«Wir hinterfragen unsere branchenorientierten Aktivitäten inhaltlich laufend», betont Markus Bürgi vom Swiss Finance Institute im Interview mit finews.ch. So würden auch Themen wie Artificial Intelligence, Digital Payments und Sustainable Investing ins Bildungsangebot einfliessen


Herr Bürgi, im Verlauf der vergangenen zwei Jahre haben sich die Arbeitsmodelle in der Schweizer Finanzbranche enorm verändert. Kehren wir nun zum Courant normal zurück?

Die Pandemiezeit hat gezeigt, dass flexible Arbeitsmodelle gut funktionieren und einen Mehrwert sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber schaffen können. Es zeichnet sich bereits ab, dass sie in verschiedenen Arbeitsbereichen beibehalten werden. Das ist der neue Courant normal.

Welches sind aus Ihrer Sicht die grössten Veränderungen in den Arbeitsmodellen der Beschäftigten in der Schweizer Finanzbranche?

Die vergangenen zwei Jahre haben bestehende Entwicklungen in den Bereichen Homework und flexible Arbeitszeiten noch einmal stark beflügelt – nicht nur in der Finanzindustrie.

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Wie nachhaltig diese Veränderungen mittelfristig tatsächlich sind, dürfte aber auch mit rechtlich-regulatorischen Vorgaben zusammenhängen. Persönlich hoffe ich sehr, dass der Rechtsrahmen Schritt halten kann mit dem aktuellen Zeitgeist und damit attraktive Arbeitsmodelle etabliert werden können.

Unter jungen Leuten hat haben die Berufe im Bankwesen deutlich an Ansehen verloren. Stellen Sie als Vertreter des SFI diese Entwicklung ebenfalls in irgendeiner Weise fest?

Ich nehme das nicht so wahr: Die Finanzindustrie durchlebt unter anderem aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung eine tiefgreifende Transformation. Das zeigt sich beispielsweise auch an der neu ausgerichteten Banklehre, die gerade eingeführt wird.

Die damit verbundene, neue Dynamik im klassischen «Banking» stösst, soweit ich feststelle, bei jungen Menschen auf einen grossen Anklang. Eine Bankausbildung geniesst nach wie vor grosses Ansehen.

Sind klassische Bankangestellte eine aussterbende Gattung?

Wenn Sie den klassischen Bankangestellten mit dem – notabene seit langer Zeit überholten – Stereotyp von mürrischen, unflexiblen und emotionslosen Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfern gleichsetzen, ist die Antwort ja.

In einer fragilen und immer mehr unvorhersehbaren Welt wird die Aus- und Weiterbildung noch wichtiger. Welche Themen sind in den vergangenen zwei Jahren in den Stoff Ihrer dozierenden Professoren eingeflossen?

Die Technologisierung unserer Gesellschaft sowie Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit machen bekanntermassen auch vor der Bankenwelt nicht halt.

«Mit dem SFI spielt die Schweiz in der globalen Spitzenliga»

Themen wie Artificial Intelligence, Digital Payments und Sustainable Lending respektive Investing greifen wir in unseren Master Classes gezielt auf. Das heisst aber nicht, dass klassische und nach wie vor ganz zentrale Disziplinen, wie das Risk-Management an Bedeutung verloren hätten.

Welche Veränderungen und Anpassungen oder Erweiterungen haben Sie generell im Verlauf der vergangenen zwölf Monate im SFI vorgenommen?

Wir hinterfragen unsere branchenorientierten Aktivitäten inhaltlich laufend, halten aber am eingeschlagenen Weg, insbesondere an unserem bewährten Master-Class-Konzept, fest. Dabei stehen wir in einem engen und regelmässigen Austausch mit unseren Stakeholdern – den Banken und unseren Master-Class-Absolventen.

Mit welchen Plänen und Prioritäten gehen Sie nun durch das Jahr 2022?

Mit dem Swiss Finance Institute (SFI) spielt die Schweiz im Bereich der Bank- und Finanzforschung seit einigen Jahren zusammen mit Universitäten wie Harvard, Chicago, Stanford oder dem MIT in der globalen Spitzenliga. Dieses Wissenskapital, sei es für die Innovationsförderung oder die Ausbildung künftiger Mitarbeitenden, ist ein wichtiger Pfeiler, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes zu erhalten.

«Wir greifen die sogenannten Megatrends proaktiv auf»

Wir werden deshalb weiterhin den systematischen Austausch zwischen Forschung und Praxis pflegen und fördern. Im Vordergrund bleibt die Thematisierung aktueller Fragestellungen, mit denen sich die Finanzindustrie konfrontiert sieht bzw. die Beantwortung derselben aus einer akademisch abgestützten Optik.

Inwiefern hat die eingeschränkte Reisetätigkeit global Ihre Planung und entsprechend auch Ihr Angebot eingeschränkt?

In der akademischen Welt waren grosse Distanzen noch nie ein Hindernis. Insofern ist es uns in der Pandemie gelungen, unsere Aktivitäten im Bereich der Weiterbildung in kurzer Zeit vollständig zu virtualisieren oder in hybrider Form anzubieten.

Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung sowie Technologie (Blockchain, DeFi, CBDC) nehmen in der Finanzbranche immer mehr Raum ein. Wie reagieren Sie auf diese «Megatrends»?

Wir greifen die sogenannten Megatrends proaktiv auf und nehmen sie sehr zeitnah in unser Master-Class-Angebot auf – letztlich sind unsere industrie-orientierten Aktivitäten genau darauf ausgerichtet.

Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Treiber, welche den Schweizer Finanzplatz in den nächsten zwei Jahren am stärksten beeinflussen werden?

Ich gehe davon aus, dass weiterhin die fortschreitende Digitalisierung, sowohl operativ-intern als auch auf der Kundenseite, sowie in noch steigendem Ausmass die überaus facettenreiche Nachhaltigkeitsthematik zu den bestimmenden Treibern in den kommenden Jahren gehören werden.

Was macht Jobs im Finanzwesen für Einsteiger noch attraktiv?

Ich kann alle Einsteigerinnen und -einsteiger, die ihren beruflichen Weg in der Finanzindustrie gehen wollen, an dieser Stelle nur ermuntern: Sie finden kaum eine Branche, die eine derart grosse Vielfalt an herausfordernden und spannenden Berufsbildern anzubieten hat.


Markus Bürgi ist Chief Financial and Operating Officer am Swiss Finance Institute (SFI). Er besitzt einen Master-Abschluss in Banking & Finance und promovierte in den Bereichen Bankenregulierung, bedingtes Kapital sowie Informationsökonomie an der Universität Zürich. Bevor er seine aktuelle Funktion am SFI wahrnahm, war er für zahlreiche SFI-Aus- und Weiterbildungsangebote verantwortlich und für die UBS in der Fixed-Income-Analyse tätig.