Frauen sind in den Verwaltungsräten von grossen Schweizer Finanzunternehmen häufiger anzutreffen als andernorts bei hiesigen Multis. Diese Vorbilder spornen mehr an als die Erfolgsmessung, die weiterhin schwierig bleibt.
Die Förderung von Frauenkarrieren ist in vielen Schweizer Unternehmen in den letzten Jahren zu einer Dauerthema geworden. Die Wirtschaft sucht aufgrund des Fachkräftemangels und der zunehmenden Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge händeringend nach gut ausgebildeten Fachkräften, zu denen die Frauen häufig gehören.
Umgarnt werden Frauen auch, weil sich in den vielen weiterhin männlich dominierten Unternehmen die Überzeugung durchgesetzt hat, dass geschlechterdurchmischte Teams erfolgreicher sein können.
Die viel gepriesene Diversität ist allerdings nur dann glaubhaft, wenn die Geschlechterdurchmischung in den Chefetagen vorgelebt wird.
Druck aus der Politik
Auch deshalb hat in der Schweiz der Gesetzgeber die Frauenvertretung in grossen börsenkotierten Unternehmen etwas angestupst. Nach Übergangsfristen müssen diese Unternehmen in der Schweiz einen Frauenanteil von 30 Prozent im Verwaltungsrat (ab 2026) und 20 Prozent in der Geschäftsleitung (ab 2031) vorweisen.
Werden die Richtwerte nicht eingehalten, müssen im Vergütungsbericht die Gründe angegeben und Massnahmen zur Verbesserung genannt werden.
SMI-Unternehmen fast am Ziel
Die Bestrebungen zur Frauenförderung kommen in den grossen Schweizer Unternehmen langsam, aber stetig voran, wie die jüngste Verwaltungsratsstudie des Personalberaters Russell Reynolds vom Dienstag vorrechnet.
Auf der Stufe Verwaltungsrat das Soll fast erfüllt haben demnach jene 20 börsenkotierten Unternehmen, die im Schweizer Bluechip-Index SMI vertreten sind.
Derzeit liegen 18 Börsen-Schwergewichte über dem gesetzlichen Schwellenwert, nachdem im Vorjahr noch 15 Unternehmen die Vorgaben erreicht haben.
Wegfall von CS fällt ins Gewicht
Knapp unter der Schwelle liegt Givaudan (29 Prozent). Den Richtwert im SMI ebenfalls verpasst hat Kühne + Nagel (22 Prozent). Das Logistikunternehmen ersetzt die Credit Suisse, dessen Verwaltungsrat vor dem Untergang und der Übernahme durch die Konkurrentin UBS pikanterweise mehrheitlich mit Frauen besetzt gewesen war.
Kritiker warfen dem gescheiterten CS-Verwaltungsrat denn auch vor, dass er zu stark auf oberflächliche Diversität statt auf die Fähigkeiten der einzelnen Personen gesetzt habe.
Vorbildhafte Finanzbranche
Im Schnitt liegt der Frauenanteil bei den SMI-Verwaltungsräten gemäss der Zählung von Russell Reynolds bei 34,4 Prozent, gegenüber 34,3 Prozent im Vorjahr.
Trotz Wegfall der CS können sich die Unternehmen aus der Finanzbranche mit einem besonders hohen Frauenanteil von 37,6 Prozent im obersten Aufsichtsgremium vergleichsweise sehen lassen.
Auch bei den Neuwahlen wurden vier der zehn neu gewählten Verwaltungsrätinnen für die Finanzbranche rekrutiert. Neu hinzugestossen sind die CSS-Chefin Philomena Colatrella (Swiss Life), die Boston-Consulting-Partnerin Pia Tischhauser (Swiss Re), die Britin Vanessa Lau (Swiss Re) sowie die ehemalige operationelle Chefin (COO) der französischen Grossbank Société Générale, Gaëlle Olivier bei der Zuger Partners Group.
International im Hintertreffen
Im internationalen Vergleich kann sich die Schweiz gemäss der Untersuchung indessen nicht sonderlich rühmen. Gemessen am Frauenanteil sind die SMI-Unternehmen hinter Schweden, Spanien, Finnland und Deutschland zurückgefallen.
Einen eigentlichen Quantensprung massen die Studienautoren im 2022, als die SMI-Firmen beim Frauenanteil um 4,6 Prozentpunkte zulegten. Jetzt stehen die börsenkotierten Unternehmen aus Frankreich (45,3 Prozent), Norwegen (43,2 Prozent) und Italien (42,6 Prozent) an der Spitze.
Komplizierte Messung
Die akademische Welt streitet sich seit langem, ob sich Vielfalt auf die finanzielle Leistung eines Unternehmens auswirkt. Dabei zeigen viele Untersuchungen nur schwache Korrelationen. Der Nachweis eines Kausalzusammenhangs ist sogar noch kaum je erbracht worden.
Forscher erklären dies unter anderem damit, dass die Untersuchungen zu eng auf «Diversity» ausgerichtet und die Aspekte «Equity» (Gleichheit) und «Inclusion» (Inklusion) ausgespart werden.
Eine Frage der Perspektive
Eine vom Corporate Governance Forum der Universität Harvard veröffentlichte Studie hat unlängst aufgrund von Mitarbeiterbefragungen eine Bewertung gemacht, der diese drei Kriterien zugrunde lagen. Daraus konnte ein qualitativer «DEI-Wert» abgeleitet werden.
In dieser Studie zeigte sich, dass höhere DEI-Werte mit einer besseren finanziellen Leistung korrelierten, während eine Konzentration auf soziodemografische Diversity allein dafür nicht ausreichten.
Vielfalt scheint also dann von Erfolg gekrönt, wenn sie über die Geschlechterfrage hinaus umfassend verstanden wird.