Schweizer Bankangestellte arbeiten im Schnitt zwei Tage pro Woche zuhause. Wo das richtige Mass zwischen Büro- und Heimarbeit liegt, ist allerdings umstritten.

In der Schweizer Bankenwelt wird die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten, nach dem Abflauen der Corona-Pandemie sehr unterschiedlich gehandhabt. Die grosse Mehrheit ist aber spätestens nach den behördlich verordneten Lockdowns in den vergangenen zwei Jahren dazu übergegangen, flexible Arbeitsmodelle in den Regelbetrieb zu überführen.

Über den Daumen gepeilt sind es inzwischen rund zwei Tage pro Woche, an denen in den Schweizer Banken im Schnitt im Homeoffice gearbeitet wird, erklärt Balz Stückelberger. Der Geschäftsführer des Branchenverbands Arbeitgeber Banken betont aber, dass von diesem Mittelwert teilweise stark abgewichen wird.

Liberale Grossbanken

Es gebe einige wenige kleine Privatbanken, die diese Arbeitsformen nur sehr zurückhaltend anwenden. Auf der anderen Seite der Skala zu finden sind die die Grossbanken, wo – je nach Funktion – der grösste Teil der Zeit ausserhalb des Büros gearbeitet werden kann.

Nach den Erfahrungen mit Homeoffice sind viele Bankangestellte auf den Geschmack gekommen. Gemäss den Sondierungen des Branchenverbands möchte das Personal im Schnitt lieber drei als nur zwei Tage in der Woche zuhause arbeiten. Der Branchenverband empfiehlt, spätestens dann für klare Verhältnisse zu sorgen, wenn der Anteil dieser flexiblen Arbeitsform bei mehr als 50 Prozent liegt.

Lieber Ferien als Homeoffice

Gemäss einer Umfrage wollen gar 73 Prozent der Bankangestellten die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen, ein Drittel sogar die ganze Zeit, wie finews.ch exklusiv berichtete.

Gemessen an diesen Zahlen kommen die Finanzhäuser in der Regel den Wünschen der Belegschaft nach flexiblen Arbeitsformen im Durchschnitt nur unzureichend nach.

Dafür sind die Arbeitgeber erfinderisch, um ihr Personal wieder häufiger zurück ins Büro zu lotsen. Banken im In- und Ausland bieten unter anderem Rockkonzerte, Gratisbier, Imbissstände, Sport- und Wellnessangeboten an, damit sich die Mitarbeitenden ins Büro aufmachen. Teilweise werden den Angestellten sogar mehr Ferien in Aussicht gestellt, wenn im Gegenzug vorwiegend nur noch im Büro gearbeitet wird.

Man muss gesehen werden

Dass in zwei Jahren aber niemand mehr von Homeoffice rede, wie es der abtretende Chef der Zürcher Kantonalbank, Martin Scholl, jüngst formulierte, ist wohl eine zu gewagte Prophezeiung.

Am Bankenplatz Zürich scheinen sich einzig Personalabteilungen von angloamerikanisch geprägten Auslandsbanken schwerer zu tun mit der Arbeit zuhause. Aufgrund ihrer Wettbewerbskultur versammeln sie ihre Leute zuweilen häufiger im Büro als die heimische Konkurrenz. «Face Time» unken dann Büromuffel gerne einmal und meinen damit lange Präsenzzeiten im Büro, auch wenn es gerade keine Arbeit gibt.

In London bleiben die Bürostühle besetzt

Am Finanzplatz London hat sich nach der Pandemie nicht allzu viel verändert. Gemäss einem Bericht von FN London (Artikel bezahlpflichtig) ist unter anderem bei der Bank of America, Goldman Sachs, Citigroup und Barclays eine Fünf-Tage-Woche im Büro mit einer gewissen Flexibilität die Norm für Banker. Bei JPMorgan sind die meisten Mitarbeitenden vier Tage in der Woche im Büro, wobei offenbar vor allem die leitenden Angestellten wieder jeden Tag ins Büro strömen.

Demgegenüber erklärte der Chef von Credit Suisse, Thomas Gottstein, unlängst, dass eine Rückkehr ins Büro in Vollzeit unrealistisch sei.

Junge und Mütter arbeiten anders

Tatsächlich hat sich die Arbeitswelt in den vergangenen Jahren wohl zu tiefgreifend verändert, als dass es ein Zurück zu alten Zeiten geben kann. Gerade die junge Generation fordert inzwischen laut und deutlich eine strikte Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben. Hinzu kommen die gut ausgebildeten Mütter, die flexibel sowie zeitunabhängig arbeiten wollen, um die Betreuung des Nachwuchses unter einen Hut mit ihrem Beruf zu bringen. Die gute Nachricht für diese Erwerbstätigen ist, dass der Finanzplatz Schweiz genügend Alternativen bietet.