Der viel beachtete Starökonom traut den Rekordständen an den Börsen nicht. Umso mehr, als Nouriel Roubini Schwarze Schwäne heranschwimmen sieht.

Der amerikanische Leitindex Dow Jones steht derzeit so hoch wie nie zuvor. Gleiches gilt für den Deutschen Aktienindex DAX, der beflügelt vom Wahlausgang in Frankreich Rekordstände erklimmt. Selbst der defensive Schweizer Bluechip-Zähler SMI rückt näher an die alte Bestmarke von gut 9’500 Punkten vom Juni 2007.

Investoren schwelgen in Sicherheit

Der vielbeachtete amerikanische Starökonom Nouriel Roubini reibt sich verwundert die Augen über so viel Euphorie an den Finanzmärkten. Denn seinen Einschätzungen zufolge tragen die Investoren dem plötzlichen Auftauchen von so genannter Schwarzen Schwänen – nach ihrem «Erfinder» Nassim Nichloas Taleb zufolge unvorhergesehene Grossrisiken – zu wenig Rechnung, wie er in einem kürzlich publizierten Artikel des Medienhauses «Projetct Syndicate» warnte.

Roubini hat folgende potentielle Schwarze Schwäne erspäht:

1. Handelskriege

Mit dem Wahlsieg von Emmanuel Macron zum 25. Präsidenten der französischen Republik haben sich nationalistische Bewegungen nicht einfach in Luft aufgelöst. Es drohen weiterhin Handelskriege und protektionistische Massnahmen, erklärt der Berater des internationalen Währungsfonds.

2. Agressor Russland

Zu wenig Beachtung in der Finanzgemeinde findet laut Roubini auch das aggressive Verhalten Russlands gegenüber dem Baltikum, dem Balkan, der Ukraine und Syrien.

3. Explosive Mischung im Nahen Osten

Pulverfässer seien auch Staaten im Nahen Osten, die zu zerbrechen drohen, also zu «failed states» werden, erklärt der in der Türkei geborene Roubini. Es sind dies der Irak, Yemen, Libyen oder Libanon. Angespannt bleibe auch die Lage im Stellvertreterkrieg zwischen Saudiarabien und Iran.

4. Nordkorea vs. USA

Die Konfrontationskurs der USA mit dem Regime in Nordkorea könnte sich laut dem Professor ebenfalls als Schwarzer Schwan entpuppen. So könnte Nordkorea der fatalen Versuchung erliegen, einen nuklearen Anschlag auf die südkoreanische Hauptstadt Seoul zu verüben, wo die Hälfte der Landesbevölkerung lebt. Doch diese Gefahr werde bislang von den Finanzmärkten «happily» ignoriert, stellt Roubini fest.

5. China macht sich breit

Die Volksrepublik hält verbissen an ihren territorialen Ansprüchen fest. Derzeit hegt China Anspruch auf Gebiete von nicht weniger als acht Nachbarstaaten. Und die USA sind für viele von diesen die Schutzmacht.

Angstbarometer auf Tiefstand

Angesichts dieser Gefahren sollte die Angst an den Finanzmärkten eigentlich mit den Händen greifbar sein. Stattdessen liegt das Angstbarometer, der bekannte Volatilitätsindex VIX, so tief wie seit 1993 nicht mehr.

Roubini erklärt sich die Sorglosigkeit der Investoren unter anderem damit, dass es bislang trotzt all den schwelenden geopolitischen Brandherden zu keinem ernsthaften Konflikt gekommen ist und auch nicht zu einer Unterversorgung mit Öl und Gas.

Das Problem ist nur: Schwarze Schwäne sind unvorhergesehene Ereignisse, welche wirtschaftlichen Entwicklungen eine entscheidende Wende geben. Wie viel davon wirklich unvorhersehbar und wie viel geschickte Tarnung ist, ist oft schwer zu sagen.