Achtsamkeit – oder Mindfulness – hat schon vor Jahren im Banking Einzug gehalten. Nun wenden auch bekannte Galerien und Museen das Mindfulness-Konzept an: Sie glauben, der Gesellschaft damit einen grossen Dienst zu erweisen.
«Mindfulness» besteht darin, auf eines von drei Dingen zu achten: entweder auf den Atem, oder auf Empfindungen von Sinnen und Körper. Und die Aufmerksamkeit sanft darauf zurückzubringen, wenn die Gedanken unweigerlich abwandern.
So definiert zumindest die Manchester Art Gallery Achtsamkeit. Und die steht dort im Zentrum, wie die Kunstgallerie selber auf ihrer Webseite schreibt: «In den letzten vier Jahren haben wir Achtsamkeits-Aktivitäten in unseren Lernprogrammen mit einem breiten Publikum entwickelt, um zu untersuchen, wie diese wertvolle Fähigkeit bei der Wahrnehmung von Kunst eingesetzt werden kann.»
Den Gedanken bei der Entstehung zusehen
So glaubt die Galerie, sie habe den Menschen geholfen, sich intensiver mit ihren Ausstellungen zu beschäftigen: «Durch die Begegnung mit bekannten Werken wie auch mit Kunst, die für sie völlig neu ist, konnten die Teilnehmer über die Bedeutung ihrer eigenen psychischen Gesundheit nachdenken.»
Konkret soll man so seine Gedanken beobachten, beziehungsweise wie sie in unserem Geist entstehen, Augenblick für Augenblick. Und dieser Akt des Beobachtens könne dann die Beziehung zu diesen dramatisch verändern, so dass man nicht mehr automatisch und unreflektiert nach ihnen handelt oder per se davon ausgeht, dass sie entweder richtig oder falsch sind, sondern sie als das zu sehen, was sie sind: Gedanken.
Psychotherapeutischer Test
Auch die weltberühmte Tate Gallery of Modern Art in London setzt sich dieser Tage vermehrt mit der psychischen Verfassung ihrer Besucherinnen und Besucher auseinander. So hat die Galerie zum Beispiel in Zusammenarbeit mit einem Psychotherapeuten einen Test entworfen, mit dem die Kundschaft online durch das Beantworten einiger simpler Fragen herausfinden kann, auf welche Art von Gemälde aus der Sammlung sie gerade Lust hat.
Das Ganze hat auch einen Bezug zur Gegenwart, wie die Tate schreibt. So habe die japanische Künstlerin Yayoi Kusama einmal gesagt, sie hoffe, dass die Kraft der Kunst die Welt friedlicher machen könne. Aber: «In der heutigen geschäftigen modernen Welt nehmen wir uns nicht immer genug Zeit für uns selbst oder für die Kunst.» Das soll dieser Test nun ändern.
Einzug ins Banking
Dass die psychische Gesundheit und Konzepte wie jenes der Mindfulness in die Kunstwelt gespült wurden, scheint nur folgerichtig, nachdem sich das Konzept auch in der Wirtschaft und im Finanzwesen verbreitet hat. Im Private Banking etwa hat die Achtsamkeit schon länger Einzug gehalten, wie finews.ch bereits 2015 berichtete.
Damals erklärte Patricia Angus, Leiterin eines Beratungsunternehmens für Family Offices namens Angus Advisory Group, was Achtsamkeit dem gewillten Kundenberater bringen kann: «Ein nach innen gerichteter Blick soll Ihnen als Berater helfen, Schwierigkeiten mit dem Kunden zu meistern. Durch blosses Registrieren und Beobachten der Situation erfahren Sie den Unterschied zwischen Ihrer Interpretation und dem tatsächlichen Verhalten des Kunden.»
Kunst und die Psyche, eine gute Mischung?
Gleichzeitig ist es nichts neues, dass die Auseinandersetzung mit Kunst und die Auseinandersetzung mit der eigenen Psyche gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, ist doch Kunsttherapie an sich schon seit den 1940er-Jahren eine Form der Therapie.
Seit 2009 wird Kunsttherapie auch mit Achtsamkeit vermengt. Patienten beteiligen sich am kreativen Prozess des Kunstmachens als eine Möglichkeit, sich selbst zu erforschen. Den Mehrwert dieser Therapieform kann man allerdings erst erahnen, da für eine seriöse Beurteilung noch keine ausreichend belegten Studien vorhanden sind.