In schwierigen Zeiten ist es besonders wichtig, richtig zu entscheiden, da sich viele Fehler fatal auswirken. Der grösste Feind sind dabei kognitive «Biases», also Verzerrungen. In der Coronakrise kommen sie besonders häufig vor.
Daniel Kahnemann und Amos Tversky haben die Verhaltensökonomie als Teil der Wirtschaftswissenschaft geprägt. Sie kennt eine ganze Anzahl von kognitiven Verzerrungen, in Englisch «cognitive biases», die wiederum unsere Entscheidungen stark beeinflussen.
Leider mit meist negativem Ergebnis, wie Thomas Davenport, Professor für Information Technology und Management am Babson College, in der MIT Sloan Management Review schreibt.
Die Corona-Pandemie mit ihren Auswirkungen auf Individuen, Gesellschaft und Wirtschaft ist ein Minenfeld für solche kognitiven Biases; sie zeigen sich täglich bei Politikern, Kommentatoren und vor allem in unserem eigenen Denken und Verhalten.
Verhaltensökonomen glauben grundsätzlich, dass von Gefühlen geleitetes Denken sowie Intuition mehrheitlich zu schlechten Enscheiden führen. Tatsache ist, dass wir den Biases meist unbewusst folgen. Sie zu kennen und zu verstehen, hilft, Fehler zu vermeiden. Hier sind die aktuellen Corona-Biasis:
1. Der Status Quo Bias
Er führte wohl vielfach zu Beginn der Pandemie und des Lockdowns zu falschen Entscheidungen: Der Status Quo Bias hält den gegenwärtigen Zustand für den besten und jede Veränderung für einen Verlust. Wer also zu Beginn der Lockdown-Periode dennoch einen Businessflug nach London unternahm, weil das Datum schon lange festgelegt war oder ein Treffen abhielt, weil es in der Agenda stand, ist diesem Bias zum Opfer gefallen – und hat möglicherweise die eigene und die Gesundheit anderer Beteiligter aufs Spiel gesetzt.
2. Der politische Bias
Das Coronavirus kennt keine Politik, jedoch wird mit dem Coronavirus Politik gemacht. In der Schweiz sehen wir dies entlang der Linien der politischen Parteien: Die liberale Rechte ruft nach Lockerungen und die sozialistische Linke nach Staatsprogrammen. Und übers Kreuz wird Kritik geübt. Meinungen und Wissen zu Corona lassen sich allerdings nicht auf Grund von Politik und den vielfach politisch gefärbten Medien bilden. Besser sind wissenschaftlich fundierte Artikel und Studien sowie Faktenberichte von Medizinern, Virologen und Epidemiologen.
3. Der Confirmation Bias
Er ist der Bias, auf den wohl am meisten hereinfallen werden: Wir suchen und finden Informationen, die unsere vorgefasste Meinung und unser vermeintliches Wissen stützen. Zum Beispiel: Sie glauben, Covid-19 ist bloss eine andere Grippe, also suchen Sie nach Informationen, die diesen Glauben bestätigen. Oder: Ihnen ist der immer längere Arm der Bundesverwaltung ein Dorn im Auge. Darum werden Sie jeden Kommentar lesen, der die Lockdown-Massnahmen für überzogen hält und vor dem totalitären Überwachungsstaat warnt.
4. Der Availability Bias
Stars und andere bekannte Persönlichkeiten, die sich mit Corona infizierten, bilden eine Art Projektionsfläche für die Krise: Die persönlichen Schicksale vereinfachen den Zugang zur Problematik und sie werden überall geschildert und besprochen. Die Gefahr dabei ist die der Dramatisierung – oder der Verharmlosung. Denn die Corona-Pandemie lässt sich nicht anhand von Einzelschicksalen und Anekdoten verstehen. Dafür ist das Studium von Daten und Statistiken viel besser geeignet.
5. Der Framing Effect
Die Corona-Pandemie und wie sie bekämpft werden soll, bildet ein Musterbeispiel für den Framing Effect: Wird ein Entscheid im Rahmen (frame) oder auf Basis von wirtschaftlichen Interessen gefällt oder der Volksgesundheit? Framing kann zu Fehlentscheidungen führen, weil Alternativen ausser acht gelassen werden. Um den Fehler zu vermeiden, ist eine Auslegeordnung nötig.
6. Der Bandwagon Effekt
Mit jedem neuen Tag der Corona-Pandemie verändert sich auch jeweils ein wenig der Fokus der Öffentlichkeit: Von den Ansteckungsarten über die Todesraten zu den Gesichtsmasken oder vom Homeoffice zu sozialer Ausgrenzung bis hin zu Firmenpleiten – zu allem muss man eine Meinung haben und sie äussern. Das Problem: Solche Informationen und vor allem die Dialoge und Diskussionen darüber sind voller Fehler und Ungenauigkeiten. Eine gesunde Skepsis verhindert, dass man auf jeden fahrenden Zug aufspringt.
7. Feindselige Attribution
Wenn andere nicht unserer Meinung sind oder unser Handeln kritisieren, werden unsere Gefühle gegenüber diesen Menschen oftmals feindselig. Man nennt dies den «hostile attribution bias». Auch hier: Wer nicht über die gesamte Lage im Bild ist, sollte nicht davon ausgehen, dass schlechte Absichten hinter Meinungen und Handeln stehen.