Für sogenannte High Potentials verläuft die Karriere steiler als für andere. Wer zu dieser Gruppe gehört, entscheidet nicht nur der Arbeitgeber: Sie haben es weitgehend selbst in der Hand. 


Von Stephan Surber


Der Kampf um Fachkräfte in einem kandidatengetriebenen Markt führt dazu, dass Mitarbeitende früher denn je für Jobs identifiziert werden, die zum Teil noch nicht einmal existieren. Dies schafft Herausforderungen und Chancen für beide Seiten. Für diejenigen, die sich selbst als Teil der Elite sehen – und für Führungskräfte in den Bereichen Business und Human Resources.

Die zentrale Herausforderung ist, sogenannte High Potentials, also Personen mit hohem beruflichen Entwicklungspotenzial, korrekt zu identifizieren. Zudem sollen diese den Sprung vom blossen «Potenzial» zur vollwertigen Führungskraft schaffen.

Was genau ist ein High Potential?

Menschen mit hohem Entwicklungspotenzial machen in jeder Organisation etwa 3 bis 5 Prozent der Belegschaft aus. Sie erbringen in unterschiedlichsten Situationen konstant erheblich bessere Leistungen als ihre Kollegen. Zudem zeigen sie eine ausgeprägte Fähigkeit, sich im Verlauf ihrer Karriere schneller und effizienter zu entwickeln als andere Mitarbeitende.

Es gibt allerdings keine Garantie dafür, auf der High-Potential-Liste zu bleiben und – nicht alle so Klassierten werden zu Führungspersonen. Viele werden wieder von der Liste genommen, andere treffen diese Entscheidung selbst, weil sie nicht in der Lage sind, das nötige Engagement aufzubringen.

Bereitschaft zum Opfer

Deshalb ist es wichtig, sich zu überlegen, warum Sie auf der Liste stehen wollen, und ob Sie bereit sind, die notwendigen Opfer zu bringen. Beispielsweise ist die Entwicklung von High Potentials oft mit der Übernahme von Aufgaben an verschiedenen Orten sowie mit umfangreichen Reisen verbunden.

Dennoch wollen viele Fachkräfte vorankommen und sind bereit, den Preis hierfür zu zahlen. Wie schafft man es, als High Potential identifiziert zu werden und die entsprechenden Erwartungen zu erfüllen? Dazu fünf wichtige Schritte:

1. Teamwork

Liefern Sie starke Ergebnisse ab und bleiben Sie glaubhaft. Resultate zählen. Wenn sie allerdings auf Kosten der Kollegen erzielt werden, dann fehlt Ihnen wahrscheinlich die Unterstützung, um langfristig als High Potential zu gelten.

Je attraktiver die Zusammenarbeit mit Ihnen ist, desto eher wird man Sie als High Potential sehen. Eine integrative Arbeitsweise mit einem diplomatischen Ansatz führt im Allgemeinen zu den besten Ergebnissen.

2. Lehrer und Vorbild

Wie Sie sich verhalten, ist wichtig. Obwohl Sie durch Ihre Leistung schon früh in Ihrer Karriere auffallen und befördert werden, ist es Ihr Verhalten, durch das Sie als High Potential auf dem Radar bleiben. Herausragende Fähigkeiten verlieren nie wirklich an Bedeutung, aber sie werden zu einer Selbstverständlichkeit.

Denn von Ihnen wird erwartet, dass Sie sich in Rollen, in denen Sie mit einer grösseren Anzahl von Anspruchsgruppen zu tun haben, auszeichnen. Im Wesentlichen müssen Sie zeigen, dass Sie sich von einem Manager zu einer effektiven Führungskraft entwickeln können, die in der Lage ist, leistungsstarke Teams aufzubauen, zu halten und weiterzuentwickeln. Dazu gehört in der Regel, sowohl Lehrer als auch Vorbild zu sein und zu wissen, wann man loslassen und sich vor Mikro-Management hüten muss.

3. Wissensdurst und Beweglichkeit

Entwickeln Sie stetig neue Fähigkeiten. Nutzen Sie jede Möglichkeit, Neues zu lernen und dies zum Vorteil für die Organisation zu machen. High Potentials haben in der Regel die Fähigkeit, neue Erkenntnisse schnell in Verbesserungen für das Unternehmen und das Endergebnis umzumünzen – zum Beispiel, indem sie aufgrund verbesserter Analysen bessere Prozesse, Dienstleistungen und Ergebnisse generieren.

Deshalb nutzen einige Unternehmen Post-Merger-Integrationen, Wachstumsinitiativen oder Restrukturierungen, um High Potentials zu stärken und solche zu identifizieren, die noch nicht auf der Liste stehen. Change Management und die Geschwindigkeit, mit der sich jemand neue Fähigkeiten sowie Verhaltens- und Arbeitsweisen aneignet, sind eine zentrale Signale für die Identifikation von High Potentials.

4. Gute Informationen

Bauen Sie Ihr Netzwerk aus. High Potentials scheinen ein Händchen dafür zu haben, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Tatsächlich investieren sie jedoch Zeit in den Auf- und Ausbau ihres Netzwerks in der gesamten Organisation und erfahren dadurch früh von sich bietenden Chancen.

So hörte beispielsweise eine in der Vermögensverwaltung tätige High-Potential-Kundin von Michael Page Executive über ihr internes Netzwerk von einer Übernahme, die die Bank plante. Die in Singapur arbeitende Frau verabredete ein Treffen mit dem Direktor der Privatbank, um die Möglichkeit zu erörtern, das Projekt in London zu leiten. Seine Antwort? «Ich habe mich schon gefragt, wem ich diese Aufgabe anvertrauen soll. Könnten Sie auch noch den Nahen Osten übernehmen?»

5. Proaktives Verhalten

Zeigen Sie, dass Sie das Zeug dazu haben. Warten Sie nicht darauf, von den Human Resources auf die High-Potential-Liste eingeladen zu werden. Sprechen Sie mit Ihrer oder Ihrem Vorgesetzten darüber, was Sie tun müssen, um auf die Liste zu kommen – und gegebenenfalls über notwendige Verfeinerungen, die Sie vornehmen müssen.

Tun Sie das auch dann, wenn das Unternehmen die Liste grundsätzlich geheim hält. Dadurch stellen Sie nicht nur Ihren Ehrgeiz unter Beweis, sondern hinterfragen auch Vorurteile und andere potentielle Mängel im Prozess der High-Potential-Erkennung. Regelmässige Erwartungsmanagement-Sitzungen zur Abdeckung kurzfristiger Meilensteine können helfen, Sie auf den richtigen Weg zu bringen.

High Potentials müssen ihre Manager herausfordern. Deshalb ist es wichtig, die Ziele Ihrer Vorgesetzten zu kennen: Je besser Sie über die Prioritäten Ihres Chefs im Bilde sind, desto besser können Sie Ihre eigene Karriere steuern.

Warten Sie nicht!

Unsere Erfahrung und unsere Forschung haben gezeigt, dass führende Organisationen eine Kombination von Massnahmen nutzen, um sicherzustellen, dass sie zwischen hoher Leistung und hohem Potenzial unterscheiden. Neben einer beständigen und nachhaltigen Leistung berücksichtigen sie die Fähigkeit der Kandidaten, sich verschiedenen Umständen anzupassen, und stellen sicher, dass sie die richtige Übereinstimmung zwischen ihrer Persönlichkeit und ihren Rollen finden.

Wenn Sie gebeten werden, kompetenzbasierte Interviews, Persönlichkeitsbeurteilungen sowie auf Fallstudien basierende Präsentationen und Rollenspiele durchzuführen, dann nimmt die Organisation die Identifizierung von High Potentials höchstwahrscheinlich ernst. Unabhängig von den vorhandenen Instrumenten sollten Sie jedoch nicht zuwarten.

Handeln Sie jetzt, wenn Sie glauben, ein High Potential zu sein.


Stephan Surber ist Senior Partner bei der in der Personalvermittlung tätigen Page Gruppe. Seine ersten Karriereschritte hatte er im Jahr 2000 bei der Axa-Vorgängerfirma Winterthur Versicherungen unternommen. Nach fünf Jahren im Asset Management wechselte er zu Page, wo er den Bereich Banking & Financial Services in der Schweiz für Page Executive aufbaute. Heute ist er für diesen Bereich in ganz Europa zuständig.