Auch der neue europäische Rettungsschirm ist voller Löcher. Walter Wittmann zeigt, dass die Euro-Krise so nicht gelöst wird – und wo der Ausweg wäre.


WalterWittmann.quadratWalter Wittmann ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg. Unter anderem veröffentlichte er 2007 «Der nächste Crash kommt bestimmt», in dem er die späteren Ereignisse vorwegnahm. Im Frühjahr 2010 erschien das prophetische «Staatsbankrott», und letzten Februar veröffentlichte er «Superkrise», ein Sachbuch über die Schwere der laufenden Krise.


Am 8. Oktober wurde der permanente Eurokrisenfonds ESM in Kraft gesetzt. Er ist sozusagen der Nachfolger des provisorischen Eurorettungs-Schirms, der im Mai 2010 eingerichtet worden war. Daran waren der Internationale Währungsfonds IMF und die EU-Länder beteiligt.

Die erste Hilfe floss damals an Griechenland, das in Zahlungsnot geraten war. Man ging davon aus, dass es sich um einen Einzelfall handle.

Aber wenig später folgten Irland und Portugal. Als zudem absehbar wurde, dass Spanien in Not geraten könnte, und als plötzlich auch Italien als nicht mehr ganz sicher galt, wurde klar: Der Eurorettungsschirm reicht nicht mehr aus, um dem Ansturm stand zu halten.

Ein Rettungsschirm, der so stark von Italien abhängt?

Daher wurde am 8. Dezember beschlossen, den «Europäischen Stabilitätsmechanismus» ESM zu schaffen. Der ESM hat ein gezeichnetes Kapital von 700 Milliarden Euro. Seine maximale Kreditvergabekapazität erreicht 500 Milliarden Euro. Zur Anwendung können folgende Einsätze gelangen: Die Gewährung von Darlehen, die Zeichnung von neu emittierten Anleihen sowie Interventionen am Anleihemarkt – insbesondere der Ankauf von problematischen Anleihen. Hinzu kommt eine vorsorgliche Finanzhilfe.

Es wurde zudem die Möglichkeit geschaffen, Darlehen zur Rekapitalisierung von Banken zu gewähren. Diese laufen über den Staat, also beispielsweise – um das derzeit brennendste Beispiel zu nennen – über Spanien.

Die wichtigsten Beiträge an den ESM und die entsprechende Haftung verteilen sich wie folgt:

  • 1. Deutschland mit 27,1464 Prozent
  • 2. Frankreich mit 20,3859 Prozent
  • 3. Italien mit 17,9137 Prozent.

Diese drei grössten Länder verfügen über ein Vetorecht. An vierter Stelle rangiert Spanien mit 11,9032 Prozent. Und es folgen gestaffelt die übrigen Euro-Länder – darunter auch Portugal und Griechenland.

Erhält ein Land ESM-Hilfe, so haftet es weiterhin. Gläubigerstaaten müssen im Falle von Zahlungsschwierigkeiten zuerst den IMF, dann den ESM und dann erst andere Gläubiger bedienen.

Erst 80 von 700 Milliarden sind einbezahlt

Kurz: Der ESM ist mit gravierenden Problemen behaftet. Von den gezeichneten 700 Milliarden Euro wurden erst 80 Milliarden einbezahlt. Zudem entfallen entscheidende Positionen auf Problemländer – beispielsweise 125 Milliarden Euro auf Italien und 83 Milliarden auf Spanien. Beide sind aktuell nicht in der Lage, derartigen Verpflichtungen nachzukommen; ausfallen werden auch Griechenland, Portugal, Irland, Slowenien oder Zypern.

Der ESM muss sich also verschulden, um diese Lücken zu schliessen. Eine Kapitalerhöhung scheidet realistischerweise aus. So wird also der Weg der Verschuldung fortgesetzt – und letztlich wird die Europäische Zentralbank einspringen. Dies hat ja auch schon begonnen. Die EZB kauft marode Anleihen auf und überflutet die Wirtschaft mit Liquidität »ab der Notenpresse«.

Wohin das führt, lehrt uns die Geschichte: Inflation, später Hyperinflation. Den krönenden Abschluss der Spirale bildet dann jeweils eine Währungsreform.

Was wäre also die Alternative?

Laut dem Vertrag von Maastricht dürfte kein EU-Land für die Schulden eines anderen einspringen («No-Bailout-Klausel»). Entsprechend käme nur ein geordneter Schuldenabbau in Frage – mit einem Insolvenzverfahren. Dabei würden Schulden in einem Ausmass erlassen, dass sie auf ein tragbares Niveau sinken. Der Rest wird über 20 bis 30 Jahre verlängert, mit fixen, niedrigen Zinsen.

Tatsächlich müssten also Banken (und andere), die Anleihen gekauft und Kredite gewährt haben, dabei Abschreiber verbuchen. Doch dies entspricht dem marktwirtschaftlichen Verursacherprinzip.

Und entsprechend würden sie sich auch künftig zurückhalten – sie hätten nach dieser Lektion jedes Interesse, keine Überschuldung mehr zu vermöglichen.

Wichtig wäre dabei allerdings auch, die Credit Default Swaps CDS – also Versicherungen auf Anleihen oder Krediten – zu verbieten. Und die EZB dürfte künftig keine maroden Anleihen mehr kaufen.