Der 120-jährige, kürzlich renovierte Seidenhof erinnert daran, dass Zürich einst die Hauptstadt des Seidengewerbes war. Das Boutique-Hotel der Sorell-Gruppe liegt fast an der Bahnhofstrasse. Doch es steigen immer weniger Businessgäste und dafür mehr Touristen hier ab – und verbringen ein perfektes Wochenende, erklärt Direktor Matthias Ramer im Interview mit finews.ch.
Herr Ramer, warum sind Sie Hotelier geworden?
Durch Zufall und durch einen Kollegen, den es in die Hotellerie verschlagen hatte. Als ich ihn einmal besuchte, war ich sofort fasziniert von der Umgebung und den Menschen. Schon in den ersten Tagen meiner Lehre als Servicefachangestellter war mir klar, dass ich einmal «mein eigenes Hotel» leiten möchte.
Wie sind Sie zu Ihrem heutigen Job gekommen?
Der frühere Leiter Hotels bei den ZFV-Unternehmungen hat mich abgeworben mit der Aussicht, dass wir zusammen für die Unternehmung eine Hotelgruppe (die jetzige Sorell-Gruppe) aufbauen. Das ist zwanzig Jahre her.
Verraten Sie uns die Gründe, die Ihr Haus aussergewöhnlich machen?
Wir vereinigen im Seidenhof urbane, ungezwungene Gastfreundschaft mit herausragendem Design (Bild unten). In unserem Restaurant Enja werden saisonale und regionale Spezialitäten mit Kreativität und Leidenschaft auf dem offenen Feuer zubereitet.
Der Seidenhof, 1902 erbaut und 2022 nach einer umfassenden Sanierung neu eröffnet, ist ein Haus auf höchstem Niveau im Boutique-Bereich.
Was ist Ihr Geheimtipp in der näheren Umgebung?
Da der Seidenhof mitten in der Stadt liegt, gibt es hier unzählige Möglichkeiten: Restaurants, Cafés, Bars, Galerien, Museen und die weltberühmte Bahnhofstrasse liegen um die Ecke. Die malerische Altstadt links und rechts der Limmat und der Zürichsee sind zu Fuss erreichbar.
Was ich besonders empfehle: das Uhrenmuseum Beyeler an der Bahnhostrasse sowie die Ausstellungen im Haus Appenzell an der nahgelegenen St. Peterstrasse. Ein Spaziergang entlang der Sihl vom City-Parkhaus aus und anschliessend im alten Botanischen Garten bietet ein einzigartiges Naturerlebnis mitten in der Grossstadt.
Was bietet Ihr Hotel für ein «perfektes Wochenende» zu zweit?
Ein entspanntes Wohngefühl in einem unserer Zimmer gepaart mit einem kulinarischen Erlebnis in unserem Restaurant Enja (Bild unten). Dank seiner zentralen Lage eignet sich der Seidenhof bestens sowohl für einen Bummel durch die vielen Gassen Zürichs wie auch für Shoppingerlebnisse.
Die verschiedenen Theater und das Opernhaus bieten Vorstellungen auf hohem Niveau. Auch ein Besuch im Kunsthaus mit dem neuen Anbau des berühmten britischen Architekten David Chipperfield lohnt sich immer. Der Seidenhof besitzt Jahreskarten für das Kunsthaus, die er seinen Gästen auf Wunsch zur Verfügung stellt.
Wie definieren Sie Gastfreundschaft?
Das Wort sagt es ja schon: dem Gast als Freund begegnen, ihn dementsprechend willkommen heissen und ihm Freude bereiten.
Wie haben sich die Gästebedürfnisse verändert, seit Sie Hotelier geworden sind?
Die Stadthotellerie hat sich stark gewandelt. Früher hatten wir einen grossen Anteil Geschäftskunden und weniger Touristen. Heute ist es umgekehrt. Daher genügte es früher auch einfach, Zimmer zu vermieten. Heute ist der Stadthotelier viel mehr gefordert, sich persönlich um die Gäste zu kümmern.
Es ist unabdingbar, einen persönlichen, unverwechselbaren Service für jeden Gast zu entwickeln, der vom ganzen Team im Haus authentisch gelebt wird.
Was war das Verrückteste, was Sie in Ihrem Berufsalltag erlebt haben?
In einem Hotel, in welchem ich früher arbeitete, wurde eine grössere Menge von Fernsehgeräten von Hoteldieben aus dem Haus getragen – und das vor der Nase der Rezeption.
Wohin entwickelt sich die Gastronomie im Hotel?
Das ist eine grosse Frage, auf die ich so nicht in Kürze antworten kann. Ich kann nur sagen, woran ich in meinem Haus glaube: Die Gastronomie in einem Hotel muss in Sachen Innovation, Charakter, Ausstrahlung und Kochkunst mit den Mitbewerbern aus der reinen Gastronomie mithalten können. Sie muss auch für den lokalen Gast zugänglich sein und ihn ansprechen.
Die Gastronomie sollte für den Hotelgast ein Kriterium sein, warum er ein Boutique-Hotel, wie wir es sind, einem reinen «Bettenhaus» vorzieht, wo «Lean Service» (schönes Fachwort für «wenig Service») geboten wird. Wenn man dies zusammenbringt, hat die Gastronomie im Hotel sehr wohl Zukunft.
Worauf achten Sie beim täglichen Gang durch Ihr Haus?
Natürlich auf Details, aber auch darauf, wie die Stimmung in meinem Team ist. Zudem ist es für mich wichtig, mit meinen Gästen ins Gespräch zu kommen. So erfahre ich Details und beobachte Dinge, die man vielleicht nicht auf den ersten Blick sieht.
Was ist Ihre persönliche Devise beim Führen eines Hotels?
Man muss Menschen mögen, und man muss die eigenen Werte vorleben. Doch selbstverständlich muss man stets auch abwägen, ob die Strategien und Massnahmen trotz Innovation und Fokus auf das Wohl der Gäste auch betriebswirtschaftlich sinnvoll sind.
Und was motiviert Sie selber jeden Tag aufs Neue, Ihren Job auszuüben?
Freude zu bereiten und jeden Tag mit vielen verschiedenen Menschen verbringen zu dürfen.
Was war der beste Ratschlag Ihrer Eltern?
Lebe Deine Leidenschaft.
Matthias Ramer absolvierte nach einer Lehre als Servicefach-Angestellter eine Handelsschule in französischer Sprache. Danach besuchte er die Hotelfachschule Luzern, die er als eidg. dipl. Hotelier HTL abschloss. Nach diversen Stages in Hotels in der Schweiz wurde er Vizedirektor und später Direktor des Hotels St. Gotthard, Zürich. Die vergangenen zwei Jahre bei Manz Privacy Hotels war er zudem Mitglied der Geschäftsleitung. Danach übernahm er die Direktion des Hotels Seidenhof und war gleichzeitig während sieben Jahren Operations Manager bei den Sorell Hotels, der Schweizer Hotelgruppe, die zu den ZFV-Unternehmungen gehört. Als Mitglied des Projektmanagement-Teams war er für die Eröffnung des Sorell Hotels St. Peter 2020 in der Zürcher Altstadt sowie des renovierten Hotels Seidenhof 2022 verantwortlich. Als Cluster General Manager führt er die beiden Häuser weiterhin.