In hektischen Krisenzeiten entgleiten auch erfahrenen Vorgesetzten manchmal die Fäden. In diesen Momenten kommen die vier Komponenten emotionaler Intelligenz zum Tragen.
Daniel Goleman hat der Eigenschaft einen Namen gegeben, die Anführer von blossen Chefs unterscheidet: Mit seinem Buch «Emotional Intelligence» hat der Psychologe Mitte der Neunziger Jahre einen Bestseller gelandet, der nachhaltig die Vorstellung diskreditiert hat, der Intelligenzquotient allein sei entscheidend.
Die Coronavirus-Pandemie dürfte dies einmal mehr deutlich machen. Mitarbeiter und Kunden, deren Nerven durch die Sorge um Angehörige und Freunde, aber auch um den eigenen Lebensunterhalt, angespannt sind, sind für kühle Logik weniger empfänglich als sonst.
Grenzen der Hirnkapazität
Die unablässige Flut an — unzuverlässigen — Informationen führt ausserdem noch stärker als sonst dazu, dass Entscheidungen im Ungewissen getroffen werden müssen. Auch dabei stösst die reine Hirnkapazität schnell an ihre Grenzen. Stattdessen sind Zusammenarbeit und Kommunikation gefragt.
Alle diese Herausforderungen lassen sich mit emotionaler Intelligenz besser meistern. Vier Komponenten sind dabei entscheidend, wie Goleman in einem Artikel auf der Website des Beratungsunternehmens Korn Ferry schreibt.
1. Selbsterkenntnis
Sei es Frust, Angst oder Sorge – starke Gefühle können die Kontrolle über normalerweise rationale Menschen gewinnen. Je stärker sich eine Führungsperson der eigenen Emotionen bewusst ist, desto effektiver kann er oder sie mit diesen umgehen.
«Wissen ist Macht», schreibt Goleman in diesem Zusammenhang: Wer seinen emotionalen Zustand richtig erkennt und einordnet, wird in einer Krisensituation den Mitarbeitern eine Stütze sein, statt die Krise zu vertiefen.
2. Selbstkontrolle
Im menschlichen Hirn streiten zwei Bereiche um Vorherrschaft: Die Amygdala und der präfrontale Kortex. Bei ersterer handelt es sich um den Bereich, in dem instinktive Reaktionen – Flucht oder Kampf — verankert sind. Logisch denken hingegen kann der präfrontale Kortex.
Diesen gilt es allerdings rechtzeitig zu trainieren: Was das Joggen für Lunge und Herz, ist das Meditieren, sind Atemübungen für das Hirn. So kann man verhindern, dass im Ernstfall die Amygdala übernimmt und damit Entscheidungen nicht mehr mit kühlem Kopf getroffen werden.
3. Soziales Bewusstsein
Auch wenn der Job einsamer wird, je höher auf der Karriereleiter man sich befindet, bewegt man sich nie in einem Vakuum. Deshalb gilt es, Mitarbeitern oder Kunden mit Empathie zu begegnen.
Wer sich bewusst ist, welche Ängste und Bedürfnisse ein Gegenüber treiben, wird von diesen besser unterstützt werden. So lassen sich Überstunden oder Filialschliessungen in Folge der Coronavirus-Pandemie ohne Konflikt überstehen.
4. Beziehungs-Management
Als «Freundlichkeit mit einem Zweck» umschreibt Goleman die Fähigkeit zum Beziehungs-Management, welche er als Teil der emotionalen Intelligenz sieht. Sei es über Inspiration, Konfliktmanagement oder Teamwork – das Ziel des Anführers ist, dass sich alle in die gewünschte Richtung bewegen.
Wer über eine Kombination dieser vier Fähigkeiten verfügt, kann auch in einer Krise effektiv führen. Auch wenn die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie noch nicht absehbar sind, steigt damit immerhin die Wahrscheinlichkeit, dass der Wiederaufbau danach auf einem soliden Fundament startet.