und Polen schrieb zwischen 2014 und 2022 jedes Jahr zwischen 6 und 11 Millionen Euro Gewinn bei einem Umsatz von zwischen 33 und 56 Millionen Euro. Auf Villigers 45-Prozent-Beteilung entfallen davon jährlich zwischen 2,7 und 5 Millionen Euro Gewinn.

Millionengewinn mit Schweiz-Import

In Schweizer Kenner-Kreisen wird geschätzt, dass Villigers 25-Prozent-Beteiligung am hiesigen Havanna-Importeur «Intertabak» jährlich rund 2 Millionen Franken Gewinn abwirft.

Demgegenüber resultierte bei der auf Villigers Eigenmarken, vor allem maschinell hergestellte Zigarren und Zigarillos, spezialisierten «Villiger Söhne» in Waldshut-Tiengen zwar höhere Umsätze (zwischen 76 und 128 Millionen Euro, mit rückläufiger Tendenz), aber im gleichen Zeitraum ein kumulierter Verlust von gut 3 Millionen Euro.

Defizite mit den Stumpen?

Vieles spricht dafür, dass in diesem Bereich die seit 2008 entwickelten Premium-Eigenmarken profitabel sind, während das Legacy-Geschäft der maschinellen «Stumpen» defizitär geworden ist.

Das angestammte Zigarillo-Business hat mit nachlassender Nachfrage und teurer Regulierung zu kämpfen. Die Investitionen in die je nach Land unterschiedlichen, sich ständig ändernden Verpackungs-Vorschriften gehen bei Villigers komplexem, viele Dutzend Sorten und Produkte umfassenden Sortiment schnell ins Geld.

«Zum Leidwesen des Produktionsleiters»

Kürzlich sagte er der «NZZ» (Artikel bezahlpflichtig), das sei zwar zum «Leidwesen des Produktionsleiters», aber «mir ist wichtig, dass jemand, der sein Leben lang das gleiche Produkt geraucht hat, sich nicht umgewöhnen muss».

Das ist sympathisch und kundenorientiert. Aber in betriebswirtschaftlicher Hinsicht muss man doch sagen: Ohne die Kuba-Import-Beteiligungen wäre Villiger insgesamt vermutlich in den roten Zahlen.

Drohendes Auslaufen der Verträge

Wie geht es also weiter? Gemäss dem Schweizer Fachmagazin «Cigar» ist Villiger nicht verkaufswillig, was seine Kuba-Beteiligungen anbelangt. Es besteht also eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass «Habanos» die Verträge mit ihm nicht erneuern wird.

Es ist schwer abzuschätzen, was in diesem Fall passiert. In der «NZZ» hatte Villiger vor einigen Monaten den Eindruck erweckt, die Nachfolge sei in trockenen Tüchern: Sollte er sterben, laufe die Firma mit dem bestehenden operativen Management weiter. Im Verwaltungsrat sei die Familie in der Mehrheit; seine Nachfolge als VR-Präsident müsse aber ein Externer antreten.

Ein Leben für den Tabak

Inwiefern diese Planung die aktuellen Turbulenzen rund um das Kuba-Import-Geschäft überdauert, ist fraglich. Die Villiger Holding ist ohne diesen wichtigen Bestandteil ein völlig anderes, viel weniger profitables Unternehmen. 

Was auf jeden Fall bleibt, ist ein Leben für den Tabak: Heinrich Villiger ist einer der ganz wenigen Schweizer, welche sogar das Handwerk des Rollens selber beherrschen. Gelernt hat er es in den 1950er-Jahren in Lateinamerika.

Zeitweise Sponsor der «Formel 1»

Mit seiner sympathisch-charismatischen Art verkörpert er seit Jahrzehnten den Inbegriff des Genussrauchers in der Schweiz. Es ist seinem Einsatz und seiner Popularität geschuldet, dass die Tabak-Regulierung hierzulande weniger strikt ausfällt als im angrenzenden Ausland und darüber hinaus.

Und Heinrich Villiger hatte ein gutes Leben: Zeitweise trat seine Firma als Sponsor in der Formel 1 auf. In jungen Jahren war er mit einem bemerkenswert guten Aussehen gesegnet.

Eine Kiste «Cohiba» für Bundeskanzler Schröder

Auf dem wichtigen deutschen Markt bewegte sich der Unternehmer in den 1990er- und 2000-er Jahren wie ein Fisch im Wasser. Die deutsche High Society mochte den charismatischen Schweizer mit seiner Vorliebe für schnelle Autos («Ferrari») und pikante Anekdoten.

Als die EU wieder einmal die Regulierungs-Schraube anziehen wollte, schickte Villiger dem damaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder, einem passionierten «Cohiba»-Raucher, eine überall mit hässlichen Warnklebern versehene Kiste von dessen Lieblingsmarke. Die Regulierung fiel dann milder aus, als befürchtet.

Grossgrundbesitzer und Jäger

Mit seiner «Mercedes G-Klasse», seinem 180 Hektar grossen Gut «Rohrhof» im Südschwarzwald ennet der Grenze, wo er sich der Zucht von schottischen Hochlandrindern nach strikt ökologischen «Demeter»-Standards und der Jagd widmet…

Heinrich Villiger, mit einem feinen und kavalierhaften Wesen ausgestattet, ist und bleibt eine einzigartige Mischung aus einer helvetischen Interpretation des Typus «Landadeliger» und aus lateinamerikanischem Lebensfeuer.


Der vorliegende Beitrag ist eine gekürzte und überarbeitete Fassung eines Portraits über Heinrich Villiger, das der Autor kürzlich im Fachmagazin «Cigar» publiziert hat.