Die erste grosse Entlassungswelle bei der Credit Suisse wird im Juli anrollen – dies allerdings vorab im Ausland. finews.ch hat Klaus Biermann, Mitgründer der Zürcher Executive-Search-Firma Biermann Neff gefragt, worauf sich hiesige Angestellte der gescheiterten Grossbank einstellen sollten.


Herr Biermann, in den Medien wird kolportiert, dass die UBS insgesamt 35'000 Angestellte entlassen will. Überrascht Sie die hohe Zahl, oder ist das im Rahmen des Erwartbaren?

Die Zahl liegt im Rahmen unserer Erwartung. Die Geschwindigkeit mag für viele Teilnehmer überraschend sein. Nüchtern betrachtet war dies allerdings zu erwarten. Die UBS muss und darf in der Integration und Neuausrichtung keine Zeit verlieren. Jeder Tag kostet Geld, und die Gefahr, dass zusätzliche Vermögen abfliessen, wird grösser.

UBS-Chef Sergio Ermotti hat vergangenen März erklärt, er wolle UBS- wie CS-Bankern bei der Vergabe von Stellen gleich behandeln. Nun heisst es, die Hälfte der CS-Stellen fallen weg. War dieses Versprechen schon immer mit Vorsicht zu geniessen?

Diese Hoffnung war zumindest bei vielen Angestellten der Credit Suisse sehr gross. Es wird sicherlich auch Anpassungen in den vorhandenen UBS Teams geben.

«Die Option einer eigenständigen Einheit in der Schweiz ist nicht mehr vorhanden»

Jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass die UBS die CS übernommen hat. Auch wenn es bei ihr punktuell ebenfalls Anpassungsbedarf geben mag: die UBS will und muss ihre Kultur und Struktur behalten, schliesslich ist sie im «Driving Seat».

Die UBS will den Grossteil der CS-Investmentbank abwickeln – jene Einheit, in der die CS bis zuletzt am meisten Personal beschäftigte. Wird die erste Welle also vorab die Investmentbanker im Ausland treffen?

Ja, in London, New York und Asien wird es massiv Entlassungen geben. Das sind auch alles Locations, wo dies leichter durchführbar ist. Aber auch die Schweiz wird in dem Bereich sicherlich mehrere Hundert Arbeitsplätze verlieren. Wir sind aber überzeugt, dass ein sehr grosser Anteil dieser Personen andere spannende Aufgaben übernehmen wird.

Die Optionen für das Schweiz-Geschäft der CS sind derweil offen. Wie hoch werden hier die Überschneidungen, sprich das Abbaupontenzial bei der CS sein?

Die Option einer eigenständigen Einheit in der Schweiz ist in unseren Augen nicht mehr vorhanden – zumindest nicht vorerst. Vielleicht wird die UBS das Schweizer Geschäft in der Zukunft irgendwann abtrennen. Jedoch hat das kaum Auswirkung auf die derzeitige Personalsituation. Im Middle- und Backoffice sehen wir riesige Überschneidungen, andere Bereiche wie Private Banking, das Firmenkunden-Geschäft oder auch das Asset Management werden vorerst zu grossen Teilen bestehen bleiben.

Die UBS hat per sofort die Sozialpläne für den Schweizer Arbeitsmarkt aufgebessert. Sollten hiesige Mitarbeitenden den blauen Brief abwarten, oder vorher eine neue Stelle suchen?

Die letzten Monate waren für die Mitarbeiter der Credit Suisse von grosser Unruhe, Unsicherheit und Angst geprägt, aber auch von stetiger Hoffnung, dass es irgendwie noch gehen wird. Die aufgebesserten Sozialpläne geben allen Mitarbeitern eine gewisse Sicherheit. Wer jedoch immer noch abwartet, ohne sich auch extern zu positionieren oder sich zu beraten, lebt zu sehr nach dem Prinzip Hoffnung.

«Kantonalbanken und kleinere Privatbanken werden die Exzesse bei den CS-Boni nicht fortführen»

Wenn ab September und dann im vierten Quartal und 2024 die grossen Kündigungen in der Schweiz anlaufen, wird der Kampf um die Stellen wesentlich grösser.

Bei anderen Banken stehen Hunderte Stellen offen. Können diese Institute eine mögliche Entlassungswelle bei der CS Schweiz auffangen?

Sicherlich werden viele ehemalige Angestellte der Credit Suisse bei den erstarkten Wettbewerbern eine neue Arbeitsstätte finden. Wir hoffen, dass die Erwartungshaltungen bezüglich Lohn, Titel und sonstiger Benefits aber entsprechend angepasst werden. Wir dürfen nicht vergessen: trotz der zuletzt zum Teil ausgebliebenen Boni waren die Gehälter und die Kosten der Credit Suisse schlichtweg zu hoch. Kantonalbanken und kleinere Privatbanken werden die Exzesse nicht fortführen.


Klaus Biermann ist Mitgründer von Biermann Neff. Die Executive-Search-Firma mit Sitz in Zürich ist auf Talentsuche in der Finanzbranche spezialisiert. Ihr Fokus liegt auf den Bereichen Wealth Management, Asset Management, Alternative Anlagen und Privatmarkt-Investments sowie digitale Transformation.