Der langfristige Ausblick für Aktien aus Europa ist gut – doch kurzfristig erwartet Henderson-Fondsmanager John Bennett eine Verkaufswelle.
Auf dem niedrigen Kursniveau im vergangenen Oktober empfahl John Bennett, Manager des Henderson Gartmore Continental European Fund, den Anlegern, Aktien europäischer Unternehmen mit starken Cashflows zu kaufen.
Anleger, die seinen Rat damals befolgt hatten, können sich nun über eine ansehnliche Rendite freuen.
Bennetts Warnung
Obwohl John Bennett den Ausblick für Aktien aus Europa so optimistisch einschätzt wie seit Jahren nicht mehr, warnt er Anleger davor, sich von der Euphorie am Markt mitreissen zu lassen. Immer wieder betont er, dass Anleger, die sich dazu verleiten lassen, übermässige Risiken einzugehen und dem Markt hinterherzulaufen, früher oder später in Schwierigkeiten geraten werden.
So geschehen im Juni nach den Äusserungen von US-Notenbankchef Ben Bernanke zum Ausstieg aus den Anleihekäufen sowie den Anzeichen von Stress an den Kreditmärkten in China.
Vorsichtigere Strategie
Als Reaktion hierauf brach zwar sowohl der Markt als auch der Fonds ein. Bennetts Vertrauen in solide, sorgfältig ausgewählte Europa-Aktien hat das aber nicht erschüttert. Trotzdem fährt er inzwischen kurzfristig eine etwas vorsichtigere Strategie.
«Für Anleger ist es äusserst wichtig, zwischen zwei Anlagehorizonten zu unterscheiden. Auf lange Sicht bin ich davon überzeugt, dass Aktien aus Europa in den nächsten zehn Jahren besser abschneiden werden als ihre Pendants aus Amerika und den Schwellenländern», John Bennett.
Verkaufswelle kommt
«Im Juni 2012, als das gesamtwirtschaftliche Bild äußerst düster erschien, waren die Bewertungen unglaublich verlockend. In der Zwischenzeit sind die Kurse kräftig gestiegen. Ich bin mir daher sehr wohl bewusst, dass die Bewertungen heute nicht mehr mit denen vom letzten Jahr zu vergleichen sind. Wir steuern langsam aber sicher auf eine Verkaufswelle zu», sagt der Schotte Bennett.
Die Kurseinbrüche und Schwankungen im Juni waren deshalb seines Erachtens nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Zu schnell waren die Märkte bereit, die Beschwichtigungsversuche von Bernanke und anderen Zentralbankern als Freifahrtschein für weitere massive Anlagen in Europa-Aktien zu nehmen.
Wie Kaffeesatz-Lesen
Ihnen könnte eine herbe Enttäuschung bevorstehen, denn eine weitere Talfahrt an den Märkten ist mehr als wahrscheinlich.
Dennoch hält Bennett nichts vom Versuch, den genauen Zeitpunkt treffen zu wollen. «Herumzurätseln, ob die Verkaufswelle nun im August, September oder Oktober kommt, gleicht dem berühmten Lesen im Kaffeesatz», sagt der Fachmann.
Erwünschte Korrektur
Wegen seiner Zweifel an einer allgemeinen Konjunkturerholung in Europa sucht Bennett nicht nach Wachstum um jeden Preis. Tatsächlich ist er völlig anderer Ansicht als viele Anleger, die immer noch so naiv sind und glauben, dass jedes in den Schwellenländern aktive Unternehmen ein sicherer Wachstumskandidat ist.
«Wir würden uns eine weitere Korrektur durchaus wünschen und sehen tatsächlich gute Chancen, dass dieser Wunsch erfüllt wird. Wir gehen unverändert davon aus, dass die Aktienkurse nach dem fast ununterbrochenen Anstieg von ihrem Tief im vergangenen Sommer in den nächsten Monaten deutlich stärker schwanken werden», erläutert Bennett.
Engagement in der Finanzbranche angehoben
Der Henderson-Fondsmanager hat in den vergangenen Monaten sein Engagement in der Finanzbranche sehr gezielt angehoben. Aber auch hier kommt es auf die richtige Auswahl an, denn immer noch gibt es zahlreiche ungelöste Probleme im europäischen Bankensektor.
Im Verlauf der jüngsten Rallys haben sich Finanzaktien, und unter ihnen besonders Banken aus der Peripherie Europas, gut geschlagen. Weniger gut könnte es ihnen ergehen, wenn - nicht falls - die Märkte zu einer Korrektur ansetzen. Nur Unternehmen mit der stärksten Wettbewerbsposition sind es auf Dauer wert, gehalten zu werden.
Langsames Herantasten
«Wir haben unser Engagement in der Finanzbranche von etwa 7 Prozent auf 17 Prozent des Fondsvermögens ausgeweitet. Dabei tasten wir uns ganz langsam wieder an Kreditinstitute wie die Bank of Ireland, KBC, BNP Paribas, Nordea und UBS heran», sagt Bennett.
«Allerdings lassen wir weiterhin die Finger von italienischen, deutschen und spanischen Banken, abgesehen von einer kleinen Position in Optionsscheinen der spanischen Banco Popular», erklärt der Experte.
Nicht nicht übergewichtet
«Wir sind ganz bewusst und gezielt bei Banken wieder eingestiegen. Dabei sind schwedische Banken natürlich anders als italienische. Und bei der Commerzbank haben wir den Eindruck, dass ihr die Pleite der Stadt Detroit herbe Verluste eingebracht hat. Wenn es Geld zu verlieren gibt, sind bestimmte Banken immer dabei. Wir haben die Branche nicht übergewichtet, verlassen uns aber auf unsere Titelauswahl», meint der Fondsmanager.
Lebensversicherungen überzeugen nicht
Nicht wirklich überzeugt ist er davon, Lebensversicherungen den Vorzug vor Banken zu geben. Eine Strategie, die in letzter Zeit viele Anleger verfolgt haben, die davon überzeugt sind, ist, dass Versicherungen besser vor möglichen Erschütterungen des Finanzsystems gefeit sind.
«Ich bezweifle, dass es jemand gibt, der in den Büchern der Lebensversicherungen wirklich durchblickt. Zugegeben, sie sind weniger verschuldet als Banken. Aber wie um alles in der Welt können sie Geld verdienen, wenn die Renditen so niedrig sind wie momentan?» fragt Bennett ungläubig.