Die Wall-Street-Ikone reflektiert über Fehler, die man macht und den Fortschritt, den man erzielt, indem man sie in Zukunft vermeidet. Sechs dieser Fehler nennt Lipper hier.
Investmentmanager machen Fehler wie alle anderen Menschen auch, schreibt Michael Lipper in seinem Blog. Die Frage sei aber, was diese Investmentmanager aus ihren Fehlern gelernt hätten. Er würde nur dort investieren, wo eine Fehlerkultur dazu führe, die Prozesse so zu verbessern, das dieselben Fehler nicht zweimal gemacht würden, so Lipper.
Ein guter Analyst müsse darum versuchen, seine Erfahrung so zu einzusetzen, dass der Blick in die Zukunft bereits mögliche Fehl- und Misstritte offenbare. Das sei nur soweit möglich, als die Zukunft keine harten Fakten liefere, sondern nur Vorahnungen.
Die Aufgabe müsse dann darin bestehen, auf der Basis des bereits Bekannten diese Vorahnungen als tatsächlich mögliche zukünftige Fehlerquellen zu identifizieren.
Dies hat Lipper getan und dabei sechs Fehler ausgemacht.
1. Das KISS-Prinzip
KISS steht für «Keep it Simple, Stupid» – ein Akronym, das von Marketingleuten erfunden worden ist. Zweck ist, komplexe Sachverhalte, Ideen, Zusammenhänge oder auch Anlagevorschläge möglichst einfach und kurz zu erklären.
Im Kurzen und Knappen mögen sicherlich Tugenden schlummern, so Lipper. Aber leider erhöhe sich so auch die Gefahr, dass vorhandene Risiken nicht kommuniziert und unterschlagen würden.
2. Statisches Denken in einer dynamischen Welt
Das Prinzip von Angebot und Nachfrage dominiert die Marktlehre. Das Problem mit diesem Prinzip ist bei Gedankenspielen um ein Marktgleichgewicht oder eine Preisbildung das «ceteris paribus» – alle anderen Faktoren werden ausgeblendet, um das Experiment nicht zu stören.
In Modellen und Charts zu denken, so Lipper, sei statisch und funktioniere in einer dynamischen Welt nur selten. Investoren sollten immer die Erwartung haben, dass Marktbedingungen sich fliessend veränderten und auch auf die Macht der Käufer und Verkäufer wirkten.
3. Trügerische Liquidität
Die High Frequency Trader haben es laut Lipper anderen Investoren enorm erschwert, an den Börsen zu normalen Marktkonditionen zu handeln. Manche Institutionellen Anleger sind darum auf ETF ausgewichen, um den unnatürlichen Schwankungen in den Aktien- und Optionenmärkten zu entgehen. Im Bondhandel lauerten andere Liquiditätsrisiken. Lipper warnt davor, dass grosse Schwankungen im Bondhandel sich auch an den Aktienmärkten bemerkbar machen würden.
4. Verschleierte Unternehmenswerte
Aktienbewertungen entstehen auf der Basis von Firmen und ihren gegenwärtigen und zukünftigen Gewinnen. Aber die Bewertungen von heute entstünden unter anderen Bedingungen als ihre Vergleichswerte von früher, so Lipper. Demnach lieferten historische Vergleiche kaum mehr brauchbare Grundlagen für Anlageentscheide.
So erzielten die meisten Unternehmen ihre Gewinne nun nicht mehr im Heimmarkt. Falls diese Geschäftsaktivitäten, so wie früher, aber im Heimmarkt angesiedelt wären, müssten höhere Steuern bezahlt werden. Dieser Effekt spiegle sich in den Aktienbewertungen nicht.
In anderen Unternehmen kommt ein massgeblicher Gewinnanteil aus der Verzinsung von angelegtem Kapital. Die Bewertung spiegle aber die Unternehmensleistung und Produktivität, so Lipper.
Eine weitere Verzerrung stellten die Aktienrückkäufe dar, welche den Gewinn pro Aktie zwar erhöhten, nicht aber den erzielten Unternehmensgewinn. Lippers Rat: Quelle und Ursache des Gewinns und der Aktienbewertung immer identifizieren.
5. Dividenden, die nicht durch Cash-Flow entstehen
Der Hype um Dividenden berge Gefahren, so Lipper. Denn aus steuerlichen Gründen seien viele Unternehmen dazu übergegangen, in externen Märkten erzielte Gewinne zurückzuhalten und die Ausschüttungen mit aufgenommenem Kapital zu vollziehen.
Dieser Trend könne die Folge haben, dass die Kosten für Dividendenausschüttungen zunehmen würden. Setze gleichzeitig eine Inflation ein, könnte dies künftige Ausschüttungen in Gefahr bringen.
Die zweite Gefahr sei, dass Dividendenrenditen nun als Substitut für Bondrenditen herhalten müssten. Aber Aktien hätten ein ganz anderes Risikoprofil als Bonds, die in einem Portfolio einen Schutz gegen schlechte Aktienmärkte darstellten.
6. Komfort in der Konformität
Dass sich Menschen und andere Lebewesen im Schwarm oder im Rudel versteckten, sei sicher eine gute Überlebensstrategie, so Lipper. Anleger kann dieser Herdentrieb aber bekanntlich teuer zu stehen kommen.
Lipper rät darum zu Nichtkonformität. Ein Grund dafür sei auch, dass die Märkte seit der Finanzkrise alle korrelierten und es wenig Schutzmöglichkeiten für Anleger gebe. Einige sorgfältig gewählte unkonventionelle Investmententscheidungen könnten sich darum als die vorsichtigste aller Strategien erweisen, so der alte Wall-Street-Hase.