Die Tausenden von Lernenden im Swiss Banking haben es wegen der Coronakrise nicht leicht. Nun sieht die Branche den wichtigen Ausbildungsweg durch ein Revisionswerk massiv gefährdet.
Es sind deutliche Worte, welche der Zürcher Bankenverband (ZBV) – auf nationaler Ebene sekundiert von der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) – zu bevorstehenden Revision der Kaufmännischen Grundbildung äussert. Im schweizweiten Vorhaben «Kaufleute 2022» sieht die Branchen-Lobby «fatale Auswirkungen» für die Banklehre und malt gar deren Ende an die Wand.
«Der Einstieg in die Finanzbranche wird dann über kurz oder lang nur noch über die Mittel- und Hochschulen möglich sein», warnte der ZBV am Montag. Die Branchenverbände stellen in der Folge dringliche Forderungen, um die Reform aus ihrer Sicht zu retten. Eine Verschiebung der aufs Schuljahr 2022/2023 geplanten Einführung sei angezeigt.
Vorwurf der Geheimnistuerei
Der Eklat kommt von aussen her betrachtet überraschend. Denn die Schweizer Banken, die mit rund 3’000 Lehrverhältnissen die drittgrösste KV-Branche bilden, haben die Revision bisher explizit begrüsst. Der ZBV etwa erhoffte sich von «Kaufleute 2022», dass die Reform die künftig erforderlichen «Future Skills» in den Lehrplan integriert: das sei zu begrüssen, erklärte der Verband in einer Auflistung der wichtigsten Rahmenbedingungen fürs Bankfach.
Doch seitdem das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) die von der Schweizerischen Konferenz der kaufmännischen Ausbildungs-und Prüfungsbranchen (SKKAB) erarbeitete Vorlage zur Revision Anfang Jahr zur Stellungnahme veröffentlicht hat, gehen die Emotionen bei den Bankern hoch. Aus ihrer Sicht weist die Vorlage schwerwiegende Mängel auf; als geradezu stossend empfindet der ZBV den Umstand, dass die «frühzeitig eingebrachten» Bedürfnisse und Bedenken der Branche weitgehend unberücksichtigt geblieben seien.
«Wir stellen fest, dass die Art der Revision, wie sie aktuell angedacht ist, den Bedürfnissen der Banken zu wenig entgegenkommt», heisst es auch bei der SBVg. «Unsere Punkte wurden nicht aufgenommen.»
Die Macher des Projekts hätten die Vorlage bis zur Stellungnahme akribisch unter Verschluss gehalten, lautet ein weiterer Vorwurf, der in der Branche zu hören ist.
Mangelnder Anschluss zu höherer Bildung
Kritisiert wird dabei vor allem die Reform des schulischen Bereichs; die Ausbildung im Betrieb verursacht weniger Kopfzerbrechen. «Kaufleute 2022» verfolgt das Ziel, die Lernenden auf agile Arbeits-und Organisationsformen, ein vernetztes Arbeitsumfeld und neue Technologien vorzubereiten.
Der Zugang zum Lernstoff verändert sich dabei grundlegend. Die Reform spricht nicht mehr von Fächern, sondern von fünf verschiedenen «Handlungskompetenz-Bereichen», darunter das «Koordinieren von unternehmerischen Arbeitsprozessen» oder das «Einsetzen von Technologien der digitalen Arbeitswelt». Die Handlungskompetenzen bilden dann auch die Grundlage für die Leistungsziele aller Lernorte.
Die Banken fürchten hingegen einen Abbau des Lernniveaus, insbesondere im für die Branche wichtigen Grundlagen-Wissen zu Wirtschaft und Recht. Solche Mängel, kritisiert der ZBV, stellten die direkte Anschlussfähigkeit an die ebenso beliebte wie wichtige Berufsmaturität 2 infrage. Gleichzeitig fehle ein Konzept für eine in die Lehre integrierte, attraktive und flexible Berufsmaturität 1.
Fokus-Lehre bei UBS und CS zwischen Stuhl und Bank?
Dies ist nicht zuletzt ein «Zürcher Problem», insofern das KV am grössten Bankenplatz der Schweiz besonders stark mit der gymnasialen Ausbildung konkurriert. Ein Grossteil der Zürcher Bankstifte zieht es nach der Lehre denn auch weiter zur Berufsmaturität. Um die «Stifti» gegenüber dem «Gymi» aufzuwerten, tragen die Grossbanken UBS und Credit Suisse das alternative KV-Modell «KV Berufsmaturität Fokus», wie auch finews.ch berichtete.
Wie zu erfahren war, droht diese Alternative zum Gymnasium nun in der Reform zwischen Stuhl und Bank zu fallen.
«Für das erfolgreiche und international anerkannte duale Bildungssystem der Schweiz und für die heute sehr beliebte kaufmännische Lehre wäre es ein herber Verlust, wenn der Bildungsweg über die Berufslehre für leistungsfähige und -willige Schülerinnen und Schüler unattraktiv würde», mahnt der ZBV. In Absprache mit dem Dachverband SBVg hat die Zürcher Banken-Lobby deshalb Ende letzten April folgende Anpassungen des Reformwerks gefordert:
- Sicherstellung einer integrierten, attraktiven und flexiblen Berufsmatura 1
- Entkopplung der Wahlmöglichkeit der Vertiefungsoptionen von den Tätigkeitsfeldern im Lehrbetrieb
- Schaffung einer für die Finanzindustrie tauglichen Vertiefungsoption mit Schwerpunkt Wirtschaft und Recht
- Unterricht in zwei Fremdsprachen mit Wahlmöglichkeit Englisch als erste Fremdsprache
- Beibehaltung einer Promotionsordnung als Selektionsmöglichkeit
- Eine praxis- und branchengerechte Umsetzung unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der Digitalisierung in den Lehrbetrieben
- Transparenz über den weiteren Fortgang der Revision und Offenlegung der Anhörungsergebnisse