Die Jobs im Backoffice der Banken werden durch die Digitalisierung umgekrempelt. So manche Angestellte drohen deshalb aus dem Rennen zu fallen. Ein Pilotprojekt bietet nun eine neue berufliche Zukunft – zum Beispiel im Maschinenbau.
Jede zehnte der aktuell knapp 106’000 Vollzeitstellen bei Schweizer Banken und Finanzdienstleistern findet sich im rückwärtigen Dienst. Diese Arbeitnehmenden haben ein Problem, das sich in den nächsten Jahren stark akzentuieren dürfte: Die Digitalisierung krempelt die Stellenprofile um. Es braucht weniger, dafür spezialisiertere Kräfte. Aus den Ablaufspezialisten im Backoffice werden zukünftig vermehrt «Exception Handling Specialists», wie es im Jargon heisst – oder gar völlig andere Berufsbilder.
Doch nicht alle werden sich die dazu nötigen neue Kompetenzen aneignen können und wollen.
Schwer fassbares Soll-Profil
Branchenintern rechnet man nun damit, dass ein Drittel der Stellen in den nächsten Jahren über Pensionierungen wegfällt. Damit müssten immer noch zwei Drittel der verbleibenden Mitarbeitenden in andere Berufsbilder entwickelt werden. Ein schwieriges Unterfangen, glaubt Franca Burkhardt, Organisationsentwicklerin und Leiterin der Firma Bandy Analytics. «Es ist sicher anspruchsvoll, alle diese Mitarbeitenden von ihrem Ist-Profil ins neue Soll-Profil zu entwickeln», sagt sie.
Anders gesagt: schlägt die Entwicklung fehl, drohen zahlreiche Backoffice-Angestellte aus dem Rennen zu fallen.
Die Industrie sieht den Fit
Hier hakt Burkhardt ein. In Zusammenarbeit mit Rolf Kaufmann von der MEM-Passerelle 4.0 verantwortet sie eine neue Passerelle hinaus aus dem Banking – und hinein in die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM). MEMBA heisst das Pilotprojekt, das im Sommer erstmalig in der Deutschschweiz starten soll. Die MEM-Passerelle 4.0 bietet dabei «entwicklungsbereiten» Berufsleuten einen achtwöchigen Intensivkurs, der ihnen einen effektiven und effizienten Einstieg in die MEM-Industrie ermöglichen soll.
Die Informationsveranstaltung dazu findet am 18. Mai statt. Gesucht werden explizit Angestellte aus dem Bereich «Banking Operations»: denn hier sieht die Industrie einen Fit.
Kompetenzen sind noch zu entwickeln
Die MEM-Branche hat gegenüber den Banken das gegenteilige Problem. Durch den technologischen Wandel werden zusätzliche Kräfte mit spezifischen Fachkenntnissen gesucht. Und dies dringend. «Auf den traditionellen Wegen ist es für die Industrie immer schwieriger, diesen Bedarf abzudecken», erklärt Kaufmann.
Als Projektleiter hat er bereits Bildungsgänge für Quereinsteiger aus anderen Berufen durchgeführt. In diesem Rahmen werden auch dieses Jahr wieder Berufsleute für Tätigkeitsgebiete in der Industrie vorbereitet. «Wir sind überzeugt, dass wir aufbauend auf der breiten Erfahrung und den Kompetenzen der Bankmitarbeitenden aus dem Backoffice, die von der Industrie geforderten Kompetenzen gemeinsam entwickeln können», ist er überzeugt.
Schon wieder Quereinsteiger
Viele Angestellte im Operations-Bereich seien sogar selbst einst Quereinsteiger gewesen, unter anderem aus handwerklichen Berufen.Wobei die Ex-Bankmitarbeitenden künftig kaum an der Drehbank stünden, versichert Kaufmann. Die MEM-Produktion sei sehr stark automatisiert und in den Prozessen vernetzt. IT-Kenntnisse und planerische Fähigkeiten, über welche Bankangestellte in der Regel verfügten, seien in der Herstellkette erforderlich und gefragt.
Ebenfalls böten sich Entwicklungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Bereichen aufgrund der Erfahrungen und der zusätzlich entwickelten Kompetenzen für die Teilnehmenden.
Sozialpartner der MEM-Branche mit im Boot
Kaufmann weiss für die MEM-Passerelle die Sozialpartner der MEM-Industrie hinter sich – die Branchenvereinigung Swissmem, Unia, Syna, der Kaufmännische Verband, Angestellte Schweiz und Schweizer Kader Organisation – die sich aktiv an der Initiative beteiligen. Als Gegenpart im Banking fungiert die Interessengemeinschaft Banking Operations (IG Ops), hinter der diverse Exponenten und Experten aus der Bankbranche stehen und für die Burkhardt als Verantwortliche im Pilotprojekt wirkt.
Lose Unterstützung erhält das Projekt MEMBA dabei vom Verband Arbeitgeber Banken sowie von der Kampagne Skillaware, hinter der wiederum Arbeitgeber Banken, der Schweizerischer Bankpersonalverband sowie der Kaufmännische Verband stehen. Aus Sicht von Burkhardt wird das neue Angebot wesentlich zur Arbeitsmarktfähigkeit von Angestellten im Operations-Bereich beitragen. «Wer die Ausbildung durchlaufen hat, bekommt nicht nur ein Zertifikat, wie in anderen Ausbildungen, sondern gleich auch noch den Zugang zum Arbeitsmarkt einer anderen Branche».
Goldener Käfig oder Neuanfang?
Die Arbeitsmarktfähigkeit und ein breiteres Portefeuille an Kompetenzen seien heute tendenziell wertvoller als der Lohn. Denn diesbezüglich werden Wechselwillige wohl Abstriche machen müssen. Doch der gut bezahlte Bankjob könne auch ein «goldener Käfig» sein, gibt Burkhardt zu bedenken. Der Pilot soll nun aber mit Bankangestellten starten, die sich bereits im Outplacement befinden und deshalb gefordert sind, etwas Neues zu finden.
Und ganz ohne Aufwand ist der Wechsel von der Bank an die Werkbank nicht zu haben. Burkhardt rechnet mit etwa acht Wochen, in denen die Berufsleute etwa 60 Prozent der Arbeitszeit für die Ausbildung aufwenden müssen. Die Kosten für die Abklärung der Ausbildungseignung und für das Bildungsprogramm zum Quereinstieg, das die Bankerinnen und Banker durchlaufen würden, belaufen sich auf rund 8‘000 Franken.