Das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben ist bei Banken in der Deutschschweiz ziemlich aus den Fugen – das gilt nicht zuletzt für die beiden Grossbanken. Das zeigt ein finews.ch exklusiv vorliegendes Ranking für die Deutschschweiz.
Die Work-Life-Balance wird gerne als «weiches» Kriterium bei der Stellenwahl empfunden. Im Banking dürfte diese Sichtweise nach wie vor verbreitet sein. Als entscheidender Faktor wird traditionell der Lohn betrachtet.
So sagte der früherer Ex-Grossbankenmanager Josef «Joe» Ackermann erst kürzlich in einem Interview: «Es geht ums Prinzip, weniger um den konkreten Nutzen von noch mehr Geld. Die Höhe des Bonus wird mit Respekt und Prestige gleichgesetzt.»
Häufigster Grund für den Stellenwechsel
Doch das sind Tempi passati, glaubt man den Erhebungen der New Work Gruppe, zu der das Karriere-Portal Xing und die Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu gehören. Eine Verbesserung der Balance zwischen Arbeit und Privatleben war dort bei Personen, die während der Corona-Pandemie die Stelle gewechselt haben, der am häufigsten genannte Grund für den neuen Job.
finews.ch liegt nun exklusiv eine Auswertung von insgesamt 4'297 Bewertungen vor, die ehemalige und aktuelle Arbeitnehmende von Schweizer Firmen auf der Plattform Kununu bis im vergangenen September abgegeben haben. Berücksichtigt wurden die Bewertungsdimensionen Work-Life-Balance, Gehalt und Sozialleistungen sowie die Arbeitsatmosphäre. Die Bewertung der einzelnen Kriterien erfolgte auf einer Skala, bei der maximal fünf Punkte zu holen waren, wobei jeweils die Mittelwerte herangezogen wurden.
Tech-Firmen auf dem Podest
Speziell zuhanden dieses Berichts hat New Work in einem weiteren Schritt die Angaben für Banken in der Deutschschweiz ausgewertet, die über mindestens vierzig Bewertungen auf Kununu verfügen. Für die Erstellung der Top-Ten-Liste wurden die Mittelwerte für die einzelnen Unternehmen berechnet.
Das Bild, dass sich aus den Bewertungen ergeben hat, ist nicht eben schmeichelhaft für manche Institute – und auch für das Banking als Ganzes nicht. So ging aus einer Auswertung vom vergangenen Juni hervor, dass die Bankenbranche punkto Work-Life-Balance insgesamt auf Platz sieben zu liegen kam. Die ersten drei Plätze belegten die Internet-, IT- und Beratungsbranche, gefolgt von Versicherungen auf Platz vier.
Nicht einmal unter den Top-Ten
Im Deutschschweizer Banken-Ranking vom September finden sich an der Spitze vier Kantonalbanken, gefolgt von der Migros Bank (siehe Tabelle unten). Die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse, sowie die Privatbank Julius Bär und das Zürcher Investmenthaus Vontobel schafften es alle nicht unter die ersten Zehn.
(Rating New Work / korrigierte Fassung: BLKB auf Platz 2, Raiffeisen Gruppe und AKB mit indentischem Score)
Die Auswertung ist mit etwas Vorsicht zu geniessen, haftet doch der Plattform Kununu zuweilen der Ruf an, von unzufriedenen Mitarbeitenden als Ventil für ihren Ärger zweckentfremdet zu werden. Nichtsdestotrotz haben die Bewertungen in der Summe Gewicht, und sind in ihrer Konsequenz – nämlich der Abwanderung von Talenten – bedrohlich.
«Weiche Faktoren werden zu den eigentlich harten»
So hat eine weitere Umfrage von New Work in diesem Jahr ergeben, dass die latente Wechselbereitschaft bei Arbeitnehmenden in der Deutschschweiz hoch ist. So waren 57 Prozent der Berufstätigen grundsätzlich offen für einen Stellenwechsel, bei den 18 bis 29-Jährigen waren es 70 Prozent.
«Wir beobachten, dass die Arbeitskultur für die Wahl des Arbeitgebers immer wichtiger wird», sagt Nina Zimmermann, Chefin von Kununu, auf Anfrage. Die Menschen wollten für Unternehmen arbeiten, die ihre persönlichen Werte widerspiegelten, so die Personalexpertin weiter. Der Lohn bleibe zwar relevant, doch am Schluss zähle das Gesamtpaket – und dazu gehöre auch eine gesunde Balance zwischen Beruf und Privatleben. «Weiche Faktoren werden zunehmend zu den eigentlich harten», sagt Zimmermann.
Abstriche beim Lohn nicht zwingend
Aus der Auswertung vom vergangenen September lassen sich indessen auch einige gute Nachrichten herauslesen, zumindest aus Sicht der Bankerinnen und Banker. So erfordert eine gute Work-Life-Balance nicht unbedingt Abstriche bei Gehalt und Sozialleistungen. Die Graubündner und die Thurgauer Kantonalbanken sind den New-Work-Auswertungen zufolge bei beidem top. Vom Spitzenquartett der Staatsbanken fällt nur die St. Galler Kantonalbank bei Gehalt und Sozialleistungen ab und schafft es nicht mehr in die Top-Ten. Die Basellandschaftliche Kantonalbank belegt dort den fünften Platz.
Ebenfalls spielen eine gute Arbeitsatmosphäre und eine gesunde Work-Life-Balance meist zusammen. Es gibt aber Ausnahmen. Während zum Beispiel die VZ Gruppe bei der Work-Life-Balance die Top-Ten verpasst, findet sich das Unternehmen dafür punkto Arbeitsatmosphäre auf dem achten Rang. Selbst wenn das Privatleben hier vielleicht manchmal etwas zu kurz kommt, so steht es wenigstens um die Stimmung bei der Arbeit nicht schlecht.
Nach Chur pilgern
Dass die Staatsbank aus dem Bündnerland das Ranking anführt, ist wohl harter Arbeit geschuldet. Das Geldhaus sucht sich unter Personalchef Alex Villiger seit Jahren als besonders Arbeitnehmer-freundlich zu positionieren. Nur so, ist die Bankführung überzeugt, lassen sich Talente zum peripher gelegenen Institut locken.
Die Initiative der Graubündner Kantonalbank hat seither dazu geführt, dass Personaler von anderen Staatsbanken zum Anschauungsunterricht nach Chur pilgern. Urteilt man nach dem Ranking von New Work, hat dies bereits Wirkung gezeigt.
«Die Frage, die sich Unternehmen stellen müssen, ist: Wie gewinne ich auf dem Arbeitsmarkt die passenden Talente und sorge dafür, dass sie auch bleiben?», kommentiert dazu Kununu-Chefin Zimmermann. «Wer jetzt in tradierte Muster zurückfällt und die Bedürfnisse von Mitarbeitenden ignoriert, legt sich im Recruiting selbst Steine in den Weg.»