Nachdem die Schweizer Banken-CEOs aus dem Homeoffice ihre Grüsse schicken durften, stellte sich finews.ch die Frage: Ist «Work from Home» tatsächlich die Arbeitsweise der Zukunft? Chefredaktor Peter Hody hat angesichts seines Tagesablaufs so seine Zweifel.

6:15 Uhr – Der grösste Vorteil des Homeoffice ist auch sein Nachteil: Man verliert keine Zeit mit dem Hin- und Herpendeln zwischen zu Hause und der finews-Redaktion, so dass man mehr und länger arbeiten kann.

Zugegeben: Dafür kann ich am morgen auch etwas länger schlafen. Das ist besonders beim Frühdienst nützlich, den ich heute gefasst habe.

Sonst alles wie gehabt. Duschen und anziehen wie an jedem normalen Arbeitstag. Einziger Unterschied: Ich begebe mich barfuss ins Homeoffice, komme da sehr rasch an und bin ebenso rasch eingerichtet.

6:45  Der Computer läuft warm und ich schalte die erste Story auf, sichte die E-Mails, die über Nacht reingekommen sind, checke die Nachrichtenlage und trinke ein paar Schlücke Tee.

7:00 Die ersten Pressemitteilungen laufen rein, ich schreibe ein oder zwei Meldungen.

Das Haus erwacht langsam, ich höre Geräusche aus den Schlafzimmern.

Die Türe zu «meinem» Büro ist noch offen. «Meinem»? Es ist gar nicht meins, meine Frau hat es für mich geräumt. Solidarität in Zeiten von Corona. «Noch offen»? In der Redaktion bleibt meine Türe immer offen. Im Homeoffice, das man in einem Haushalt mit Kindern führen muss, ist das schlicht nicht möglich.

7:40 Mein kleiner Sohn will seine Morgenmilch, das ist mein Job. Ich schaue nach dem Älteren – er schläft noch. Home Schooling beginnt nicht vor 8:30 Uhr – so viel Freiheit muss sein.

8:00 Alle sind wach. Die Kinder kommen ins Büro: «Papi, was machsch Du? Muesch Du schaffe?» Die Türe ist immer noch offen.

8:45 Ich bereite mich auf die Videokonferenz mit der Redaktion (Bild oben) vor: Die Minuten davor sind dicht gedrängt. Multitasking in Zeiten des Homeoffice: Newslage checken, Ideen prüfen, die Kinder anziehen – da braucht es öfters ziemliche Überredungskunst – und Frühstück vorbereiten. Das Ganze erfolgt teilweise einhändig, in der anderen Hand ist das Telefon, ein Presseverantwortlicher ist mit der Berichterstattung nicht ganz zufrieden.

Ich mache mir jetzt einen Kaffee und esse ein Müesli am Computer – das ist nicht anders als sonst.

Sonst ist hingegen vieles anders, denn die Routine, pünktlich am Bahnhof zu stehen, in der S-Bahn sich kontemplativ auf den Tag vorzubereiten und auf der Redaktion erstmal die Kaffeemaschine anzuwerfen: Das alles entfällt.

Stattdessen steht man im Homeoffice jeden Tag mitten im unberechenbaren Leben, im Familienleben nämlich.

9:00 Die Videokonferenz mit der gesamten finews-Redaktion steht an. Diese Sitzung ist jeweils der wichtigste Termin des Tages. Wir besprechen nicht nur laufende Themen, geplante Stories und den Tagesablauf, wir sprechen auch über Befindlichkeiten, erzählen die jüngsten Anekdoten aus dem Reporter-Alltag, diskutieren spezifische Vorgänge in einzelnen Banken, grössere Entwicklungen in der Finanzindustrie – vielfach kommen so Ideen für Artikel zustande.

Seit bald vier Wochen findet diese Konferenz nun über Video statt. finews.ch ist eine digitale Gemeinschaft.

Ich gebe die Einladung zur Zoom-Konferenz über Slack ein.

Nach und nach erscheinen die einzelnen Gesichter unseres Teams. Zunächst sind wir alle Pantomimen, dann funktioniert auch der Ton bei allen.

Die Videokonferenz zeigt auf, was einer Redaktion, die aus dem Homeoffice arbeitet, mitunter am meisten fehlt: der direkte Austausch zu Themen und Recherchen, die Zurufe, das gegenseitige unkomplizierte Aushelfen etc.

Immerhin: Die Besprechungen sind diszipliniert. Keiner will dem anderen ins Wort fallen, man lässt einander ausreden.

Dazwischen muss ich vielleicht mal «muten», der Geräuschpegel mit den Kindern steigt zeitweise an, obwohl die Türe zu meinem «Büro» nun zu ist.

9:45 Ich hole die unterdrückten Anrufe während der Sitzung nach, je nach Dringlichkeit versuchen dieselben Personen, meist sind es PR-Verantwortliche oder Pressesprecher, es innerhalb von wenigen Minuten gleich mehrmals.

10.00 Ich widme mich meinen Stories für den Tag. Alle paar Minuten erklingt das Slack-typische Tiktok, das mir eine Nachricht eines Redaktionskollegen /-kollegin ankündigt: Artikel sind zum Gegenlesen bereit, Fragen zu Infos oder Kontakten werden gestellt, Inputs geliefert.

Slack und Zoom, das sind Werkzeuge, die wir vorher nie benutzt haben. Jetzt sind sie in Fleisch und Blut übergegangen. Das Homeoffice beweist auch finews.ch, was fixe Studienautoren schon nach dem zweiten Tag des Lockdown herausgefunden haben: Der Corona-Lockdown beschleunigt die digitale Adoption!

10.30 Ich vermisse meinen bequemen «Chefstuhl» mit Arm- und verstellbarer Rückenlehne. Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal.