Die Coronakrise hat die Digitalisierung des Swiss Banking enorm vorangebracht, so die Wahrnehmung. Laut einer neuen, gross angelegten Branchenstudie hapert es jedoch mit der Transformation – und das vor allem in den Teppichetagen.
Die Digitalisierung denken, das können die Schweizer Bankchefs. Das bescheinigt ihnen das Swiss Finance Institute (SFI) in einer am Donnerstag gemeinsam mit der Beratungsfirma Zeb publizierten Studie: Auf der reinen Strategie-Ebene sind die im diesjährigen «Digital Pulse Check 2021» untersuchten Geldinstitute sehr gut aufgestellt und weisen gegenüber der europäischen Konkurrenz eine hohe «Reife» auf.
Dies stellten die Autoren Anhand des «Digital Performance Indicator» (DPI) fest, mit dem sich laut SFI die Entwicklung der digitalen Transformation innerhalb der Finanzindustrie bestimmen und vergleichen lässt. Für die Studie wurden insgesamt 159 Führungskräfte europäischer Banken befragt, wobei 31 Prozent aus der Schweiz und Liechtenstein stammen. 36 Prozent der Befragten sind für eine Kantonalbank tätig. 26 Prozent gehören sonstigen Regionalbanken an. Grosse Banken sind mit 16 Prozent der Befragten vertreten, Privatbanken mit 18 Prozent.
Es menschelt
Allerdings: wie die Studie weiter feststellt, hapert es bei der Umsetzung – dort sind die Schweizer gar langsamer als europäische Banken (siehe Grafik unten). Die niedrigste Reife war dabei in der Dimension «Management & Organisation» auszumachen, so das SFI. Also dort, wo es bei den Banken «menschelt».
Die Umsetzung der Digitalisierung, der Weg von der strategischen Blaupause über die Projekt-und Linienarbeit hin zu marktreifen Angeboten und Prozessen, geht bei vielen Instituten noch langsam voran. Und dies lasten die Autoren zu guten Teilen der Organisation und der Führungskultur der Geldinstitute an.
Noch nicht in der Erfolsgrechnung angekommen
Die Folge: die Banken bremsen sich selber aus. Selbst bei den Top-25-Prozent der am stärksten digitalisierten Banken sind Wachstums- und Effizienzgewinne nicht in der Erfolgsrechnung ablesbar, heisst es. Noch immer bezahlt die Branche damit Lehrgeld auf dem Weg zur digitalen Transformation.
Die Empfehlung des SFI: Traditionelle Silostrukturen mit einer überwiegend hierarchischen Ausrichtung sind in diesen Zeiten keine Option mehr. In der Worten der Studienautoren klingt das so: «Lange Entscheidungsprozesse einhergehend mit entsprechender Entscheidungsdauer, starre Strukturen und eine von Angst geprägte Fehlerkultur eingebettet in hierarchisches Denken führen im Ergebnis zu schwacher Kundenorientierung und schlechter Time-to-Market.»
Agilität dem Namen nach verbreitet
Banken, die hingegen so genannt agile Arbeitsmethoden einsetzen, seien etwa in der Prozess-Automatisierung und -Digitalisierung deutlich besser aufgestellt.
Rein formell ist dabei das agile Arbeiten bei den Schweizer Geldinstituten angekommen, wie das SFI weiter berichtet. Immer mehr Schweizer Banken hätten den Vorteil von Agilität erkannt – von der Einführung agiler Projektmethoden bis hin zur Etablierung von Netzwerk-Organisationen. Die hiesigen Institute lägen in diesem Bereich ihren europäischen Pendants gar ein gutes Stück voraus.
Angst vor dem Vorschlaghammer
Dennoch sind der Erhebung zufolge immer noch Berührungsängste mit neuen Organisations- und Arbeitsformen erkennbar, sowie die Sorge, vermeintlich bewährte Strukturen einzureissen. Auch deswegen sind innovative Arbeitsmethoden noch nicht stärker zum Standard geworden, stellen die Autoren fest.
Das Zusammenspiel unterschiedlichster Teams aus allen relevanten Bereichen einer Bank, der Wegfalls von Funktionen und Rängen – das ist fürs streng hierarchisch geprägte Swiss Banking ein enormer Kraftakt.