Die Münze. Sie liegt in der Hälfte der Fälle richtig – der Aktienguru nicht so oft. Dies zeigt eine Langzeit-Untersuchung. Sie bringt auch Prominente wie Marc Faber oder Jeremy Grantham in Not.
Wir vertreten hier ja die Ansicht, dass es durchaus sinnvoll ist, bekannten Anlagegurus zuzuhören – aber nur, weil sie Ideen-Futter liefern. Denken muss man dann schon selber.
Diese Haltung wird jetzt quasi wissenschaftlich erhärtet: CXO Advisory, ein Investmentberatungs-Unternehmen aus der Gegend von Washington, hat untersucht, was dran ist an den Prophezeihungen der weitherum bekannten Anlageexperten.
Die Antwort: Wenig. Wenn Sie genauer wissen wollen, wohin die Wirtschaft und die Märkte driften, dann werfen sie besser eine Münze.
Eine erschütternde Behauptung? Sie steht immerhin auf einem beträchtlichen Datenberg. CXO untersuchte 6584 öffentliche Vorhersagen, die 68 Experten zwischen 2005 und 2012 abgegeben hatten. Geprüft wurden bekannte «Gurus» wie Marc Faber oder Ken Fisher oder Jim Rogers – nicht aber Geldmanager wie Warren Buffett, George Soros oder Ray Dalio. Und auch nicht Uni-Ökonomen wie Nouriel Roubini oder Robert Shiller.
Die Prüflings-Gurus lagen über den gesamten Zeitraum zu knapp 47 Prozent richtig mit ihren Tipps. Entsprechend landete auch die grösste Gruppe in diesem Bereich: Bei 13 Aktienpropheten entpuppten sich die Prognosen zu 44–48 Prozent als korrekt. Nur fünf Analytiker schafften es, in rund zwei Drittel aller Fälle richtig zu liegen.
Das Problem zeigt sich auch in der Verteilung: Das Bild erinnert fatal an die bekannte Glockenkurve – also an das Muster, das man ja aus der Zufallsverteilung kennt…
CXO prüfte dabei Aussagen über amerikanische Aktien, und als Messlatte nahmen die Tester einfach den S&P-500-Index. Ein Problem dabei war natürlich, dass es Unklarheiten gibt: Gurus sagen zwar oft, ob man Aktien kaufen soll (und welche Titel sich empfehlen), aber seltener, wann man sie wieder verkaufen soll (und welche Titel zuerst raus müssen). Doch solche Probleme ging CXO Advisory auf verschiedene Arten an – etwa indem man den üblichen Anlagehorizont eines Experten anlegte. Oder indem man allzu unklare Aussagen als 50:50-Werte aussonderte (hier die Angaben zur Methodik).
Überrascht das Ergebnis? Kaum. Man hat ja schon oft den Banken vorgeworfen, dass ihre Analysten es kaum je schaffen, einen Schimpansen respektive einen Zufallsgenerator zu schlagen. Aber bemerkenswert ist hier schon, dass ähnliches offenbar auch für Experten gilt, die alle schon durch spektakulär korrekte Prognosen auffielen.
Wer war wirklich erfolgreich?
Der erfolgreichste Tippgeber war David Nassar von «Marketwise» (er hat sich allerdings inzwischen zurückgezogen): 68 Prozent seiner Aktienkauf-Ratschläge entwickelten sich besser als der S&P 500. Über die 60-Prozent-Marke kamen auch Jack Schannep («The Dow Theory»), Ken Fisher («Forbes», Ken Fisher Investments), David Dreman (Dreman Value Management) sowie James Oberweis (Oberweis Securities).
Die in unserer Gegend bekannten Figuren – abgesehen von Ken Fisher – landeten bestenfalls im Mittelfeld: Doug Kass, Jeremy Grantham oder CNBC-Prophet Jim Cramer lagen alle im Bereich der berühmten 47-Prozent-Marke. Abby Joseph Cohen von Goldman Sachs machte sogar nur in 35 Prozent der Fälle gute Prognosen.
Und das gilt auch für Marc Faber: Der Thailand-Schweizer gab in jenen Jahren 154 konkrete öffentliche Aussagen zum US-Aktienmarkt ab – und lag dabei in 47,0 Prozent aller Fälle richtig.
Also völlig im Durchschnitt.
«Wie hätte ich denn je 100 Millionen verdienen können?»
Natürlich meldeten die Betroffenen und Getesteten teilweise auch Protest an. Jim Cramer zum Beispiel schrieb an CXO Advisory einen bitterböses Mail: «Wenn ich so schlecht wäre, wie Ihre Daten zeigen – wäre ich dann je fähig gewesen, 100 Millionen Dollar mit eigenen Investments zu verdienen?» Er, beispielsweise, rate ständig zu denselben Aktien – etwa Apple, Cisco, Goldman Sachs –, und das tue er seit langem. Und mit Erfolg. Aber solche Tipps würden dann in solchen Tests nur einmal aufscheinen.
Es stimmt ja schon: So verlockend es ist, Propheten nachzukontrollieren, so unpräzise muss dieser Test ausfallen. Fairerweise erinnern die CXO-Tester selber daran, dass Gurus nur schon wegen ihrer Position ein Problem mit der Akkuratesse haben: Weil sie immer auch Beachtung suchen, neigen sie dazu, mit eher waghalsigen und spektakulären Prognosen an die Öffentlichkeit zu treten.
Aber auch das kann die entscheidende Erkenntnis nicht verdrängen: Was wir erhalten, ist «Food for Thought» – doch nur ein sehr trüber Blick in die Zukunft.