Ist die Wende an den Märkten temporär? Oder beginnt jetzt ein Bärenmarkt? Skeptiker Nouriel Roubini macht uns jedenfalls auf holprige Zeiten gefasst.
Nouriel Roubini widmet sich in einem neuen Aufsatz dem Graben zwischen Wall Street und Main Street, oder auf deutsch: Es geht um die Frage, wie sehr (und warum) sich die Finanz- und die Realwirtschaft abgekoppelt haben.
Denn auf der einen Seite sei die weltwirtschaftliche Lage schwach, nicht nur in Japan oder Europa: Selbst in den USA ist das Wachstum mittelmässig, und inzwischen bewiesen auch die Schwellenländer, dass sie nichts tun können gegen eine wirtschaftliche Abkühlung.
Auf der anderen Seite sichtet der bekannte Ökonom aus New York drei Gründe, weshalb die Finanzmärkte bislang nach oben peilten:
- Erstens wirkten gefürchtete Tail Risks gebändigt – also bestimmte Grossgefahren, die das ganze System ins Trudeln bringen könnten (Aufbrechen der Eurozone, Fiskal Cliff in den USA, Krieg zwischen Israel und Iran).
- Zweitens kursierten Hoffnungen, dass die wirtschaftlichen Daten im zweiten Halbjahr besser werden und dass sogar Europa langsam Boden finden möge.
- Drittens führen die Notenbanken ihre lockere Geld- und Zinspolitik fort.
Was, wenn die Hoffnungen enttäuscht werden?
Die Gefahren sind für Roubini also offensichtlich: Sollten die realwirtschaftlichen Daten in nächster Zeit die Hoffnungen nicht erfüllen, dann wird dies die Finanzmärkte abwärts treiben. Und über allem hängt die Aussicht, dass einzelne Zentralbanken – zumal das Fed – die Zügel anziehen.
Ist die Trendwende der letzten Tage also temporär oder der Beginn eines Bärenmarktes? Laut Roubini hängt das von einer ganzen Reihe von Faktoren ab:
- Ob das Fed das Quantitative-Easing-Programm so bald beendet, wie Ben Bernanke dies angedeutet hat;
- wie sehr die anderen Notenbanken noch auf billiges Geld setzen;
- wie die Politik in den Emerging Markets auf die jüngsten Daten reagiert;
- ob sich Europa jetzt dann langsam stabilisiert;
- ob die Spannungen im Nahen Osten unter Kontrolle gehalten werden können.
Viele Fragen – die in Nouriel Roubinis Augen vor allem eines andeuten: dass eine neue Phase der Unsicherheit begonnen hat, mit unsteten Märkten und einer holprigen Wirtschaftsentwicklung. «Ein breiterer Risikoabbau-Zyklus für die Finanzmärkte könnte anstehen», vermutet Roubini.