In der Schweiz tun Finanzfirmen ganz vorne bei der Gestaltung schöner neuen Arbeitswelten mit. Doch die Büros ohne eigene Pulte und mit vielen ablenkenden Gadgets können für Mitarbeitende höllisch sein.

Mit dem IPO-Flop des Bürovermieters Wework sind auch die modernen Arbeitswelten in die Kritik geraten, die das amerikanische Vorzeige-Startup propagiert. So zog eine Story über Formaldehyd-verseuchte Büros in den USA weite Kreise, welche die Schweizer Grossbank UBS von Wework einrichten liess.

Zu reden geben nun auch das Freibier und die Kaffeebar, die sich in manchen Wework-Räumlichkeiten finden: Gegenüber dem britischen Blatt «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) beklagten sich Büronutzer über den Lärm und die langen Schlangen vor der Bar, die das Arbeiten fast unmöglich machen – von den quengelnden Kleinkindern, die am «Kids»-Freitag jeweils ihre Eltern ins Büro begleiten, ganz zu schweigen.

5 Quadratmeter bei Wework

Wird da auf hohem Niveau geklagt? Was ist schon gegen Freibier und eine lockere Büroatmosphäre einzuwenden, und auch die «Hotdesks», das Fehlen fester Arbeitsplätze, scheinen angesichts der zunehmend mobilen und digitalen Jobs durchaus gerechtfertigt.

Doch die Indizien mehren sich, dass Office-Himmel und -Hölle zunehmend dichter beieinander liegen. Der Lärm ist nur ein Symptom – das grundlegende Problem ist der Mangel an Raum. Laut dem Bericht der britischen Zeitung hat in den USA die durchschnittliche Arbeitsfläche pro Angestellten seit 2009 um mehr als 8 Prozent auf 18 Quadratmeter abgenommen; Wework rechnet in seinem globalen Portefeuille gar nur mit 5 Quadratmetern.

Abschottung statt Interaktion

Enge, Lärm und der Mangel an Privatsphäre fordern ihren Tribut. Eine Studie der amerikanischen Harvard Business School aus dem Jahr 2018 untersuchte das Verhalten von Mitarbeitenden – bevor und nachdem deren Büros zu Grossräumen umgestaltet worden waren. Ein Ergebnis: Die direkte Interaktion zwischen den Angestellten nahm um 70 Prozent ab, zugunsten des digitalen Austauschs. Dies, obwohl das Gegenüber oftmals in Hörweite sass.

Abschottung statt Interaktion: Das ist das genaue Gegenteil dessen, was Arbeitgeber mit den neuen Arbeitswelten eigentlich beabsichtigen, und was Innenarchitekten auch in der Schweiz umzusetzen versuchen.

Pilot in Altstetten

«Heute wollen Unternehmen einen effizienten Mitarbeitenden, der nicht unbedingt lange, sondern konzentriert arbeitet und den Kopf frei für neue Ideen hat», sagte jüngst Peter Roth, Chef des Zürcher Architekturbüros Mint, zu finews.ch. Wichtig sei zudem, dass auf die Gesundheit geachtet wird.

Dass nur ein gesunder Mitarbeitender effizient eingesetzt werden kann, muss eigentlich auf der Hand liegen. Doch auch im Schweizer Finanzsektor waren es vorab Kostenüberlegungen, welche den Übergang zum Hotdesk-Konzept beschleunigten. Zu den Pionieren zählt die grösste Bank des Landes: Die UBS testete das «heisse Pult» zuerst in Altstetten ZH, bevor sie den «Workplace for the Future» in ihre Niederlassungen in aller Welt exportierte.

Wie Roboter

Inzwischen gibt es kaum noch einen grösseren Schweizer Finanzkonzern, der die Pioniertat der Grossbank nicht imitiert hat. Wenn dabei nicht die Sparüberlegungen im Vordergrund stehen, kann dies die Effizienz der Branche auch tatsächlich steigern. Ansonsten droht, was belgische Wissenschafter bei der Untersuchung von 500 Angestellten unlängst herausfanden: Wer im Grossraumbüro arbeitet, fühlt sich eher wie «ein Roboter» behandelt.