Die Weinregion Südtirol ist die nördlichste Italiens. Einst durch banale Massenware wie Kalterersee und St. Magdalener nachhaltig beschädigt, floriert sie heute aufs Neue, wie finews.ch-Weinredaktor Artur K. Vogel feststellen konnte – eine Feldforschung zwischen Wein und Religion.
Von Artur K. Vogel, finews.ch-Reiseredaktor
Wir sind in Italien, was man sich in diesem Fall aber permanent in Erinnerung rufen muss. Denn alles hier wirkt österreichisch. Fast zwei Drittel der Bevölkerung reden deutsch. Wir sind über den Brenner nach Südtirol gekommen und legen jetzt in der Region Sterzing einen ersten Halt ein, um das Schloss Wolfsthurn zu bewundern.
Dabei handelt es sich um eine imposante Anlage auf einem Hügel in der Gemeinde Ratschings. Wolfsthurn ist das einzige Barockschloss in Südtirol. Einen Besuch wert ist es auch für Outdoor-Aktivisten: Im ersten Stock ist das Landesmuseum für Jagd und Fischerei untergebracht, während die Räume im zweiten Stock von der Geschichte des Schlosses erzählen.
Wein und Religion
Das Eisacktal (Bild oben) mit der Stadt Brixen oder Bressanone, rund 45 Kilometer nordöstlich von Bozen, hat ein eigenes, kleineres Weinbaugebiet. Das Klima hier ist etwas rauer als in den grossen Weinbaugebieten südlich von Bozen, und es werden vor allem Weissweine angebaut.
Wichtigste Sorten sind Müller-Thurgau (auch RieslingXSylvaner genannt), Kerner (eine Kreuzung von Riesling mit dem aus dem Südtirol stammenden, roten Trollinger oder Vernatsch) und Gewürztraminer. Zwischen Brixen und Neustift (Novacella) gibt es auch einen Weinwanderweg.
Brixen selber wurde jahrhundertelang von Fürstbischöfen regiert. Das ist noch heute an jeder Ecke sichtbar. In der Altstadt befinden sich die barocke Kathedrale mit angrenzendem Kreuzgang, der mit üppigen Fresken aus dem 14. und 15. Jahrhundert bemalt ist. Berühmt ist die Hofburg, der Sitz der ehemaligen Fürstbischöfe, die Ende des 16. Jahrhunderts einen prächtigen Innenhof mit Arkadenbögen auf allen vier Seiten erhielt.
Abgehoben residieren
Nur fünf Gehminuten von der Hofburg entfernt kann man im Hotel Elephant, einem Viersternehaus, in historischem Ambiente nächtigen und auf höchstem Niveau tafeln: Sein Restaurant Apostelstube, eingerichtet im Stil des Art Déco, wird vom Guide Michelin mit einem Stern, von Gault&Millau mit 16,5 Punkten bewertet.
Im wahrsten Sinne abgehoben hingegen residiert man im Forestis Dolomites (Bild oben) in den Wäldern oberhalb von Brixen auf fast 1'800 Meter. Das Fünfsternehaus mit seiner spektakulären, modernen, aber in die Landschaft integrierten und von dieser inspirierten Architektur entstand rund um ein altes, hölzernes, denkmalgeschütztes Kurhaus aus den 1920er-Jahren.
Hier herrscht absolute Ruhe. Jede der 62 Suiten, das Spa mit zwei Pools und das stufenförmig angelegte Restaurant bieten überwältigende Ausblicke auf die zerklüfteten Dolomiten-Gipfel.
Durch banale Massenware beschädigt
Auf dem Weg vom Eisacktal hinunter nach Bozen oder Bolzano, der Südtiroler Landeshauptstadt mit gut 100.000 Einwohnern, legt man einen Halt bei der Trostburg oberhalb der Ortschaft Waidbruck ein. Die mächtige Anlage, deren älteste Teile aus dem 12. Jahrhundert stammen, wesentliche Elemente jedoch aus der Renaissance, ist ausserordentlich gut erhalten. Das Südtiroler Burgenmuseum befindet sich im Gebäude.
Die Weinregion Südtirol (Bild oben) ist die nördlichste Italiens und mit 5'400 Hektar – vergleichbar mit der Anbaufläche im Wallis – auch eine der kleinsten. Doch das Renommee der Südtiroler Weine, einst durch banale Massenware wie Kalterersee und St. Magdalener nachhaltig beschädigt, verhält sich heute genau umgekehrt proportional zur Grösse.
In der nördlichsten Weinregion des Landes sind rund 20 Traubensorten zugelassen. Da findet sich für jeden Geschmack der passende Wein.
Zwiespältiger Ruf
Neben internationalen Varietäten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Pinot noir, Chardonnay und Sauvignon blanc bietet Südtirol eine Reihe einheimischer, sogenannt autochthoner Sorten wie Lagrein, Vernatsch und Gewürztraminer. Während Lagrein kraftvolle, füllige Weine ergibt, sind Vernatsch-Weine frisch und eher leicht.
Sie waren in der Vergangenheit für den zwiespältigen Ruf der Südtiroler Gewächse verantwortlich. Doch jüngere Winzerinnen und Winzer haben die Qualität drastisch verbessert. Bei den Weissen trumpft man mit dem Gewürztraminer auf, der angeblich aus dem Ort Tramin (Bild oben) stammt, wo er seit tausend Jahren nachgewiesen ist. Allerdings beanspruchen auch die Elsässer das Copyright. So oder so ist der Traminer ein würziger, nach Rosen duftender Tropfen für Liebhaber.
Entlang der Weinstrasse
Am besten erlebt und verkostet man den Südtiroler Wein entlang der Weinstrasse zwischen Nals im Norden von Bozen und Salurn. Die Weinstrasse führt durch eine sanfte Hügellandschaft mit milden Temperaturen bis in den Spätherbst, durch 16 malerische Dörfer und vorbei an Weinkellereien, Höfen, Schlössern und Seen. Viele Kellereien organisieren Degustationen und Kellerbesichtigungen.
Architektonisch besonders reizvoll ist die Kellerei Tramin, ein futuristisches Gebäude, dessen grüne Metallkonstruktion ein Glasgebäude scheinbar zusammenhält. Das mehr als 400-jährige Weingut Manincor in St. Joseph in der Geminde Kaltern ist wohl das bekannteste an der Weinstrasse.
Italienischer als andere
Das Weingebiet kann man leicht von Bozen aus besuchen. Die Stadt wirkt «italienischer» als andere in Südtirol, animiert zum Flanieren, Shoppen und Einkehren. Das Fünfsterne-Hotel Castel Hörtenberg im gleichnamigen Stadtschloss bietet Reisenden ein historisches, sorgfältig konserviertes Ambiente mitten in der Stadt mit Park und Pool.
Ein weiteres Schlosshotel, Schloss Paschbach, befindet sich in Eppan (Bild oben) an der Weinstrasse. Der Bau aus dem späten Mittelalter wurde Ende des 19. Jahrhunderts im Stil der Romantik umgebaut. Es ist in bestem Zustand und im Inneren weitgehend im ursprünglichen Zustand erhalten. Schloss Paschbach ist keine Luxusunterkunft, aber die heutige Eigentümerfamilie Zanghi betreibt im Schloss ein sympathisches Bed and Breakfast.
Merans mediterranes Flair
Von Bozen reisen wir wieder Richtung Norden nach Meran, das sich die «nördlichste Stadt Südeuropas» nennt. Es hilft, dass die Stadt in einer Art Amphitheater liegt, auf drei Seiten durch hohe Berge abgeschirmt, gegen Süden offen. Das sorgt für ein mildes Klima, in welchem Zitrusbäume und Palmen gedeihen.
Die Stadt zog schon seit langem Prominenz aus dem Norden an: Nachdem Kaiserin Sissi hier 1870 erstmals zur Kur war, mutierte Meran zum Nobelkurort, wovon Promenaden und prächtige Jugendstilbauten zeugen, während unter den jahrhundertealten Lauben italienische Läden zum Shoppen verführen.
Neugotischer Prunkbau
Ein Schloss in Meran, das besucht werden sollte, ist Trauttmansdorff. Das Gebäude selber ist ein neugotischer Prunkbau aus dem 19. Jahrhundert. Heute befindet sich hier das Landesmuseum für Tourismus. Aufsehenerregender sind die im abfallenden Gelände auf Stufen angelegten botanischen Gärten, eine unüberschaubare Sammlung von Blumen, Sträuchern und Bäumen aus aller Welt, angelegt in 80 Themenbereiche.
Ein gewaltiges Bauwerk hoch auf einem Hügel wenige Kilometer ausserhalb Merans heisst Schloss Tirol. Das bauliche Monument mit Anfängen im 11. Jahrhundert ist die Stammburg der Grafen von Tirol und hat einer grossen Region den Namen verliehen, wobei diese seit Ende des Erstens Weltkriegs auf zwei verschiedene Länder aufgeteilt ist: Österreich im Norden der Alpen, Italien im Süden. Für Geschichtsinteressierte erzählt das Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte im Schloss die bewegte Geschichte Tirols von den Anfängen bis heute.
Gediegen nächtigen
Ganz in der Nähe des Schlosses Tirol kann man im Hotel Patrizia (Bild oben) sehr gediegen nächtigen. Das Viersterne-Superior-Haus bietet eine traumhafte Aussicht, grosse, elegante Zimmer, Wellness und Spa, Pools und eine vorzügliche Küche. Natürlich fehlt es in und um Meran nicht an weiteren Luxusherbergen. Das Hotel Castel Fragsburg, das kleinste 5-Sterne-Hotel Südtirols, gehört zur Vereinigung Relais & Châteaux und steht in einem 50'000 Quadratmeter grossen Park unterhalb des dazugehörigen Schlosses.
Im Ristorante Prezioso wird eine exzellente regionale Küche aufgetischt, bewertet mit einem Michelin-Stern und 16,5 Punkten bei Gault & Millau. In Hafling, rund 15 Kilometer von Meran entfernt, bietet das Fünfsterne-Chalet Mirabell spektakuläre, moderne, aber sorgfältig in die Landschaft integrierte Architektur. Von Meran fahren wir zurück in die Schweiz, diesmal durch das Val Müstair und über den Ofenpass – den Kopf voller Schlösser und den Kofferraum voller Wein. (TC)