Mindfulness gilt als Wundermittel gegen Stress – Banken bieten ihren Mitarbeitenden gar Meditations-Apps zur Bewältigung der Coronakrise. Doch immer mehr Menschen werden krank ob so viel Achtsamkeit.
Cheetah House nahm im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben Hilferufe von 20’000 Menschen entgegen. Die in den USA beheimatete Selbsthilfe-Gruppe hatte dabei die Probleme einer ganz bestimmten Zielgruppe zu lindern: Yogis, Meditations-Trainer und Achtsamkeit-Adepten aller Art.
Die Symptome, mit denen die Hilfesuchenden bei Cheetah House anklopfen, sind zuweilen von der gröberen Sorte: Depressionen, Panikattacken, Dissoziations-Störungen. «Wir sind auf ein grosses Problem gestossen», sagten die Betreiber jüngst zum britischen Sender «BBC».
Körperliche Gesundheit
Auch die Wissenschaft schlägt Alarm. Einer Studie zufolge leiden 25 Prozent der Personen, die regelmässig meditieren, unter den genannten Beschwerden. Das muss verwundern: Wie können Techniken wie Achtsamkeit, die Stress abbauen und die Widerstandskraft von Menschen gegen allerhand Leiden erhöhen sollen, genau das Gegenteil bewirken?
Wohlgemerkt: «Mindfulness» wird auch hierzulande mehr und mehr im Arbeitsumfeld und von Unternehmen eingesetzt, und die geistige und körperliche Gesundheit der Belegschaft zu fördern – ganz nebenbei hat das den Effekt, die Leistungsfähigkeit der Angestellten für die Firma zu erhalten.
Google als Vorreiter
Zu den Vorreitern der Achtsamkeit in diesem Kontext zählt der US-Internet-Gigant Google, dessen Methode mittlerweile auch in der Schweiz zur Anwendung gelangt, wie finews.ch berichtete.
Mittlerweile liegen Meditation und Achtsamkeit auch in der heisigen Finanzbranche im Trend. So machte die Grossbank UBS ihren Mitarbeitenden Meditations-Apps zugänglich, um die Herausforderungen des Lockdowns besser zu meistern.
Nichts mehr spüren
Dabei lässt es sich übertreiben, wie die Telefonliste von Cheetah House zeigt. Achtsamkeit ist keine einzelne Methode oder Technik, sondern ein Mix. Und diese Mischung kann danebengehen.
So wird oftmals empfohlen, auf die Atmung zu achten und in einer Ruheposition seinen Gefühle zu lauschen, ohne diese gleich mit Gedanken zu bewerten. Dies, heisst es weiter, soll zu einer besseren Wahrnehmung der eigenen Emotionen führen und bei regelmässiger Praxis dazu führen, das Wutausbrüche oder Angstzustände ausbleiben.
Viel zu laute Musik
Doch die Meditations-Techniken können auch darin resultieren, dass Emotionen plötzlich verstärkt wahrgenommen werden – wie viel zu laute Musik, so der Bericht von «BBC». Selbst kleine Änderungen des Gefühlszustandes lösen auf diese Weise Panik aus.
Auch die gegenteilige Wirkung wird beobachtet: Die Emotionen sind dermassen gut ausbalanciert, dass Menschen plötzlich gar nichts mehr «spüren». Ebenfalls zu beklagen: Schlafstörungen. Wer jeden Arbeitstag mehr als 30 Minuten meditiert, ruht sich in der Nacht weniger gut aus, wie eine weitere Studie beobachtet hat.
Dosis macht das Gift
Ist Achtsamkeit damit des Teufels? Wissenschafter hat eben erst begonnen, die Wirkung der viel gelobten Methode zu untersuchen. Eine Erkenntnis folgt dem, was schon der Arzt Paracelsus im Mittelalter feststellte: Die Dosis macht das Gift. Jeder Anwender muss für sich herausfinden, welche Technik in welcher Intensität für ihn am besten funktioniert.
Ebenfalls ist sich die Wissenschaft nicht einig, ob Mindfulness dem Gang ins Fitness-Training vorzuziehen ist. Beides trägt, massvoll ausgeübt, zur persönlichen Gesundheit bei. Trifft dieser Befund zu, haben Achtsamkeit-Versehrte ein schnelles Gegenmittel zur Hand: Tapetenwechsel, statt meditieren einfach mal wieder joggen gehen. Dazu kann man die Yogahose gleich anbehalten.