Seit einigen Monaten nimmt der Geschäftsreiseverkehr wieder rasant zu. Mit der Corona-Pandemie haben sich allerdings auch die Erwartungen der Hotelgäste stark verändert, wie eine europaweite Studie zeigt. Was sagen die Schweizer Hoteliers dazu?
Natürlich mag niemand unsaubere Hotelzimmer. Mit der Corona-Pandemie hat die Hygiene aber einen ganz neuen Stellenwert erhalten. Das sagt Daniel Twerenbold (Bild unten), der als regionaler Direktor der Radisson Hotel Group für die Schweiz, Italien, Österreich und Südosteuropa eine ganze Reihe von Hotels führt, die vor allem Geschäftsreisende nutzen.
Eine kürzlich veröffentlichte, multinationale Studie, die der französische Hotelkonzern Accor in Auftrag gegeben hat, bestärkt diese Aussage. Rund 6'000 Personen aus europäischen Ländern wurden dabei befragt; und 85 Prozent von ihnen gaben an, dass die Corona-Pandemie die Prioritäten stark verändert habe: Hohe Hygiene-, Gesundheits- und Sicherheitsstandards seien in den Mittelpunkt getreten – die Flexibilität bei der Buchung noch wichtiger, und Technologien wie kontaktlose Buchungs- und Zahlungsmöglichkeiten spielten eine immer grössere Rolle.
Gäste verlangen viel mehr Hygiene
Seit der Pandemie lassen denn auch viele Hotels ihre Hygienemassnahmen zertifizieren. «Schon im Mai 2020 haben wir das Radisson Hotels Safety Protocol eingeführt», erklärt Twerenbold. «Es umfasst fünf Präventionsmassnahmen: Luftqualität, verstärkte Reinigung und Desinfektion, Bereitstellung von Hände-Desinfektionsmitteln, kontaktlose Zahlungsoptionen sowie Training und Gesundheitsmonitoring für unser Team.» Um sicherzustellen, dass die Hygienestandards eingehalten werden, arbeitet Radisson mit dem weltweit tätigen Genfer Warenprüfkonzern SGS zusammen.
Viele Business-Gäste verlangen aus hygienischen wie auch aus zeitlichen Gründen die Möglichkeit, online ein- und auszuchecken, das heisst kontaktlos und ohne an der Rezeption Schlange stehen zu müssen. Das Hotel darf aber laut Twerenbold nicht auf Online-Services als alleinige Option setzen: «Geschäftsreisende wollen zwischen personalisiertem und automatisiertem Service wählen können.»
Zimmerschlüssel auf dem Handy
Matthias Ramer (Bild oben) bestätigt das. Er ist als Cluster General Manager innerhalb der Schweizer Sorell-Hotelgruppe für die Zürcher Hotels Seidenhof und St. Peter verantwortlich. Der soeben total sanierte Seidenhof, bei der Bahnhofstrasse gleich um die Ecke, spricht Business- und Feriengäste gleichermassen an; Banken und andere Firmen aus dem Quartier bringen ihre Besucher hier unter.
Wer will, kann digital einchecken und erhält den elektronischen Zimmerschlüssel auf sein mobiles Endgerät geladen. Doch ist die Rezeption trotzdem rund um die Uhr besetzt, denn «viele Gäste erwarten nach wie vor eine persönliche Betreuung», weiss Ramer.
Lage, Lage, Lage
M., bereits wieder fast wöchentlich für ein Schweizer Finanzinstitut in Europa unterwegs, fordert neben dem schnellen Check-in und Check-out zudem, dass das Hotel keine unnötigen Daten erhebt, und dass der Reisende nach dem Hotelaufenthalt nicht mit Fragebogen und Newslettern eingedeckt wird.
Bei Immobilien gilt «Lage, Lage, Lage». Das liesse sich auch auf Business-Hotels übertragen, und zwar nicht erst seit der Pandemie. Für den Vielreisenden M. ist «die Anbindung an den Flughafen oder den Bahnhof ausschlaggebend». Gäste, die mit dem Auto anreisen, verlangen entweder einen Parkplatz in Hotelnähe oder einen vom Hotel angebotenen Valet-Parkservice.
Hohe Gebühren
(Bild: Unsplash)
Mit fortschreitender Digitalisierung verändern sich auch die Ansprüche an das Hotelzimmer selber: Ein schnelles und stabiles Netzwerk für den Internet-Zugang (WLAN) ist unabdingbar. Gerade für Zoom-Meetings, die mit der Pandemie einen ungeahnten Aufschwung genommen haben, sind die Privatsphäre des Hotelzimmers sowie das Highspeed-WLAN entscheidend. Das scheinen einige Hotels noch nicht begriffen zu haben: Entweder gibt es WLAN bei ihnen nur im öffentlichen Bereich, oder im Zimmer werden hohe Gebühren verlangt. Beides akzeptieren Geschäftsreisende nicht mehr.
Sehr geschätzt wird in diesem Zusammenhang auch ein Flat-Screen-TV im Zimmer, der mit dem Handy, dem Tablet und dem Laptop gekoppelt werden kann. So lässt sich im Hotelzimmer ein eigentlicher Meeting Room einrichten.
Hotel- als Arbeitszimmer
Zum Arbeiten benötigt man zudem einen Tisch mit vernünftig grosser Fläche und einen bequemen Stuhl. Und wenn wir schon dabei sind: Für all die mitgeführten elektronischen Geräte braucht es auch frei zugängliche Steckdosen beim Arbeitsplatz und beim Bett. Niemand will Nachttische verrücken oder unters Bett oder den Tisch kriechen, um nach Steckdosen zu suchen – die dann vielleicht doch nicht vorhanden sind.
Im digitalen Zeitalter werden auch weitere Einrichtungen geschätzt, zum Beispiel Tablets im Zimmer, über die der Gast Kontakt zum Personal aufnehmen oder Dienstleistungen buchen kann. Eine gut platzierte und einfach zu bedienende Steuerung der Klimaanlage ist ebenso willkommen wie Programme, mit denen der Gast die richtige Beleuchtung zum Arbeiten, Lesen, Fernsehschauen, Entspannen und Aufwachen wählen kann – ohne für deren Bedienung ein ETH-Studium als Elektroingenieur absolvieren zu müssen.
Banker M. nennt als weiteren Punkt die Möglichkeit, ein Zimmer auch tagsüber vollständig zu verdunkeln, wenn man einmal Schlaf nachholen wolle. Dass das Bett auf jeden Fall bequem und von höchster Qualität sein muss, versteht sich von selbst.
Und dann die Freizeit
Viele Geschäftsreisende nutzen zudem häufig auch die Business Centers im Hotel und neuerdings auch C-Working-Spaces, wo Drucker, Scanner und Büromaterial bereitstehen. Beliebt sind schliesslich Sekretariatsservices für Schreibarbeiten und Reisebuchungen, die allerdings nur von wenigen hochklassigen Häusern angeboten werden.
Der Mensch lebt nicht von der Arbeit allein. Wichtig für Business-Gäste ist ein reichhaltiges Frühstück, wie M. betont, denn «oft hat man den ganzen Tag keine Gelegenheit zum Essen». Die Accor-Studie hat in der Tat ergeben, dass Geschäftsreisende das Frühstück neben dem WLAN als wichtigste Inklusivleistung des Hotels betrachten.
Den Tag ausklingen lassen
(Bild: Lenkerhof Gourmet Spa Resort)
Nach einem aufreibenden Arbeits- oder Reisetag ist ein Wellness-, Fitness- und Freizeitangebot willkommen (Bild oben). Danach schätzt der Vielreisende M. zum Diner im Restaurant eine «kleine, aber feine Menükarte» und danach «eine schöne Bar, wo man den Tag ausklingen lassen kann».
Überteuerte Extras
Bei allen Ansprüchen der Businessgäste darf der Preis nicht vergessen werden. Er ist sicher ein Entscheidungskriterium, und viele Unternehmen holen sich mehrere Angebote ein, bevor sie für die Mitarbeitenden Zimmer buchen.
Wichtig ist schliesslich, welche Leistungen im Preis inbegriffen sind. Zwei Drittel der Befragten stören sich laut der Accor-Studie an überteuerten Extras. Demgegenüber hat Daniel Twerenbold festgestellt, «dass Geschäftsreisende wie auch Freizeitreisende durchaus bereit sind, höhere Preise zu zahlen, wenn die Qualität stimmt».