Übrigens: Da schwelt noch eine Eurokrise. Ökonom Nouriel Roubini meldet sich zu Wort – und erinnert daran, dass Europa seine Probleme derzeit vielleicht verdrängt, aber nicht verarbeitet hat.

Der deutsche Wahlkampf bremst vielleicht die Diskussion, die Syrienkrise lenkt ab – aber die wahren Probleme Europas dürften bald schon wieder aufbrechen.

Diesen Eindruck verschafft ein Gespräch mit Nouriel Roubini, dem New Yorker Ökonomieprofessor und Chef der Beratungsfirma Roubini Global Economics. Am Rande des Ambrosetti Forums am Comersee kommentierte er für «Bloomberg» die Lage in Europa – und seine Einschätzung fiel im Grundsatz so trübe aus wie von Roubini gewohnt. 

Es habe zwar Verbesserungen gegeben, aber immer noch steckten fünf der sieben EU-Peripherie-Länder in einer Rezession; und auch Italien und Spanien schafften es kaum über die Null-Prozent-Marke.

«Die grundsätzlichen Probleme der Eurozone wurden nicht gelöst», so der Doom-Prophet aus New York. Europas Potentialwachstum bleibe tief, denn bei den Reformen gehe es nicht vorwärts, die Konkurrenzfähigkeit kaum verbessert – und so fehle der Erholung die Kraft.

Dynamisch sind nur die Schulden

Dynamisch seien lediglich die öffentlichen Schulden. Positiv sei immerhin, so Roubinis tröstliche Einschränkung, dass einige grosse Klumpenrisiken deutlich geringer wurden – zum Beispiel ein Grexit. Oder dass Spanien und Italien den Zugang zu den Finanzmärkten verlieren könnten.

Aber die fundamentalen Probleme der Eurozone-Peripherie bestehen fort. Roubini illustrierte dies, darauf angesprochen, mit dem Beispiel Italien: Dort wackelt die Regierung Letta schon wieder, es könnte noch dieses Jahr erneut zu Wahlen kommen. Und so seien die Chancen, dass das Land die nötigen Strukturreformen angeht, zwangsläufig gering. Ähnliches gelte auch für den Rest der Peripherie-Länder.

Die beiden Müdigkeiten

Insgesamt erfasste Roubini Europas politische Spannungen mit dem Satz: «Es gibt eine Austeritäts-Müdigkeit in der Peripherie und eine Bailout-Müdigkeit in den Kernländern.»

 

Auch die weltwirtschaftliche Lage, wie von Nouriel Roubini geschildert, erscheint als fragil – keine gute Stütze für europäische Wackelwirtschaften. In Amerika rede man zwar viel über die anziehenden Kräfte, aber wenn man auf die Daten schaue, sei das Bild gemischt. Die US-Wirtschaft entwickle sich unter Trend und unter Potential.

Und bei den Schwellenländern würden derzeit diverse Makro-Schwächen aufbrechen – zu hohe Leistungsbilanzdefizite, Inflationsgefahren, soziale Unruhe. Höhere Ölpreise seien in dieser Lage das Letzte, was man brauchen könne, so Roubini in Anspielung auf die Syrienkrise.

Die Erholung ist sehr fragil

Zwar liessen sich Fortschritte gegenüber Emerging-Markets-Krisen früherer Jahre registrieren – die Währungen sind flexibler, grosse Staaten haben gewisse Kriegskassen an Reserven. Dass die Schwellenländer zum Zentrum einer schweren Krise werden, sei weniger zu erwarten; aber einige dieser Länder könnten zumindest in eine noch schlechtere Lage geraten, als sie bereits eingetreten ist.

Das weltwirtschaftliche Bild, das Nouriel Roubini in diesen frühen Septembertagen zeichnet, ist also gemischt: Insgesamt sei die Lage besser als vor einem Jahr – aber wir haben es bloss mit einer sehr fragilen Erholung zu tun.