Bei Rechts- und Finanzfragen hätten die meisten Leute zumindest ein Gespür dafür, was nun «richtig» und was «falsch» sei. In medizinischen Fragen gehe ihnen dieses Gespür jedoch ab, sagt Robert Maciejewski im Interview mit finews.ch.
Herr Maciejewski, unser Gesundheitssystem hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Während früher das Wohl des Patienten das höchste Ziel allen Wirkens war, sind die heutigen Gesundheitssysteme rund um den Globus vor allem von Kosten- und Profitdruck geprägt. Was sind die Konsequenzen daraus?
Das sorgt für überlastete Ärzte, falsche Beratungen und Behandlungen – auch in der Schweiz.
Können Sie das etwas präziser untermauern?
Ich selber komme aus einer Familie von Ärzten, und habe so hautnah miterlebt wie bei der «alten Garde» von Ärzten der Frust über die Veränderungen im System über die Jahre immer grösser wurde. Das führt dazu, dass gut Versicherte häufig «überbehandelt» werden – mit der teuersten, statt der für den Patienten geeignetsten Behandlung. Oft kommen auch unnötige, belastende oder sogar kontraproduktive Untersuchungen, Therapien und Operationen zum Einsatz.
«Für die meisten Leute ist es oft ein Glücksfall, ob sie beim ‹richtigen› Arzt oder in der ‹richtigen› Klinik landen»
Ausserdem hat der Durchschnittspatient ohne persönliche Kontakte zu kompetenten und unabhängigen Medizinern kaum Anhaltspunkte dafür, ob eine vorgeschlagene Behandlung die bestmögliche ist – oder ob es nur darum geht, einen Privatpatienten möglichst «gewinnoptimiert» zu behandeln.
Dem Durchschnittspatienten fehlt dazu ganz einfach das nötige Wissen.
Bei Rechts- und Finanzfragen haben die meisten Laien zumindest aber ein gewisses Gespür dafür, was nun «richtig» und was «falsch» ist. In medizinischen Fragen fehlt hingegen dieses Gespür, so dass es für die meisten Leute letztlich ein Glücksfall ist, ob man beim «richtigen» Arzt oder in der «richtigen» Klinik landet.
Das von Ihnen geleitete SIP Medical Family Office will gemäss eigenen Angaben zu einer besseren Gesundheitsversorgung beitragen. Was heisst das konkret?
Wir unterstützen Menschen aus mittlerweile 65 Ländern mit unserem weltweiten Netzwerk aus medizinischen Top-Spezialisten, Präventivmassnahmen und weiteren Gesundheits-Dienstleistungen.
«Wir agieren sozusagen als Sparring-Partner»
Wir sind für Kundinnen und Kunden der erste Ansprechpartner in Gesundheitsfragen und helfen beispielsweise dabei, ohne Wartezeiten an uns persönlich bekannte Top-Spezialisten aus allen medizinischen Fachgebieten zu kommen – ob für Behandlungen oder Zweitmeinungen – und sorgen mit unterschiedlichsten Präventivprogrammen dafür, dass gesundheitliche Probleme erkannt werden, bevor sie überhaupt auftreten.
Ihre Klientel scheint aus dem internationalen Geldadel und Jet-Set zu stammen.
Falsch. Unsere Dienstleistungen werden nicht nur international zunehmend nachgefragt, sondern auch in der Schweiz, zumal unser Land mit einem der weltweit besten Gesundheitssysteme gesegnet ist. Wir agieren da sozusagen als Sparring-Partner.
Wie muss man sich das vorstellen?
Kürzlich hatten wir einen Fall, bei dem es darum ging, dass sich eine gesunde junge Frau aus Angst vor Krebserkrankungen durch eine familiär erbliche Vorbelastung vorsorglich die Brüste entfernen lassen wollte.
«Eine Mastektomie ist keine Zahnfüllung, sondern stets eine schwere Operation mit erheblichen Risiken»
Ihr Frauenarzt ging das Thema sehr locker an und schlug vor, die Operation gleich selber durchzuführen – in Zusammenarbeit mit einem plastischen Chirurgen für die Rekonstruktion, der ohne weitere Fallprüfung zugesagt hatte. Als ich davon gehört habe, hat es mich geschüttelt.
Was war daran falsch?
Eine Mastektomie ist keine Zahnfüllung, sondern stets eine schwere Operation mit erheblichen Risiken, über die umfassend aufgeklärt werden muss, und die nur – nach vorheriger genetischer Abklärung – von einem erfahrenen Spezialisten durchgeführt werden sollte, der diese Operation hunderte Male durchgeführt hat; und nicht von einem, noch so wohlwollenden Arzt, der kaum über praktische Erfahrung bei dieser OP verfügt und hier wohlmöglich noch mehr Schaden als Nutzen anrichtet.
Was haben Sie unternommen?
Zum Glück konnten wir noch rechtzeitig und sehr kurzfristig einen Kontakt mit einem führenden Fachspezialisten aus unserem Netzwerk herstellen, der dann nicht nur sachlich über die Risiken aufgeklärt hat, sondern nach umfassenden genetischen Tests auch klar die Kontraindikation aufgezeigt hat und unserer Kundin so wohlmöglich einen langen Leidensweg nach einer unnötigen Operation erspart hat.
Häufig ist «keine Behandlung» noch die beste Behandlung, und das geht nur wenn keine finanziellen Interessen beim Behandlungsentscheid im Vordergrund stehen.
Robert Maciejewski leitet das SIP Medical Family Office in Zürich, das zum Ziel hat, in Gesundheitsfragen der Kundschaft genauso unabhängig, beschützend und planend zur Seite zu stehen, wie es ein klassisches Family Office in finanziellen Fragen tut. Vor seiner Tätigkeit bei SIP war Maciejewski in der Unternehmensberatung tätig.