Seit die Schwellenländer taumeln und die Börsenkurse in den USA bereits markant gestiegen sind, richten viele Anleger ihren Blick auf Europa. Lohnt sich ein Einstieg?
Europa, sagt Tilmann Galler (Bild oben), Marktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, schwanke zwischen Makro-Herausforderungen und Mikro-Chancen (vgl. nachstehende Grafik). Tatsächlich habe sich das wirtschaftliche Umfeld in den vergangenen sechs Monaten erheblich aufgehellt, doch damit seien die grossen Probleme noch lange nicht gelöst.
Positiv vermerkt Galler indessen, dass einige europäische Peripherie-Staaten wirtschaftlich wieder auf die Beine kämen – namentlich Spanien, Griechenland oder Irland. Das nehme einen gewissen Druck aus der Eurozone und schaffe gute Voraussetzungen für ein wachsendes Investoren-Vertrauen sowie für das Bestreben, die latenten Probleme zu lösen.
Das zeigt sich nicht zuletzt auch an den monatlichen Zahlen im Einkaufs-Manager-Index, der sich deutlich aufgehellt hat. «Unter diesen Prämissen hat die Euro-Krise markant an Schärfe verloren», stellt Tilmann Galler fest.
Aus Anlegersicht sei wichtig, zu wissen, dass die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) noch auf Jahre hinaus locker bleiben werde – alles andere würde eine Erholung innerhalb der EU nachhaltig beeinträchtigen, so der Experte von J.P. Morgan Asset Management weiter.
Gleichzeitig weist Galler darauf hin, dass viele Unternehmen durchaus erfolgreich wirtschaften würden, was nicht zuletzt die Hausse in den vergangenen Monaten an den europäischen Börsen erkläre. Doch lohnt sich jetzt noch ein Einstieg?
Ja, sagt Galler, gemessen an den wichtigsten finanztechnischen Kennzahlen – etwa am durchschnittlichen Kurs-/Gewinn-Verhältnis von 12,9 – seien europäische Aktien noch «leicht günstig» (vgl. nachstehende Grafik). Entsprechend komme der Wahl der richtigen Einzeltitel – also dem Stock-Picking – eine umso grössere Bedeutung zu.
Zudem weist der J.P. Morgan-Experte auch ausdrücklich darauf hin, dass kleinkapitalisierte Werte wesentlich besser abschneiden würden als so genannte «large caps», also Titel mit einer grossen Börsenkapitalisierung.
«Small Caps werden weniger analysiert als grosse Werte, dadurch lassen sich Entdeckungen machen», sagt Galler und: «Small Caps wachsen stärker, und sie sind nach wie vor attraktiv bewertet.»
Als Beispiele nennt er die Aktien von Wirecard, Yoox, Kingspan, Trigano, Gamesa und Geox. In Griechenland die Discount-Supermärkte Jumbo. Im Schweizer Aktienuniversum empfiehlt er die Firma Temenos – Entwicklerin von Bankensoftware, wegen der vielen regulatorischen Veränderungen – sowie der Winterthurer Anbieter von Textilmaschinen und -komponenten Rieter.
Alles in allem sind die Auguren von J.P. Morgan Asset Management überzeugt, dass der Gesamtmarkt im laufenden Jahr sich eher zurückhaltend entwickeln werde, aber Einzeltitel überdurchschnittliche Wertsteigerungen erreichen dürften. Galler empfiehlt insbesondere auch, bei gut laufenden Werten durchaus geduldig zu bleiben respektive nicht zu früh Gewinne zu realisieren.