Seine Mutter hat als Stewardess die Welt bereist und fand, man müsse hinaus gehen. Diesen Rat hat Jan Stiller befolgt. Trotzdem ist er zurückgekehrt und leitet in seiner Heimat bereits seit zehn Jahren den Lenkerhof. So weiss er auch, wie man dort ein perfektes Wochenende verbringt.
Herr Stiller, warum sind Sie Hotelier geworden?
Meine Eltern führten das Bergrestaurant «Bühlberg», das heute zum Lenkerhof gehört. Mir war schon als Kind klar, dass mir das ebenfalls Spass machen würde. Deshalb habe ich mich zum Kaufmann HGT (Hotel, Gastro, Tourismus) ausbilden lassen: zwei Jahre Schule und ein Jahr Praktikum im «Ermitage» in Schönried.
Danach ging ich in die Hotelfachschule und arbeitete gleichzeitig im «Beatus» in Merligen. Schliesslich schloss ich das Nachdiplomstudium als Eidg. Dipl. Hotelmanager ab.
Wie sind Sie zu Ihrem heutigen Job gekommen?
Das war sozusagen eine Bieridee: Während des Nachdiplomstudiums hielt Roland Berger ein Referat. Danach sassen wir in der Hotelbar zusammen. Berger war Verwaltungsratspräsident des Lenkerhofs. Ich arbeitete damals im Hotel zum Storchen in Zürich.
Eines Abends rief Berger an und machte mir ein Angebot: «Der Lenkerhof wird frei.» Ich war 31 Jahre alt und fragte mich, ob ich mir zutraute, ein grosses, renommiertes Fünfsternhotel zu führen. Jetzt bin ich zehn Jahre hier.
Verraten Sie uns fünf Gründe, was Ihr Haus aussergewöhnlich macht?
Als unser Eigentümer Jürg Opprecht das Hotel im Dezember 2002 eröffnete, war es zuvor zwei Jahre geschlossen gewesen, ein veraltetes, vernachlässigtes Kurhotel. Opprecht formulierte seine Visionen als Leitbild, das bis heute gilt. Es handelt von den Beziehungen zwischen Menschen: zwischen Mitarbeitenden und Gästen, zwischen Mitarbeitenden und Lieferanten, zwischen Mitarbeitenden untereinander.
Die Idee war und ist, hinten im Simmental ein unkompliziertes, lockeres Fünfstern-Hotel zu betreiben. Wir haben fast nur Zimmer gegen Süden, mit Sicht auf die unglaubliche Bergkette des Wildstrubels. Und wir haben die uralte Schwefelquelle mit dem stärksten Schwefelwasser im alpinen Raum wieder aktiviert.
Was war das Verrückteste, was Sie in Ihrem Berufsalltag erlebt haben?
An einem Silvester tropfte Wasser in eine Suite, weil die Dachrinne verstopft war. Die Mitarbeiter waren alle voll beschäftigt. Also stieg der Direktor in Smoking und Lackschuhen aufs Dach, um den Ablauf freizumachen.
Wie definieren Sie Gastfreundschaft?
Wir bieten einen massgeschneiderten Service und holen die Ansprüche der Gäste ab. Wir haben zum Beispiel einen Gast, der uns eine dreiseitige Beschreibung abliefert darüber, wie sein Zimmer arrangiert werden muss. Er will immer im selben «alten» Bett schlafen, also stellen wir ihm dieses ins Zimmer. Er will denselben alten Tisch wie immer.
Aber weil er drei bis vier Mal im Jahr zwei bis drei Wochen bei uns verbringt, kennen wir seine Wünsche genau und können diese erfüllen. Jürg Opprecht meint: «Wir sind nicht perfekt; es reicht, wenn wir exzellent sind.» Wenn der Gast dieses Gefühl bekommt, dann haben wir es geschafft.
Welche VIPs durften Sie als Hotelier schon begrüssen?
Wir beherbergen Bundesräte, Industrielle, Leute aus der Showbranche. Aber es ist der Grundsatz Nummer eines des Hoteliers, nicht über seine Gäste zu reden.
Was bietet Ihr Hotel für ein «perfektes Wochenende» zu zweit?
Ganz einfach: Essen, Trinken, Baden (Bild oben). Möglich sind sportliche Aktivitäten und Naturgenuss. Wir tragen Gastfreundschaft und Herzlichkeit bei. Bei uns gibt es kein Etepetete und kein Schaulaufen.
Wie haben sich die Gästebedürfnisse verändert, seit Sie Hotelier geworden sind?
Es ist alles extrem viel kurzfristiger geworden. Heute will der Gast aus dem Moment heraus annullieren, neu buchen, Buchungen ändern. Dann hat die Digitalisierung einen unglaublichen Sprung gemacht.
Und auch die Personalsuche hat sich total verändert: Früher konnten wir Stellenanwärter auswählen; heute müssen wir ein eigentliches Marketing betreiben, um fähige Leute anzuwerben.
Wohin entwickelt sich die Gastronomie im Hotel?
Früher hatten Hotel-Restaurants einen schlechten Ruf; heute finden sich viele der besten Restaurants in Hotels. Denn in der absoluten Top-Gastronomie können nur wenige bestehen, ohne von einem Hotel getragen oder sonst wie gesponsert zu werden. Auch unsere Restaurants arbeiten nicht kostendeckend, sind aber ein USP für unseren Betrieb.
Die Bedürfnisse der Gäste sind sehr unterschiedlich: Sie wollen vielleicht an einem Abend quer durch die Karte bestellen und am nächsten nur ein Tatar an der Bar essen. Und heute hat sicher die Hälfte der Gäste Sonderwünsche. Deshalb deklarieren wir sogar im Bergrestaurant «Bühlberg», was Gluten-frei oder Laktose-frei ist, vegetarisch oder sogar vegan.
Worauf achten Sie beim täglichen Gang durchs Hotel?
Immer am Sonntagnachmittag gehe ich durchs Haus und in jedes Zimmer. Wenn etwas nicht stimmt, mache ich ein Foto und schicke es dem Abteilungsleiter. Ich betrachte das Haus aus der Gästesicht, und ich finde immer etwas: ein Stäubchen, eine Schramme.
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeitenden?
Ich übe eine Vorbildfunktion aus und halte mich an Devisen wie Fairness und Transparenz. Jeder hilft den anderen. Wenn nötig, machen alle alles.
Ich habe zum Beispiel das Büro des Küchenchefs frisch gestrichen. Oder der Chef und die Chefin parken die Autos der ankommenden Gäste. Zudem haben wir jedes Jahr ein Motto, zum Beispiel «Aufbruch», «Agilität» oder «Miteinander, füreinander.»
Was ist Ihr Geheimtipp in der näheren Umgebung?
Unser Spa heisst «7sources» nach den Quellen der Simme am Fuss des Wildstrubels, die «Siebenbrunnen» genannt werden. Diese Quellen und die Simmenfälle sind eine kleine Wanderung wert.
Was war der beste Ratschlag Ihrer Eltern?
Meine Mutter hat als Stewardess die Welt bereist und fand, man müsse unbedingt hinausgehen. Ich habe das bis zu einem gewissen Grad befolgt und war unter anderem in Kanada und in den USA. Was mich die Eltern ebenfalls gelehrt haben: Ehrlichkeit und Integrität.
Jan-Andreas Stiller ist seit zehn Jahren Direktor im 5-Sterne-Superior Resort Lenkerhof Gourmet Spa an der Lenk im Simmental. Das Haus ist Mitglied der Vereinigung Relais & Châteaux, bietet 83 Zimmer und Suiten an sowie eine Wohlfühl-Oase. Der Lenkerhof blickt auf eine über 300-jährige Badetradition zurück: Im Jahr 1689 bewilligten die Behörden an dieser Stelle einen «Schwäfelbrunnen an der Länk». Die Schwefelquelle wird noch heute genutzt, integriert in einen 2'000 Quadratmeter grossen Spa- und Wellnessbereich. Zudem aatraktiv: Das Restaurant Spettacolo mit 16 Gault-Millau-Punkten, dessen Küchenchef Stefan Lünse 2019 von der «Bilanz» zum Hotelkoch des Jahres gewählt wurde, sowie das mediterrane Oh de Vie.
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