Seit Anfang Jahr ist der Unzenpreis einen Viertel gefallen: Ausverkauf oder Zeit für Schnäppchen? Edelmetall-Experte Peter Sigg von LGT Capital Management nimmt Stellung.

Herr Sigg, der Goldpreis kannte in den letzten Tagen und Wochen nur eine Richtung: Talwärts. Wer sind die Verkäufer?

Wie beim letzten Kurssturz im April treten vor allem institutionelle Anleger als Verkäufer auf. Die Aussagen von US-Notenbankchef Ben Bernanke über die Verlangsamung der Anleihenankäufe, ein stärkerer Dollar, höhere Zinsen und eine Aufhellung der wirtschaftlichen Aktivität in den USA haben zu Abgaben geführt.


Zuflüsse von drei Jahren erodiert


Die Bestände der physisch hinterlegten Gold ETFs haben nun das Niveau von Mitte 2010 erreicht. Somit sind die gesamten Zuflüsse der vergangenen drei Jahre erodiert worden. Ausserdem haben einige trading-orientierte Anleger und Hedge Funds Gold verkauft, die mehrheitlich auf den klar negativen Trend setzten. Man bezeichnet sie als trendfollowers.

Wo Verkäufer sind, gibt es auch immer Käufer. Wer kauft derzeit Gold?

Auch auf der Käuferseite gibt es gewisse Parallelen zum Kurssturz im April, da wiederum viele Privatanleger als Käufer von Münzen und Goldbarren auftreten. Die grössten Aktivitäten kommen diesbezüglich aus China, Indien und den USA. Die Volumen sind jedoch etwas kleiner als im April, da viele Anleger bereits die letzte Möglichkeit im April als Kaufgelegenheit genutzt haben und diese Nachfrage daher teilweise erschöpft ist.

Gibt es auch positive Treiber für den Goldpreis im momentanen Umfeld?

Eine Verschlechterung der makroökonomischen Situation in den USA kann wieder zu einer Rückkehr zur bisherigen Politik der US-Notenbank führen, die sich dann wieder in höheren Anleihenankäufen und tieferen Zinsen niederschlägt.


Das Negative aus positiver Sicht


Zudem können Bedenken über die Fiskalsituation in den USA und Debatten über die Schuldenobergrenze erneut Druck auf den US-Dollar ausüben, was das Gold beflügeln sollte. Als Contrarian-Indikator kann angeführt werden, dass die spekulativen Positionen an den Gold-Futures-Märkten auf einem Dreijahrestief sind und in den vergangenen Monaten eine massive Liquidation von Goldbeständen stattgefunden hat.

Und welches sind Faktoren, die den Goldpreis weiter negativ beeinflussen könnten?

Sicherlich sind das negative Sentiment auf Edelmetalle und die weiterhin starken Outflows aus den ETFs starke Preistreiber. Zusätzlich führen die zurzeit anziehenden Zinsen zu höheren Opportunitätskosten von Goldinvestitionen. Im Falle steigender Zinsen ziehen Investoren so genannte «productive assets» vor, die ein regelmässiges Einkommen liefern. Sie verkaufen so genannte «hard assets» wie Gold, die dies nicht bieten können.

Höhere Steuern in Indien und eine schwächer tendierende Rupie führen darüber hinaus zu geringeren physischen Zukäufen aus dem indischen Markt. Zudem bleibt das technische Bild des Goldpreischarts weiterhin angeschlagen.

Viele Analysten, so beispielsweise jüngst auch solche der UBS und von Goldman Sachs, revidieren ihre Prognosen nach unten. Das verheisst wenig Gutes für Gold-Optimisten.

Aufgrund der veränderten markoökonomischen Situation in den USA und der leichten Aufhellung der Euro-Schuldenkrise haben sich die Fundamentaldaten für Gold verschlechtert.


Ein guter Contrarian-Indikator: Ein zu homogener Konsens


Unserer Meinung nach spiegeln die Anpassungen nach unten aber eine zu negative Sicht, die einen breit etablierten Marktkonsens unter den Analysten repräsentiert. Ist dieser Konsens zu homogen, kann dies als guter Contrarian-Indikator verwendet werden, der auf eine gewisse Stabilisierung im Goldpreis hindeuten kann.

Die Gretchenfrage: Lohnt es sich, immer noch Gold zu halten?

Gold macht aus unserer Sicht in einem privaten sowie in einem institutionellen Portfolio nach wie vor Sinn. Denkt man in Szenarien, kann man erkennen, dass es einige makroökonomische Szenarien gibt, in denen Gold gut rentiert und das Vermögen gegen Inflation, Wertverluste von Papierwährungen oder Kursverluste in anderen Anlagen schützen kann.

Die Eigenschaften von Gold als Diversifikationsquelle und Realwert, ohne Ausfall- und Gegenparteirisiko, betrachten wir als sehr wertvoll, um bestehendes Vermögen in Krisenszenarien zu bewahren.

Täuscht der Eindruck, dass der langfristige Bullenmarkt für Gold vorbei ist?

Zweifellos hat sich der langfristige Aufwärtstrend der vergangenen zwölf Jahre im Goldpreis deutlich abgeflacht. Durch den Anstieg der Zinsen sehen wir jedoch mittel- bis langfristig wieder eine Verschärfung der Refinanzierungssituation von überschuldeten Staaten wie die USA, Europa und Japan.


Viele Probleme harren weiter einer Lösung


Hinzu kommt das Wiederaufflammen der Debatte um Sparbemühungen, Haushaltskonsolidierungen, Schuldenobergrenzen und einer möglichen Aufspaltung des Euro-Währungsraumes. Die Schuldenprobleme, die im Jahr 2011 und 2012 stets intensiv diskutiert wurden, sind weiterhin ungelöst und werden uns in Zukunft wieder beschäftigen.

Und wie schätzen Sie den Goldpreis auf mittlere Sicht ein?

Die genannten negativen und positiven Faktoren halten sich aus unserer Sicht etwa die Waage. Wir sind jedoch klar der Meinung, dass das Sentiment und der Marktkonsens nun zu homogen und zu negativ sind, so dass wir von einer Stabilisierung des Preises ausgehen und durchaus Aufwärtspotential sehen.

Vor rund zwei Wochen hat auch der Commodity Club eine Umfrage unter Rohstoffexperten durchgeführt, die im Durchschnitt einen Goldpreis von 1478 Dollar bis Ende 2013 erwarten.

Details zur Umfrage (Commodity Club Gold Trophy) finden Sie unter: http://www.commodityclub.ch/gold-trophy.php


Peter Sigg2Peter Sigg stiess 2007 zu LGT Capital Management und leitet dort den Bereich Commodity Products. Zuvor war er für die Credit Suisse und AXA Winterthur Asset Management in der Funktion eines Quantitative Portfolio Managers tätig. Peter Sigg ist Gründer und Präsident des in Zürich domizilierten Commodity Club.