Keiner hat an den Finanzmärkten gesehen, was dieser Mann gesehen hat: Seine ersten Investments tätigte Irving Kahn vor 1929. So guter Rat wie von ihm ist so günstig nicht mehr zu haben.
Er hat sie alle gesehen, die Booms und die Crashes. Alle? Nun gut, wenigstens alle des 20. und des 21. Jahrhunderts. Irving Kahn (Bild) war im Markt, als 1929 der Börsen-Crash die Grosse Depression einläutete.
Er hielt sein Geld während des Zweiten Weltkriegs zusammen, während des Kalten Krieges, er erlebte die Stagnation an den Börsen in den sechziger Jahren und die Inflation in den Siebzigern, den «Black Monday» 1987, den beispiellosen Aufschwung in den neunziger Jahren, gefolgt vom nächsten Crash und nochmals einem Crash 2008. Und er war immer investiert.
Begonnen als Short-Seller
Irving Kahn ist 108 Jahre alt. Und er macht noch immer, was er am liebsten macht: Geld anlegen in den Büros seiner Firma Kahn Brothers in New York . Kahn ist damit wohl der älteste Profi-Investor der Welt. Wenn man wissen will, was einen Langzeit-Investor wirklich ausmacht, sollte man sich Kahns Ratschläge zu Gemüte führen. Dem «Telegraph Money» hat der weise Greis ein Interview gewährt.
Begonnen hat Kahn als Short-Seller im Boommarkt vor 1929. Er sei zur Überzeugung gekommen, dass dies der einzige Weg sei, in diesen Märkten noch Geld zu verdienen. Kahn sollte Recht behalten. Andere Investoren verloren alles, mussten für Not-Brot Schlange stehen und im Central Park mit ihren Familien unter freiem Himmel übernachten.
Erste Lektion: Kein Leverage und bescheiden bleiben
Kahns Lektion: In einem Marktumfeld, in dem es kaum einen rechtlichen Rahmen gibt, geschweige denn Anlegerschutz, muss man das Risiko minimieren. «Ich habe fortan konservativ investiert und auf Leverage verzichtet. Ein bescheidener Lebensstil schadete auch nicht», so Kahn.
Nach der Grossen Depression spannte er mit Benjamin Graham zusammen, dem Erfinder des Value-Investing. Von ihm lernte Kahn, dass eine genaue Analyse seiner Investments das Gegenteil von Spekulation ist.
Hier sind einige von Kahns Grundsätzen, die einem Investor ein langes Leben bescheren:
- «Es gibt immer gute Unternehmen, die zu einem Discount gehandelt werden. Um sie zu finden, braucht es Geduld. Wenn der Markt teuer ist, muss der Investor warten können.»
- «Ein guter Investor muss eine um 180-Grad andere Stimmung haben als die Märkte. Das hat auch Warren Buffett richtig gesagt.»
- «Die erste Aufgabe eines Investors ist, sein Kapital zu bewahren. Hat er das geschafft, kann er sich der zweiten Aufgabe zu wenden: Rendite zu erwirtschaften.»
- «Ich ziehe es vor, langsam zu handeln. Aber dafür beständig.»
- «Sinkt eine Aktie im Kurs und meine Meinung zu ihr hat sich nicht geändert, mag ich sie umso mehr.»
- «Man muss die Disziplin und das Temperament haben, seinen Impulsen zu widerstehen. Menschen haben exakt die falschen Instinkte, die sie in ihrem Marktverhalten zeigen.»
Und das Geheimnis, in so hohen Alter noch so vital zu sein? Sein Sohn Tom Kahn sagt, zu 75 Prozent seien es wohl die Gene. «Und er hat nie gesund gegessen: Er zog einen Cheeseburger einem Salat immer vor.» Und geraucht habe Irving Kahn auch, bis er 50 Jahre alt gewesen sei.