Mit dem Crash von Bitcoin & Co. möchte wohl kaum jemand mehr Karriere in dieser Szene machen. Doch finews.ch hat mit zwei Universitätsabsolventen gesprochen, die genau dies getan haben.
Markus Geissler und Bastian Wetzel (Bilder unten) haben an der Universität St. Gallen (HSG) einen Master-Abschluss in Bank- und Finanzwesen erworben.
So gesehen wären sie natürliche Kandidaten für eine Karriere bei einer Bank. Beide haben aber entsprechende Offerten abgewiesen – und stattdessen jeweils bei einem Startup im Bereich Blockchain angeheuert.
Das ist nur auf den ersten Blick eine exotische Wahl. Denn der 27-jährige Geissler und der um ein Jahr jüngere Wetzel bestätigen mit ihrem Entscheid einen Trend, den Personaler schon seit einiger Zeit beobachten.
Wirksame Köder
Früher hätten Uni-Absolventen drei bis fünf Jahre bei einem etablierten Finanzunternehmen gearbeitet, bevor sie sich ins Fintech-Fach wagten. Nun wechselten sie direkt von der Universität, sagt Stephan Surber, Leiter des Kadervermittlers Page Executive Schweiz, im Gespräch mit finews.ch.
Der Vergleich mit anderen Finanzzentren zeigt, dass Schweizer Absolventen da keine Ausnahme bilden. Das britische Branchen-Portal «Financial News» (Artikel bezahlpflichtig) nannte kürzlich flache Hierarchien, ein rascher Aufstieg und die Aussicht auf Token-Optionen als wirksame Köder, welche junge Fachkräfte weg vom Bankwesen und hinein ins Kryptofach lockten.
Dramatischer Einbruch
Das war allerdings noch vor dem Crash. Der Dollar-Kurs der wichtigsten Krypto-Währung Bitcoin ist seit Jahresbeginn um mehr als ein Drittel eingebochen.
Durchs Band verlieren nun auch andere digitale Anlagen massiv an Wert, und sogar Stablecoins sind am Wanken. Doch selbst der radikale Einbruch der Krypto-Märkte in diesem Monat hat Geissler und Wetzel nicht von ihren Plänen abbringen können.
Blockchain-Startups und Krypto-Aktien
Bastian Wetzel (Bild: CV VC)
«Bei Blockchain geht es nicht nur um Krypto-Währungen», erklärt Wetzel. Er arbeitet bei Crypto Valley Venture Capital (CV VC), einer Zuger Investmentgesellschaft, die in Blockchain-Startups investiert. Bei vielen Anwendungsfällen, die CV VC finanziert, «seien sich die Leute gar nicht bewusst, dass sie Blockchain verwenden», fügt er hinzu.
Geissler seinerseits hat bei Daura zu arbeiten begonnen, einem Konsortium rund um die gleichnamige Schweizer Krypto-Aktie. Auch er bleibt cool angesicht der Verwerfungen bei Token und Coins. «Ich mache mir keine Sorgen über den Abschlag», sagt er. Denn: «Das, was wir bei Daura tun, hat einen erwiesenen Nutzen.»
Teil der Innovation sein
«Genau dieses Tun gereicht den Krypto-Novizen zum Vorteil», sagt Personalprofi Surber. «Junge Leute werden durch das breite Spektrum an Verantwortlichkeiten und durch die Technologie angelockt», sagt er und fügt hinzu, dass «es länger dauert, bis Absolventen solche Fähigkeiten in einer Bank entwickeln».
Wetzel bestätigt dies im Gespräch. Es sei verlockend, an vorderster Front dabei zu sein: «Als Frühphasen-Investoren sehen wir, wohin sich die Technologie entwickelt», erklärt er. «Ich habe wirklich das Gefühl, Teil der Innovation zu sein.»
So glaubt er auch, das dies nicht der Fall gewesen wäre, wenn er ein anderes Angebot einer grossen Beratungsfirma angenommen hätte. Die Aufgabe hätte darin bestanden, traditionelle Banken und Vermögensverwalter zu ihrer Blockchain-Technologie zu beraten und ihnen zu helfen, «sich an die Innovation anzupassen, die bereits stattgefunden hat», sagt er.
In die «Blockchain» hineingezogen
Markus Geissler (Bild: PD)
Geissler, der während seines Studiums drei Jahre lang bei einer der grössten Schweizer Banken gearbeitet hatte, schwankte zwischen einem Job im Private-Equity-Bereich oder im Investmentbanking, weil ihm diese Felder vertraut waren.
Verlockende Aussichten
Doch dann wurde er «in dieses neue Umfeld der Tokenisierung und der Blockchain-Technologie hineingezogen wurde», wie er schildert.
Die Aussicht, ein breites Spektrum an Verantwortung zu übernehmen, sei ebenfalls verlockend gewesen. Jetzt, als Teil von Dauras dreiköpfigem Management-Team, sitzt Geissler plötzlich im Fahrersitz: «Bei einem Finanzinstitut wäre ich wahrscheinlich die Person gewesen, der gesagt wird, was sie wann zu tun hat», fügt er hinzu.
Risiken Hand in Hand mit Innovationen
Für Wetzel geht das Eingehen von Risiken «Hand in Hand mit Innovation» – etwas, das er im Laufe der 15 Investitionen, an denen er in den vergangenen sechs Monaten beteiligt war, gelernt hat.
Neben den vielen Möglichkeiten, die ihm sein Job bietet, schätzt Wetzel das kollaborative Umfeld, in dem Vorgesetzte bereit sind, ihr Wissen mit anderen zu teilen. «Denn letztlich will man von anderen lernen», sagt er.
Die Startups, in die CV VC investiert, konzentrieren sich auf Bereiche wie dezentralisierte Finanz (DeFi), Lieferketten-Lösungen oder Immobilien. Viele Themen, mit denen sich Wetzel beschäftigen kann.
Auch Startups müssen lernen
Natürlich ist das Verständnis der Blockchain-Technologie von Vorteil, das CV VC gegenüber anderen Frühphasen-Investmentgesellschaften hat. «Denn Jungfirmen suchen nach Investoren, von denen sie lernen können», so Wetzel.
Wenn Anlagefirmen ohne technologisches Wissen Investitionen tätigen, «haben sie nicht die Ressourcen oder das Netzwerk, um den Startups beim Wachstum zu helfen», ergänzt er.
Demokratisierung der Finanzmärkte
Ein wichtiger Beweggrund für Geissler ist die Demokratisierung der Finanzmärkte. Dauras Ziel, Einzelpersonen die Möglichkeit zu geben, die wahren Eigentümer ihrer Aktien zu werden, indem sie ihre Token ohne einen Finanzintermediär direkt und ohne Kosten übertragen können, ist für ihn bahnbrechend.
Es gehe nicht um eine Revolution, sondern «eher um die Entwicklung der Finanzmärkte in der Schweiz», sagt er. Irgendwann müsse es eine Konsolidierung geben, bei so vielen Token und Projekten. Er räumt auch ein, dass es um bestimmte Projekte einen «Hype» gebe.
Und dann – doch zurück zur Bank?
Grosse Banken dürften diese Konsolidierung vorantreiben, da sie Fintechs für bestimmte Dienstleistungen aufkaufen. Ironischerweise würden sie dadurch professionell gesehen «früher oder später wieder interessanter, aber nicht für mich persönlich. Zumindest nicht jetzt», findet Geissler.
Lockt bei den Banken auch die Aussicht auf einen deutlich besseren Lohn? Geissler sieht bei seinem Wechsel zu Daura keine wesentlichen Gehaltseinbussen im Vergleich zu seinen Kollegen, die bei Investmentbanken arbeiten. «Vor allem, wenn man die Arbeitszeiten berücksichtigt», sagt er.
Branche bewegt sich schnell
Für diejenigen, die nicht wissen, welchen Weg sie in der Finanz einschlagen sollten, sei es gut, in einem etablierten Unternehmen zu arbeiten, findet hingegen Wetzel. Dies, weil man immer noch viel lerne und die Möglichkeit habe, seine Richtung zu ändern, sagt der Blockchain-Einsteiger.
Diejenigen, die wüssten, dass ihre Zukunft in der Krypto-Wirtschaft liege, sollten jedoch besser schnell mit dem Aufbau ihres Netzwerks beginnen. «Die Branche bewegt sich schnell», mahnt auch sein Kollege Geissler.