Seit Jahrzehnten zahlen die Banken immer etwas besser. Doch nun werden sie von branchenfremder Konkurrenz beim Lohn ausgestochen – und aufstrebende Talente haben neue Wünsche.

Als auf der Höhe der Corona-Krise junge Investmentbanker den Aufstand wagten, reagierte die Branche mit dem gewohnten Reflex: Die Rebellen wurden mit Geld abgespiesen – nicht zuletzt bei den Schweizer Banken. So sorgte die Credit Suisse (CS) im vergangenen März mit einer «Lifestyle-Pauschale» von 20’000 Dollar für ihre Investmentbank-Angestellten für Aufsehen.

Es dürfte ein letztes Aufbäumen diesbezüglich gewesen sein. Denn schon damals erklärten desillusionierte Jungbanker, dass sie keine zehn Pferde länger an ihrem Arbeitsplatz halten würden; mittlerweile suchen selbst renommierte Wall-Street-Häuser händeringend nach neuen Arbeitskräften, um die Reihen in ihren Investmentbank-Abteilungen zu schliessen.

Moment entwaffnender Ehrlichkeit

Dies räumte auch Jane Fraser, die Chefin der US-Grossbank Citigroup, jüngst an einer Analystenkonferenz in einem Moment von entwaffnender Ehrlichkeit ein: Ein neues, von den Marktbeobachtern kritisch begutachtetes Bonus-Programm suchte sie damit zu rechtfertigen, weil der Stellenmarkt komplett ausgetrocknet sei.

Doch wie sich für die Banken zeigt, zieht der Wink mit dem Scheckbuch nicht mehr, weder in den USA noch in der Schweiz. «Mit dem Gehalt zu locken, das funktioniert heute nicht mehr so wie zuvor», sagte Stephan Surber, Leiter des Kadervermittlers Page Executive, jüngst zu finews.ch. Denn für die Top-Profile zahlten die grossen Tech-Firmen sowie die Pharmabranche hierzulande bisweilen viel mehr, betonte er.

«Geh zur Bank, da haben sie immer Geld», hatte man dem jungen Oswald Grübel noch geraten, der später zum Chef der CS und der UBS aufsteigen sollte. Doch heutzutage lassen es die  Technologie-Konzerne gar nicht mehr darauf ankommen: Sie holen sich auch in der Schweiz die vielsprechendsten Talente direkt von der Hochschule.

150'000 Franken Einstiegsgehalt

Ein ETH-Absolvent, der als Software-Entwickler bei Google Zürich einsteigt, erhalte einen Einstiegslohn von 120’000 bis 150’000 Franken, berichtete die Zeitung «Tages-Anzeiger» (Artikel bezahlpflichtig) dieser Tage. Die IT ist jener Bereich, in dem auch die Banken in den vergangenen Monaten die meisten Stellen geschaffen haben und dies auch weiter zu tun gedenken – sie treten damit gegen Google, Zalando & Co an.

Doch es nicht allein der Lohnwettbewerb, bei dem den Bank-Personalern nun ein kalter Wind ins Gesicht schlägt. Immer mehr zeichnet sich ab, dass gut ausgebildete Berufseinsteiger nicht mehr mit den gängigen Anreizen zu ködern sind. Die Corona-Pandemie, welche die Angestellten zwangsweise von ihrem angestammten Arbeitsplatz im Büro trennte, hat diesbezüglich wie eine Zäsur gewirkt.

Loyalität erodiert

«Der Corona-Lockdown hat das tägliche Hamsterrad unterbrochen, und manch einer hat sich in dieser Zeit vertieft Gedanken zu seiner Karriere gemacht», beobachtete Headhunter Surber.

Jüngst schlug auch die Beratungsfirma Oliver Wyman Alarm. In einer im vergangenen September im Rahmen einer weltweiten Konsumenten-Befragung durchgeführten Erhebung gelangten die Berater zum Schluss, dass die Loyalität zum Arbeitgeber während der Corona-Krise markant erodiert sei. Traumatische Erfahrungen mit dem Virus und der anhaltend hohe Stress hätten dazu geführt, dass sich die Angestellten auf ihre Grundbedürfnisse besinnen würden: Bei der Stellenwahl seien nun Gesundheit und Sicherheit entscheidende Faktoren, hiess es.

Mit Zoom auf dem Sprung

Lohnerhöhungen sind zwar laut der Analyse weiterhin der Hauptgrund, warum gerade junge Arbeitnehmer ihren Job quittieren. Höhere Flexibilität, die viel bemühte Work-Life-Balance, aber auch der Mangel an Sinn und Erfüllung bei der Arbeit sind ebenfalls wichtige Treiber für eine Kündigung.

Rund 40 Prozent der von Oliver Wyman befragten Arbeitnehmer haben kürzlich den Job gewechselt oder sind auf dem Sprung. In den USA, wo das Phänomen besonders ausgeprägt ist, schreiben Zeitungen wie die «Washington Post» bereits von der «Great Resignation», der grossen Kündigungswelle.

Auch hier hat die Corona-Krise entgrenzend gewirkt. Dank monatelanger Übung im Homeoffice ist die Zoom-Sitzung nun im Nu aufgesetzt, um mit einem potenziellen Arbeitgeber in Kontakt zu treten. «Diese Möglichkeit wird nun weiterhin fleissig genutzt, wie wir beobachten», berichtete auch Stellenvermittler Surber.